Flucht übers Meer

Nach dem Vietnamkrieg
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Diakon Liem Duong am Schreibtisch
Vom Bootsflüchtling zum Diakon: Liem Duong weiß sich im Glauben getragen. ©privat
Liem Duong bei Einsegnung
Liem Duong findet Hoffnung in Gottesdiensten für Verstorbene. ©Einsegnungsdienst

Liem Duong flüchtete als Kind mit seiner Familie aus Vietnam. Heute ist er Diakon und leitet den Einsegnungsdienst in der Erzdiözese Wien.

Mit dem endenden Vietnamkrieg Mitte der 1970er-Jahre flüchteten hunderttausende Vietnamesen vor dem kommunistischen Regime mit Booten und Schiffen aus ihrem Land. 

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Herr Diakon Duong, als Sie acht Jahre alt waren, brachten Ihre Eltern Sie und Ihre Geschwister vom Land nach Saigon, ohne genauer zu erklären, warum. Woran erinnern Sie sich? 

Ich erinnere mich an die Kampfjets, die über unseren Köpfen flogen, während meine Mutter uns etwas zu essen gab. Für uns Kinder war das interessant anzuschauen. Meine Mutter sagte damals zu uns, dass wir bald woanders sein würden, das Wort ‚flüchten‘ verwendete sie nicht. Am darauf folgenden Tag – es war der 30. April 1975, fuhren wir an den Hafen, wo wir nach einem Schiff Ausschau hielten, das uns mitnehmen könnte. Meine Mutter winkte einem Boot zu, das uns schließlich zu einem großen Schiff brachte, auf dem sich bereits 4.000 Menschen befanden.  

Wussten Sie, wohin das Schiff unterwegs war?

Nein, das wussten wir nicht. Dazu kam, dass es technische Probleme hatte und der Motor nicht funktionierte. Ein kleineres Schiff hat uns dann auf internationales Gewässer gezogen. Dort trieben wir auf offenem Meer drei Tage lang ohne Lebensmittel und Wasser. 

Hatten Sie Angst? 

Ein bisschen, ja. Vor allem haben uns Kinder aber Hunger und Durst gequält, mehr als die Frage, wohin wir unterwegs sind oder ob wir gerettet werden würden. Nach drei Tagen konnten wir auf ein dänisches Schiff, das unsere SOS-Signale gehört hatte. Ich erinnere mich noch genau an den ersten Schluck Wasser, den ich dort mit trockenen, aufgesprungenen Lippen nahm. Das war eine biblische Erfahrung von lebendigem Wasser!  

Sie kamen nach Hongkong, Ihre Eltern wollten eigentlich nach Australien weiterreisen. Wie kam es, dass Sie in Österreich landeten?

Meine Familie traf auf Kurt Waldheim, damals UNO-Generalsekretär, der uns fragte, ob wir nach Österreich wollen. Mein Vater sagte ja. Also flogen wir von Hongkong nach Österreich, wo wir die ersten Monate in einer Flüchtlingsunterkunft in Payerbach lebten und uns dann in Kaiser­ebersdorf niederließen. 

Mir wird immer mehr bewusst, dass wir auf Erden nur Gäste sind.

Liem Duong

Ihre Eltern entschieden sich zur Flucht, weil sie im kommunistischen Vietnam ihren Glauben nicht leben konnten. Der Glaube war in Ihrem Leben von Beginn an eine wichtige Konstante. 

Für uns war er immer selbstverständlich. Überall, wo wir hinkamen, freundete sich mein Vater, der Soldat war, mit den Priestern vor Ort an. Meine Geschwister und ich lebten immer wieder bei Ordensschwestern, weil meine Eltern durch den Beruf meines Vaters viel unterwegs waren. Rückblickend sehe ich, wie Gott bei unserer Flucht aus Vietnam seine schützende Hand über uns gehalten hat – sonst hätten wir nicht überlebt. 
 

Sie haben sich als junger Erwachsener für einen kirchlichen Beruf entschieden, sind seit 20 Jahren Diakon und seit fünf Jahren im Referat Einsegnungsdienst. Wie gehen Sie damit um, täglich mit dem Tod zu tun zu haben?

Mir wird immer mehr bewusst, dass wir auf Erden nur Gäste sind. Natürlich ist der Tod, der ein Abschied ist, sehr schmerzlich. So war das auch für mich, als mein Vater und mein jüngerer Bruder gestorben sind. Ich weiß aber auch, dass wir uns eines Tages wiedersehen werden. Ich finde es sehr schön, dass die Gottesdienste, die für Verstorbene gefeiert werden, heute immer öfter ‚Auferstehungsmesse‘ genannt werden. Die Hoffnung, dass der Tod nicht das Ende ist, nehme ich bei den allermeisten Menschen wahr, die ihre Angehörigen begraben. Diese Sehnsucht ist in allen Menschen, auch wenn sie nicht ausdrücklich gläubig sind.

Autor:
  • Sandra Lobning
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