Wie Mamas Werkstatt Müttern in Not hilft

Die Sankt Elisabeth-Stiftung Hilft Müttern und Kindern in Not
Ausgabe Nr. 18
  • Soziales
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Die Handpuppen gehören zu den „Rennern“ in „Mamas Werkstatt“. „Aber das ist bei Weitem nicht alles, was in unserer Schneiderei hergestellt wird“, sagt Waltraud Kaufmann. ©EDW/ Stephan Schönlaub
Die Arbeit in „Mamas Werkstatt“ gibt dem Alltag der Frauen Struktur und sie erleben dabei, dass sie schwierige oder herausfordernde Situationen meistern können. ©EDW/ Stephan Schönlaub

Entdecken Sie „Mamas Werkstatt“, einen einzigartigen sozialen Betrieb im Herzen Wiens, der Müttern in Not durch echte Arbeitsmöglichkeiten hilft.

Mamas Werkstatt“, eine Textil-Werkstatt der Sankt Elisabeth-Stiftung, unterstützt alleinerziehende Mütter, die mit ihren Kindern in Not geraten sind, beim Wiedereinstieg oder Einstieg in die Arbeitswelt. Wir haben Waltraud Kaufmann, die Leiterin der Einrichtung, getroffen und mit ihr darüber gesprochen, was Müttern in Not und ihren Kindern wirklich hilft, wie wichtig ein Arbeitsplatz nicht nur für die Geldbörse, sondern auch für das Selbstbewusstsein ist. Und warum man in einem Arbeitsprozess gar so viel über sich selbst lernt.

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Der Zwettlerhof, die Passage zwischen Stephansplatz und Wollzeile im ersten Wiener Gemeindebezirk: Seit Anfang des Jahres hat „Mamas Werkstatt“ hier, nur einen Steinwurf vom  Stephansdom entfernt, ein neues Zuhause gefunden. Man teilt sich die Räumlichkeiten mit dem ehemaligen Behelfsdienst, heute der Materialstelle der Erzdiözese Wien. Im vorderen Bereich des Geschäfts werden Produkte, die in „Mamas Werkstatt“ hergestellt werden, zum Verkauf angeboten: Es gibt Handpuppen, kleine Stofftaschen, Lesezeichen, gestrickte Schals, Eltern-Kind-Pass-Hüllen und vieles mehr.
In einem abgetrennten Bereich des Geschäftslokals ist die eigentliche Werkstatt. Drei große Industrienähmaschinen stehen hier, in durchsichtigen Plastikkisten lagern Nähseide, Knöpfe, Zippverschlüsse und anderes Zubehör. In einem Nebenraum sind das Stofflager und ein  großer Zuschneidetisch untergebracht. Außerdem gibt es einen Stickautomaten, mit dem Motive auf unterschiedlichste Untergründe gestickt werden können.

„Alles, was wir fertigen, wird aus gespendetem Material hergestellt“, erzählt Waltraud Kaufmann, die Leiterin der Werkstatt. „Wir haben da wirklich großes Glück. Manches, was wir hier verkaufen, wird auch von ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen hergestellt – die gehäkelten oder gestrickten Schals zum Beispiel.“ Auch Auftragsarbeiten werden in „Mamas Werkstatt“ entgegengenommen. „Wir sind eine Schneiderei und übernehmen alle Arten von  Näharbeiten, ändern Kleidung oder reparieren sie. Im Entstehen sind derzeit zum Beispiel kleine Stoffsäckchen für eine Hochzeit und wir arbeiten an einem Rock, der nicht mehr passt.“ 

Ein „Produkt“ des ersten Lockdowns

2020 ist „Mamas Werkstatt“ entstanden. „Wir sind sozusagen ein Produkt des ersten Lockdowns“, sagt Waltraud Kaufmann. „Da haben wir begonnen, Stoffmasken zu nähen – auch Masken für Kinder, die es zu dem Zeitpunkt einfach nicht gab. Die, die man bekommen hat, waren für die Kinder einfach zu groß. Also sind wir aktiv geworden.“ Das Projekt ist damit jung, aber bereits gut etabliert. Das Team engagiert und motiviert. Neben Waltraud Kaufmann gehören auch noch Dominik Strasser und Edith Ebenstein, die eigentlich schon in Pension ist, zum Team. „Wir drei sind diejenigen, die die Arbeit anleiten“, sagt Waltraud Kaufmann. „Außerdem bekommen wir tatkräftige Unterstützung von unseren zwei Ehrenamtlichen.“ 

Aufgeben gibt’s nicht

Vier Arbeitsplätze hat „Mamas Werkstatt“ anzubieten. Derzeit sind drei davon besetzt. „Die Frauen, die hier arbeiten, sind mit ihren Kindern in Not geraten und in einer der Mutter-Kind-Einrichtungen der Elisabeth-Stiftung untergekommen“, sagt Waltraud Kaufmann. „Der Job hier soll sie beim Wiedereinstieg oder Einstieg in die Arbeitswelt unterstützen.“ Meist geht es dabei um eine Anstellung von sechs Monaten. Die Frauen, die hier arbeiten, kommen aus schwierigen Lebenssituationen. „Viele unserer Mitarbeiterinnen müssen einen Alltag mit vielen Kindern im Grunde ganz allein stemmen“, sagt Waltraud Kaufmann. „Das ist eine große Herausforderung.“ Dass sich die Frauen mit all ihren Problemen aber nicht einfach abfinden, sondern dass sie versuchen, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen – das beeindrucke sie schon immer wieder. „Zu sehen, wie die Frauen in kurzer Zeit eine enorme Entwicklung durchmachen und wie sie das dann auch selbst merken und stolz auf sich sind, ist schön. Wenn wir ahnen können: Diese Frau, die jetzt ihre Anstellung bei uns beendet, die wird es schaffen, die bekommt ihr Leben wieder in den Griff – das ist ein guter Moment.“

Echte Arbeitsplätze

Vorangegangen sind sämtlichen Anstellungen Gespräche mit den Arbeitsintegrationsberaterinnen der Sankt Elisabeth-Stiftung. „Wenn unsere Beraterinnen es für sinnvoll erachten und bei uns gerade eine Stelle frei ist, schicken sie die Frauen zu uns“, sagt Waltraud Kaufmann. Wobei „schicken“ nicht bedeutet, dass die Frauen, die hierher kommen, automatisch einen Arbeitsplatz haben. „Unsere Arbeitsplätze sind echte Arbeitsplätze“, betont Waltraud Kaufmann. „Das bedeutet, man muss sich bei uns bewerben und durchläuft auch den ganzen Prozess, der mit einer Bewerbung einhergeht.“ Das heißt, es gibt zunächst einmal ein Vorstellungsgespräch. „Wenn das gut verlaufen ist, wird die Bewerberin zu einem Probetag eingeladen – da können dann die Frauen, aber auch wir sehen, ob man sich ein Arbeitsverhältnis vorstellen kann. Nach dem Probetag wird weiter entschieden.“ Dadurch, dass sich „Mamas Werkstatt“ die Räumlichkeiten mit der Materialstelle der Erzdiözese Wien teilt, haben die Frauen nicht nur die Möglichkeit, Näharbeiten zu machen, sondern sie können mit Hilfe der Leiterin der Materialstelle, Astrid Selber, auch ein wenig in den Bereich „kaufmännische Arbeit“ hineinschnuppern. „Die Zusammenarbeit ist extrem gut und wir sind dafür sehr dankbar“, sagt Waltraud Kaufmann.  

Intensive Begleitung

Wenn es zu einer Anstellung kommt, wird von den Frauen das erwartet, was im Arbeitsalltag von jedem Arbeitnehmer erwartet wird. „Wir haben fixe Arbeitszeiten. Die Frauen müssen pünktlich sein, verlässlich, müssen die Arbeitsaufträge erledigen“, sagt Waltraud Kaufmann. Im Rahmen der Anstellung werden Fortbildungen angeboten – Workshops, die verpflichtend sind und für die die Frauen sich selbständig anmelden müssen.

„Unterm Strich bleibt natürlich trotzdem, dass wir die Frauen hier intensiver begleiten, als es an einem anderen Arbeitsplatz der Fall wäre. Vor allem auch, was das ,Drumherum‘ des Arbeitsplatzes betrifft“, sagt Waltraud Kaufmann. „Sie lernen etwa, dass sie sich krank melden müssen, wenn sie krank sind oder dass sie es melden müssen, wenn sie in Pflegefreistellung für ihre Kinder gehen. Und wir erklären ihnen, wie sie an diese Krankmeldung bzw. Pflegefreistellung kommen. Die meisten unserer Mitarbeiterinnen haben ja noch nie in Österreich oder überhaupt noch nie gearbeitet. Sie wissen solche Dinge damit natürlich nicht.“

Mehr als ein Arbeitsplatz

Die Arbeit, das Integriert-Sein in den Arbeitsprozess, helfe den Frauen auf vielen verschiedenen Ebenen, so Waltraud Kaufmann. „Die Frauen arbeiten bei uns, haben damit eine Aufgabe und lernen gleichzeitig, wie ein Arbeitsalltag aussieht.“ Zu arbeiten, Geld zu verdienen, habe zudem etwas mit Selbstbestimmung zu tun und auch mit Selbstwirksamkeit. „Die Arbeit gibt dem Alltag der Frauen Struktur und sie erfahren dabei, dass sie schwierige oder herausfordernde Situationen  meistern können. Sie lernen, wie sie mit Stress umgehen, mit Fehlern, wie sie Anforderungen erfüllen, die ein geregeltes Arbeitsverhältnis voraussetzt. Und etwa auch, dass es Spaß macht, zu arbeiten. Nicht zuletzt verbessern die meisten hier auch ihre Deutschkenntnisse.“
Gearbeitet wird hier auch viel mit Nähmaschinen. „Und auch dabei lernen die Frauen enorm viel – und da spreche ich nicht nur davon, dass sie die Maschinen bedienen können. Wie man mit den Herausforderungen, die durch die Arbeit mit Industriemaschine entstehen, umgeht, sagt auch viel über einen selbst aus“, sagt Waltraud Kaufmann.

Zu 100 Prozent für Mütter und ihre Kinder

Der Zukunft von „Mamas Werkstatt“ blickt Waltraud Kaufmann auf alle Fälle optimistisch entgegen. „Wir freuen uns wirklich sehr über unseren neuen Standort und hoffen, damit neue Kundinnen und Kunden ansprechen zu können“, sagt sie. „Wir können hier Dinge anbieten, die es anderswo vielleicht nicht gibt, und wir liefern Qualität, die zwar ihren Preis hat, denn auch wenn wir Teil der Sankt Elisabeth-Stiftung sind, sind wir auch ein  Unternehmen mit ganz normalen Löhnen. Aber das Geld, das wir einnehmen, fließt zu 100 Prozent zurück in ,Mamas Werkstatt‘ und jeder Einkauf unterstützt damit in Not geratene Mütter und ihre Kinder.“ 

„Mamas Werkstatt“ finden Sie am Stephansplatz 6 (im Hof), 1010 Wien. Die Öffnungszeiten sind Montag bis Donnerstag von 09:00 bis 15:00 Uhr und jeden Freitag von 9:00 bis 14:00 Uhr. 

Tipp für ein kleines Muttertagsgeschenk: 
„Mamas Werkstatt“ hat auch einen Webshop  ▸ shop.elisabethstiftung.at

Autor:
  • Portraitfoto von Andrea Harringer
    Andrea Harringer
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