Polizeiseelsorge in Wien

Ein Anker, um den Schrecken des Einsatzes aufzuarbeiten
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Karolina Firzinger arbeitet für die Polizeiseelsorge in Wien
Karolina Firzinger arbeitet für die Polizeiseelsorge in Wien ©LPD-Wien / Thomas Cerny

Es begann im Jahr 1996, als Pfarrer Martin Müller von der Österreichischen Bischofskonferenz den Auftrag bekam, für Österreich eine Exekutivseelsorge (Polizei, Gendarmerie, Zollwache) einzurichten. Heute gibt es fast in jedem Bundesland mindestens einen Polizeiseelsorger oder eine Polizeiseelsorgerin. Unter ihnen auch (ehemalige) Polizeibeamte. In Wien sind zurzeit fünf Seelsorger tätig: zwei Priester, zwei Diakone und eine ehrenamtliche Mitarbeiterin.

Wie bei der Feuerwehr oder den Rettungsorganisationen wird der Dienst für die Polizei erschwert durch nicht vorhersehbare, negative Situationen wie Unfälle, Gewalt, Konfrontation mit dem Tod, Leid und Gefahren, die die Polizistinnen und Polizisten belasten. Die wichtigste Person, mit der sie dann reden, ist zunächst die Kollegin, der Kollege, der vielleicht auch schon selbst in einer ähnlichen Situation gewesen ist.

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Schwere psychische Belastung für Familien der PolizistInnen

Manchmal kann auch innerhalb der Familie das Erlebte aufgearbeitet werden. Es ist nicht selbstverständlich, im privaten Umfeld über das Erlebte reden zu können. Allzu oft ist dies auch gar nicht möglich, denn auch für die Familie können Erzählungen über manche Einsätze eine schwere psychische Belastung darstellen. Auch die Sorge um die eigene Familie während eines Einsatzes, die Sorge, ob man nach dem Einsatz auch wieder gesund nach Hause kommen wird, darf nicht außer Acht gelassen werden.

Die Polizeiseelsorge bietet hier neben Kollegen und Familie die dritte Boje, den dritten Anker, um den Schrecken des Einsatzes aufarbeiten zu können. Es geht immer um den Menschen und um sein Leben und Arbeiten.

Bis zu 100 Überstunden pro Polizeibeamten im Monat

Es gibt immer noch zu wenige Polizistinnen und Polizisten in Wien, daher fallen manchmal bis zu 100 Überstunden im Monat pro Beamten an. Durch unvorhergesehene Verlängerung der Dienstzeiten, die regelmäßigen Nachtdienste und zusätzliche Kommandierungen lassen sich Freizeitaktivitäten nur schwer planen. Das Privatleben muss sehr oft in den Hintergrund rücken, was wiederum zu Problemen in der Familie, aber auch zu mangelnder Erholung führen kann.

Auch der Druck, ständig unter medialer Beobachtung zu stehen, trägt sehr zur Unzufriedenheit und Frustration bei. Als Beispiel sei hier die derzeitige Pandemie genannt. In dieser Zeit sind ungewöhnliche Belastungen und Herausforderungen der Alltag für unsere Polizei, muss sie doch auf die Einhaltung sehr unpopulärer Maßnahmen innerhalb der Bevölkerung achten. Mangelnde oder fehlende Wertschätzung der Bevölkerung ist zumeist die Folge. Seit dem Terroranschlag in der Wiener Innenstadt hat sich allerdings das Bild der Polizei zum Besseren gewandelt. Die Menschen erkennen den großen und gefährlichen Einsatz zu unser aller Schutz an.

Die Polizeiseelsorge bietet dem Kollegen, der Kollegin, die Möglichkeit, sich alle Ängste und Sorgen von der Seele zu reden, ohne dass es dienstrechtliche Folgen hat. Wir sind als Seelsorger zur absoluten Verschwiegenheit verpflichtet, wie man es vom Beichtgeheimnis kennt. Wir arbeiten unabhängig von Bundesministerium für Inneres und Landespolizeidirektion. Das schafft in vielen Fällen Vertrauen und erleichtert auch, aufeinander zuzugehen, weil man sich doch schon in ruhigen, unbeschwerten Zeiten bei Dienststellenbesuchen kennengelernt hat.

Manchmal sind auch wir ratlos ...

Manchmal jedoch sind auch wir ratlos, und es fehlen uns die richtigen Worte. Dann sind wir einfach da, hören zu und schweigen. Unsere Haupttätigkeit ist, die Kolleginnen und Kollegen dort zu besuchen, wo sie arbeiten, nämlich an den Dienststellen. Diese Besuche beginnen meist mit der Frage „Wie geht es Ihnen?“ Das öffnet den Raum für oft sehr persönliche und intensive Gespräche. Dabei wird weder auf Kirchenzugehörigkeit noch auf Religionsbekenntnis geachtet.

Wir freuen uns, wenn wir mit Polizeiangehörigen Hochzeiten feiern und ihre Kinder taufen dürfen. Viel zu oft allerdings stehen wir den Kolleginnen und Kollegen sowie auch deren Familien bei Krankheit oder im Todesfall bei und begleiten sie.

Autor:
  • Karolina Firzinger
  • Christian Diebl
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