Pius XII. - Papst der 40 Enzykliken

Bedeutende Päpste - Folge 8
Ausgabe Nr. 33
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Was er wohl schrieb? Papst Pius XII., vertraut mit der Schreibmaschine. © STRINGER / AFP / picturedesk.com

Papst Pius XII. wird gemessen an seiner Haltung im Zweiten Weltkrieg. Die Öffnung der Vatikanischen Archive beleuchtet sein komplexes Erbe. Erfahren Sie mehr über diesen prägenden Papst.

Das Leben und Wirken von Papst Pius XII. wird bis heute an seiner Haltung zur Ermordung von mehr als sechs Millionen Juden im Zweiten Weltkrieg gemessen. Daher wird auch erst die 2020 erfolgte Öffnung der Vatikanischen Archive in Zukunft ein angemessenes Bild dieses Papstes ermöglichen, der mit seinen 40 Enzykliken in die jüngere Kirchengeschichte einging. Pius XII. war auch jener Papst, der – erstmals seit 1870 – im Jahr 1950 die Unfehlbarkeit in Fragen der Lehre für sich in Anspruch nahm.

Die Diplomatie war Eugenio Pacelli, am 2. März 1876 in Rom geboren, gleichsam in die Wiege gelegt, denn seine Familie war in politischen und juristischen Funktionen für die Kirche engagiert. Pacelli studierte in Rom Philosophie und katholische Theologie und wurde 1899 zum Priester geweiht. 1901 begann seine Karriere als Kirchendiplomat, 1917 wurde er Nuntius in München, 1920 Nuntius für die Weimarer Republik. Pacelli bekam den Hitlerputsch 1923 in München mit, schon 1924 bezeichnete er den Nationalsozialismus als die „vielleicht gefährlichste Häresie unserer Zeit“. 1925 verlegte er seinen Amtssitz als Nuntius nach Berlin. Pacelli sprach bald fließend Deutsch und hatte deutsche Angestellte, darunter seine langjährige Haushälterin und enge Mitarbeiterin Pascalina Lehnert.

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Was wusste der Papst, was wusste er nicht?

1929 wurde Pacelli Kardinal und 1930 Kardinalstaatssekretär. 1933 unterschrieb er das Konkordat mit Österreich und das Reichskonkordat mit der nationalsozialistischen Regierung Deutschlands. Schon früh übte der Heilige Stuhl in den 1930er-Jahren scharfe Kritik an der nationalsozialistischen Rassenideologie. Auch die Enzyklika „Mit brennender Sorge“ von Pius XI. aus dem Jahr 1937 wurde in wesentlichen Teilen von Pacelli verfasst.  Am 2. März 1939 wurde Pacelli zum Papst gewählt. Bezeichnenderweise sandte das NS-Regime keine Delegation zur Amtseinführung des neuen Papstes. Wie Benedikt XV. im Ersten, so veröffentlichte Pius XII. im Zweiten Weltkrieg immer wieder Friedensappelle. Was wusste der Papst von der Shoa, von der systematischen Judenvernichtung? Welche Spielräume hatte er, auch im Hinblick auf die Situation des kirchlichen Lebens im nationalsozialistischen Deutschland?

Der vatikanische Kenntnisstand ist bis heute umstritten. Und dennoch: In seiner Weihnachtsansprache vom 24. Dezember 1942 nannte Pius XII. seine Sorge um die „Hunderttausende, die ohne eigenes Verschulden, bisweilen nur aufgrund ihrer Nationalität oder Rasse dem Tod oder fortschreitender Vernichtung preisgegeben sind“. Pius XII. half, wo er konnte, vor allem im Vatikan und in der Diözese Rom. Zwei „Ereignisse“ stehen für die Rolle des Papstes. Israel Zolli, der damalige Großrabbiner von Rom, überlebte die Juden-Verfolgung in Rom durch das von Pius XII. veranlasste römische Kirchenasyl. Zolli ließ sich 1945 taufen und nahm als Taufnamen „Eugenio Pio“ an, den bürgerlichen Namen und den Papstnamen Pius’ XII. 1963 erschien das Drama „Der Stellvertreter“ von Rolf Hochhuth mit dem Pauschal-Vorwurf, Pius XII. habe gegenüber dem Holocaust geschwiegen. Mittlerweile wurden viele Kritikpunkte widerlegt oder relativiert. Letztlich wird die Rolle des Papstes in der NS-Zeit nur durch die Öffnung der Akten des Vatikanischen Apostolischen Archivs umfassend aufgearbeitet werden können – die Öffnung erfolgte am 2. März 2020.

Der Papst der 40 Enzykliken

Pius XII. verfasste 40 Enzykliken, darunter „Mystici Corporis“ (1943) – eine moderne Lehre von der Kirche. Mit „Divino afflante Spiritu“ (1943) erhielt die Bibelwissenschaft größeren Spielraum, mit „Mediator Dei“ (1947) wurde die Liturgische Bewegung gewürdigt. Die Enzyklika „Humani generis“ (1950) hingegen war ein letztes Aufbäumen des Antimodernismus, weil der Papst darin Kritik an einer Theologie übte, die allerdings von Theologen vertreten wurde, die später das Zweite Vatikanische Konzil prägten und sogar Kardinäle wurden. 1950 verkündete die Apostolische Konstitution „Munificentissimus Deus“ die leibliche Aufnahme Mariens in den Himmel als Dogma. Erstmals, und bislang seit dem Ersten Vatikanischen Konzil 1870 das einzige Mal, beanspruchte dabei ein Papst die Unfehlbarkeit in Fragen der Lehre. Pius XII. starb am 9. Oktober 1958 mit 82 Jahren in Castel Gandolfo.

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Autor:
  • Stefan Kronthaler
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