Schreiben öffnet Türen

Sommergespräche - Teil 6
Ausgabe Nr. 32
  • Kunst und Kultur
Autor:
Sommer ist für Heinz Janisch Familienzeit. Mit Frau und Tochter geht es an die Ostsee, zum Schreiben ins eigene Haus im Burgenland. Er freut sich auf Sonne im Garten und Windbrise am Meer.
Sommer ist für Heinz Janisch Familienzeit. Mit Frau und Tochter geht es an die Ostsee, zum Schreiben ins eigene Haus im Burgenland. Er freut sich auf Sonne im Garten und Windbrise am Meer. ©privat

Heinz Janisch ist ein Superstar der heimischen Kinderliteraturszene. Rund 200 Bücher hat er geschrieben und viele Preise dafür gewonnen, zuletzt den Hans Christian Andersen Preis, der einem Oscar gleichkommt.

Warum wir alle mehr Geschichten erzählen sollten, verrät er im Interview.

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Schreiben als Abenteuer

Ist das Schreiben für Sie nach 200 Büchern immer noch spannend?

Heinz Janisch: Es bleibt deshalb so spannend, weil du einen Zettel und einen Bleistift nimmst, einen Satz hinschreibst und damit eine Tür aufmachst: Ich bin ein Delfin – dann bist du ein Delfin. Ich bin ein König – dann bist ein König. Dadurch bleibt es immer spannend.

Woher kommt Ihre Inspiration?

Ich frage mich das oft selber. Viel hat mit Beobachtung zu tun und ich glaube, über einen guten Speicher zu verfügen, was meine Kindheitsgefühle angeht. Wenn ich einen Bub auf einem Baum sitzen sehe, weiß ich genau, wie die Rinde gerochen hat, wie moosig das war. Und dann gehe ich heim und schreibe ein Gedicht: Ich bin der König der Bäume, ich bin der König der Träume, wenn ich nur jetzt den Bus nicht versäume. So entsteht es eigentlich. Ich bin so ein Dauerkritzler, ich muss immer ein Notizheft und einen Stift mithaben. Ich habe das Gefühl, mit dem Aufschreiben spüre ich die Welt besser. 

Vom Lesen zum Schreiben

Wann haben Sie begonnen, Geschichten zu schreiben? 

Ich bin in einem kleinen Dorf im Südburgenland aufgewachsen. Wir hatten ganz wenige Bücher, meine Eltern hatten kaum Geld. Aber mein Vater hat sich manchmal von der Pfarrbücherei Bücher ausgeborgt, was mich beeindruckt hat. Er hat mir eine Jahreskarte für die Bücherei geschenkt, dieser Ausweis war ein bisschen wie der Sheriff-Stern. Ich habe mich quer durchgelesen und bin durchs Lesen zum Schreiben gekommen. In den Märchenbüchern ist gestanden: „Und wenn sie nicht gestorben sind, leben sie noch heute.“ Da habe ich Fortsetzungen geschrieben: Was machen die nach der Hochzeit? Sie gehen ins Kino, essen eine Pizza Salami, machen eine Weltreise. Mein Papa hat diese Geschichten abgetippt und an Kinderzeitschriften geschickt und zwei-, dreimal wurden sie abgedruckt. Da war ich so stolz, dass ich mir gedacht habe, ich werde Schriftsteller. 

Eine wichtige Station auf Ihrem Weg zum Autor war ein Studentenjob bei der katholischen Kinderzeitschrift „Weite Welt“ ...

Die Arbeit für die „Weite Welt“ war meine Eintrittskarte in die Welt der Kinderliteratur. Meine Chefredakteurin war Lene Mayer-Skumanz, die selber tolle Bücher geschrieben hat und schreibt. Sie hat mich ermutigt, Geschichten zu schreiben. 

Spiritualität im Schreiben

In Ihren Büchern greifen Sie immer wieder das Thema Spiritualität auf. Welche Rolle spielt das in Ihrem Leben?

Mein Großvater war Mesner, ich durfte mitgehen, wenn er die Kerzen angezündet, das Tor aufgesperrt oder die Glocken geläutet hat, und mit einem Staubwedel den Engeln die Flügel abstauben. Ich bin im Kirchenraum ein bisschen aufgewachsen, war auch Ministrant. Dann habe ich mich davon entfernt. Beim Schreiben bin ich wieder auf die Geschichten zurückgekommen und habe Geschichten aus der Bibel neu erzählt. Ich würde sagen, ich bin ein spiritueller Mensch, aber mein Glaube hat sich verändert, ich sehe das jetzt ein bisschen anders, in einem weiteren Raum. Aber ich glaube schon, dass es etwas gibt, das mich stützt, trägt und begleitet. 
 

Schreiben als Einladung

Mit Ihrem neuesten Buch, „Das Buch der Anfänge“, ermuntern Sie dazu, selbst Geschichten zu erzählen …

„Das Buch der Anfänge“ sind 33 Anfänge als Einladung zum Selber-Weiterdenken. Es sind 17 Sätze von mir und 16 Bilder von Michael Rohr. Man sieht zum Beispiel ein Mädchen, das unter Wasser eine riesige Wasserschildkröte trifft oder ein grünes Raumschiff, das im Garten landet. Oder es steht ein Satz da: „Plötzlich lief der Baum davon.“ Das ist ein Anfang. Ich finde, wir sollten alle viel mehr Geschichten erzählen.

Warum sollten wir das?

Damit unsere Phantasie nicht zu schläfrig wird und weil das Empathie weckt für andere. Wenn du Geschichten oder Bücher liest, schaust du in die Seelenwelten von anderen. Was denkt der, warum fürchtet sich der, wovor hat er Angst? Du spürst das ja mit, denkst das mit. Ich glaube, das hat auch eine politische Dimension, wenn du siehst, wie es anderen Leuten geht, wenn du offen bist für andere Geschichten; dass du einfach viel mehr den Kopf hebst und viel mehr nachdenkst, was alles möglich ist und viel mehr Perspektiven siehst.

Logo radio klassik Stephansdom.
Logo radio klassik Stephansdom. ©David Kassl

Sommergespräch: Heinz Janisch

Heinz Janisch lebt in Wien und im Burgenland. Seine neuesten Bücher sind „Ich freue mich furchtbar sehr“ und „Das Buch der Anfänge“. Sein Theaterstück für Erwachsene „Der hölzerne Reifen – Die späte Heimkehr des Herrn Glück“ hat am 11. September in der Synagoge Kobersdorf Premiere. 

Tickets: karten@oho.at, Info: 03352/38555
heinz-janisch.com

Das ganze Gespräch hören Sie am Montag, 11. August 2025, 17:30 Uhr.  ▶ radioklassik.at

Schlagwörter
Autor:
  • Monika Fischer
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