Kamele in der Bibel

Zum Internationalen Jahr des Kamels
Ausgabe Nr. 30
  • Kunst und Kultur
Autor:
elden der Wüsten und des Hochlandes – so werden Kamele auch oft bezeichnet, weil sie selbst in den härtesten Klimazonen überleben können.
Helden der Wüsten und des Hochlandes – so werden Kamele auch oft bezeichnet, weil sie selbst in den härtesten Klimazonen überleben können. ©Mitesh_kothari
Auf einer Kamelfarm.
Auf einer Kamelfarm. ©Jean-François Lagrot

Die Vereinten Nationen haben das Jahr 2024 zum Internationalen Jahr der Kamele erklärt. Verwunderlich? Erstaunlich? Nicht wirklich.

Kamele sind für Millionen von Menschen in über 90 Ländern der Welt von enormer Bedeutung. Selbst in der Bibel findet das Kamel immer wieder Erwähnung. Theologin Silvia Schroer weiß, wo und auch in welchem Zusammenhang.

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Kamele als verlässliche Milchlieferanten

Sie sind verlässliche Milchlieferanten, können sich zudem extremen klimatischen Bedingungen anpassen und als Zug– und Lastentiere eingesetzt werden; nicht zuletzt dienen sie auch der Gewinnung von Kamelwolle. Kamele sind echte Allrounder und spielen damit in vielen Ländern der Welt eine Schlüsselrolle, wenn es um Lebensunterhalt und Ernährungssicherheit geht. Das weiß man heute. Das wusste man aber auch schon im alten Israel. „Kamele wurden oft mit dem Reichtum der Sippen gleichgesetzt“, sagt Silvia Schroer, katholische Theologin und Professorin für Altes Testament mit besonderer Berücksichtigung der Biblischen Umwelt an der Theologischen Fakultät der Universität Bern in der Schweiz.  
 

Mehr als 100 Tierarten werden in der Bibel erwähnt. Das Kamel ist eine davon. In welchen Zusammenhängen kommt das Kamel vor? 

Silvia Schroer: Es wird neben anderen domestizierten Haustieren besonders als Lastenträger und als Karawanentier erwähnt, als wertvoller Besitz und Beute bei Kriegszügen. Kamelfleisch galt als unrein, also „nicht essbar“, nachzulesen im Buch Levitikus (11,4). Die Verwendung von Kamelhaar zur Textilherstellung wird im Alten Testament nicht erwähnt, im Neuen Testament nur als Besonderheit eines Asketen, Johannes des Täufers, zu finden bei Markus 1,6. 
 

Der Stellenwert des Kamels in der Bibel

Welchen Stellenwert hat das Kamel in der Bibel?

In den Erzelternerzählungen ist oft von großen Kamelherden die Rede, die den Reichtum der Sippen darstellen. Die Lastentiere waren sehr wertvoll, man sorgte daher gut für sie. Der Wohlstand Hiobs wird im Buch Hiob (1,3; 42,12) mit märchenhaften Tausenden Kamelen angegeben. Kamele waren wichtig für den Fernhandel, während der Esel als Lastenträger und Reittier öfter im Alltag zum Einsatz kam. Das Kamel wird mit Karawanen und Wüstengebieten in Syrien oder Arabien in Verbindung gebracht. Auch der beunruhigende Satz Jesu, dass leichter ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe als ein Reicher ins Reich Gottes, zu finden bei Markus 10,25, basiert auf der Assoziation des Kamels mit Reichtum. Wer die stolzen, mit vielen Waren beladenen Tiere sah, war beeindruckt.  
 

Welchen Stellenwert hatte das Kamel im alten Israel?

Das einhöckrige Kamel, also das Dromedar, das in der Levante gehalten wurde, war dort erst relativ spät, wohl Anfang des 1. Jahrtausends, domestiziert und in den Kreis der Nutztiere aufgenommen worden. Insofern sind die Kamele in den Erzelterngeschichten, die ja früher spielen, anachronistisch, nicht in die Zeit passend. Sie zeigen, dass jene, die die Geschichten erzählten oder aufschrieben, diese Tiere dann aber selbstverständlich kannten. Zweihöckrige Kamele, Trampeltiere, hat man vielleicht als zugereiste Gäste aus dem Fernen Osten, wo sie typisch sind, gelegentlich gesehen. Das Kamel ist hervorragend geeignet für die Bewältigung großer Strecken, es kommt tagelang ohne Wasser und frisches Futter aus, auch wenn es schwere Lasten trägt. Entscheidend für seine wachsende Bedeutung war die Erfindung von guten Kamelsatteln. Als Reittier wurde es trotz geeigneter Sättel aber in Israel nicht beliebt.   
 

Silvia Schroer ist katholische Theologin und Professorin für Altes Testament.

Zur Person

Silvia Schroer  ist katholische Theologin und Professorin für Altes Testament mit besonderer Berücksichtigung der Biblischen Umwelt an der Theologischen Fakultät der Universität Bern.

Bichri, die Bezeichnung für ein junges Kamel, war im alten Israel auch ein Vorname. Warum benannten Eltern ihre Kinder nach Tieren?

Es gibt tatsächlich viele Personennamen im alten Israel, die Tiernamen sind, von der Biene – Debora – und dem Mutterschaf – Rachel – bis zum Fuchs – Schual – und Klippschliefer – Schafan. Mit den Tieren verbanden sich positive Eigenschaften oder Erwartungen, sodass einem Kind ein solcher Name gegeben wurde. Wir gebrauchen Tiernamen oft als Schimpfwörter. In den Texten des Alten Testaments hat hingegen nur der Hund ein schlechtes Image als niederträchtig und unterwürfig.
 

Kamele im Alten und Neuen Testament

Sie haben ein – mittlerweile vergriffenes – Buch über die biblische Tierwelt geschrieben. Welche Haltung gegenüber Tieren transportiert die Bibel, welche Bedeutung haben Tiere?

Die Tierwelt ist in den Texten des Alten Testaments überaus präsent. Verschiedenste Wildtiere waren außerhalb der Siedlungen anzutreffen. Manche von ihnen, wie der Löwe, stellten eine reale Bedrohung für die Kleintierherden, aber auch Hirten oder Reisende dar. Auf Nutztieren wie Ziegen, Schafen und Rindern oder den Eseln basierte die gesamte Wirtschaft, das Überleben und manchmal der Wohlstand der damaligen Bewohner und Bewohnerinnen des Landes. Die Grundhaltung gegenüber den Tieren war respektvoll, weil sie den Menschen oft überlegen waren und weil die Menschen von den Tieren, ihrer Milch, ihrem Fleisch, ihrer Zug- und Tragkraft abhängig waren. Mensch und Haustiere teilten sich teilweise auch den engeren Raum der Häuser und Siedlungen. Diese Nähe spiegelt sich in der priesterschriftlichen Schöpfungsgeschichte, in der Landtiere und Menschen am selben Tag, dem 6. Tag, erschaffen werden. Sie spiegelt sich auch in Gesetzen im Buch Exodus  (20,10), wie dem Gebot der Sabbatruhe, die auch den Arbeitstieren Rind und Esel gewährt werden soll. 
 

Gibt es da Unterschiede zwischen dem Alten und dem Neuen Testament? 

Tiere kommen im Neuen Testament seltener vor als im Alten Testament. Das liegt wohl weniger daran, dass sich im Alltag über die betreffenden Jahrhunderte bezüglich der Tiere und ihrer Bedeutung sehr viel geändert hätte, sondern daran, dass die Schriften des Neuen Testaments eine andere Art der Literatur sind. Hier kommen keine Ur- und Ursprungserzählungen, Rechtsbücher oder Gebetssammlungen vor. Die Jesusbewegung und die frühesten christlichen Gemeinden haben sich zudem offensichtlich ganz stark auf die Menschen und ihre Nöte und Bedürfnisse konzentriert. Tiere sind kein Hauptthema, sie werden als Nahrungsmittel erwähnt, etwa die Fische, oder dienen in bildhaften Reden der Veranschaulichung. 

Auf einer Kamelfarm.
Auf dem Rücken der Kamele

Ausstellung im Weltmuseum

In der Ausstellung „Auf dem Rücken der Kamele“ kann man den Tieren noch bis zum 26. Jänner 2025 in einzigartiger Weise begegnen. Historische und zeitgenössische Kunstwerke, Filme und Fotografien, bedeutende, zum Teil nie zuvor gezeigte Objekte aus den Sammlungen des Hauses und internationale Leihgaben veranschaulichen die vielfältigen Aspekte der engen Beziehung zwischen den Tieren und den Menschen, die mit und von ihnen leben. Das Zusammenleben mit Kamelen prägt Kulturen.

 

Kamele prägten Kulturen

 

In vielen Teilen der Welt bildet es seit langem die Lebensgrundlage für Menschen und ist fester Bestandteil ihrer kulturellen Identität. Von den Anden bis zu den Wüsten Afrikas, Arabiens und Asiens hat diese Beziehung den menschlichen Alltag und die Natur, in der wir leben, geformt. Jedoch hat diese gemeinsame Geschichte auch ihre Schattenseiten: Militarismus, Kolonialismus, Ausbeutung und Leid von Mensch und Tier. In dieser Ausstellung wird den zahlreichen Facetten des Zusammenlebens mit Dromedaren, Trampeltieren, Lamas und Alpakas nachgegangen. Die Ausstellung zeigt, welchen Einfluss die Tiere auf jene Gesellschaften haben, deren Teil sie sind. Sie beleuchtet aber auch, welche wichtige Rolle sie in Zukunft spielen können. 

 

Weltmuseum Wien
Neue Hofburg, Heldenplatz, 1010 Wien 
Öffnungszeiten: täglich (außer Montag) 10:00 bis 18:00 Uhr, Dienstag 10:00 bis 21:00 Uhr

Schlagwörter
Autor:
  • Portraitfoto von Andrea Harringer
    Andrea Harringer
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