Ein Jahr für Gott & einsame Menschen

Glaubenszeugnis
Ausgabe Nr. 29
  • Meinung
Autor:
Freundschaft leben mit Alt und Jung – das ist das Grundprinzip des katholischen Hilfswerkes „Offenes Herz“. Anna Kleemair (links) hat es mit Freude und Engagement erfüllt. ©privat

Was Anna Kleemair im katholischen Hilfswerk "Offenes Herz" auf Procida in Italien erlebt hat.

Der SONNTAG erreichte Anna Kleemair im steirischen Pöllau. Die 21-Jährige half bei den Vorbereitungen für das Jugendtreffen, das dort von 12. bis 16. Juli stattfand.

Anna, du engagierst dich als Freiwillige beim Jugendtreffen in Pöllau. Was sind deine Aufgaben?

Im Moment bereiten wir alles vor und dekorieren, damit sich die Jugendlichen hier beim Treffen willkommen fühlen. Während des Treffens werde ich dann für die Mädchenquartiere zuständig sein.

Im Jahr 2019 warst du selbst Teilnehmerin beim Jugendtreffen und bist dort auf die Organisation ‚Offenes Herz‘ aufmerksam geworden.

Ich wusste damals bereits, dass ich nach der Matura ein Jahr für Gott und die Menschen schenken möchte. In Pöllau habe ich das katholische Hilfswerk ‚Offenes Herz‘ kennen gelernt und fühlte mich sofort angesprochen. ‚Compassion‘, das Mitleiden, steht bei ‚Offenes Herz‘ im Mittelpunkt. Die Freiwilligen aus aller Welt, die in Häusern und Wohnungen weltweit zusammenleben, möchten mit den Menschen vor Ort Freundschaft leben. Was mir gleich gefallen hat: dass man während des Zusammenlebens ein intensives Gebetsleben hat und mit den anderen in Gemeinschaft lebt. Ich habe darüber nachgedacht und gebetet, ob das wirklich etwas für mich ist, und war dann von September 2020 bis Februar 2022 auf der italienischen Insel Procida.

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‚Offenes Herz‘ entstand 1990 und hat mittlerweile 19 Häuser an Orten wie Lima, Manila, El Salvador oder eben Procida. Was genau hast du dort gemacht?

Zum einen hatten wir in unserer Gemeinschaft einen sehr strukturierten Alltag mit Laudes, einer Stunde Anbetung und allem, was zu tun ist, wenn man gemeinsam lebt, wie kochen, Wäsche waschen oder einkaufen. Zum anderen waren wir jeden Tag zu zweit unterwegs, um die Menschen in der Umgebung zu besuchen, oder wir haben die Kinder zu uns eingeladen. Auf Procida gibt es zwar nicht so viel materielle Armut, dafür viel Einsamkeit. Die meisten Männer sind sieben bis acht Monate auf Schiffen unterwegs, die Frauen allein daheim, die Kinder wachsen ohne ihre Väter auf. Wir haben bei unseren Begegnungen nicht unbedingt über unseren Glauben gesprochen. Wir wollten den Menschen ganz einfach zuhören. Da war zum Beispiel Antonio, ein 78-jähriger Mann. Wir sind über seinen Gärtner zu ihm gekommen, haben mit ihm über neapolitanische Kultur und Dante gesprochen. Am Ende hat er uns gefragt, wie viel er uns schuldig ist und konnte gar nicht glauben, dass wir kein Geld wollten. Mit ihm ist eine Freundschaft entstanden, irgendwann hat er uns gefragt, ob wir ihm nicht einen Priester vermitteln können und ihn in die Messe mitnehmen können.

„Wir haben jeden Tag zu zweit die Menschen auf Procida besucht und ihnen zugehört.“

Anna Kleemair

Statt der geplanten 12 Monate bist du schließlich 17 geblieben.

Ich hatte eigentlich schon alles organisiert und mir einen Zehnjahresplan zurechtgelegt. Aber irgendwann habe ich klar gemerkt, dass der Herr möchte, dass ich länger bleibe. In Wien konnte ich dann im Sommersemester mit dem Volksschul-Lehramtsstudium beginnen und habe angefangen, bei Missio zu arbeiten.

Autor:
  • Sandra Lobnig
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