Bibel war unsinnig

Psychotherapeut und Pastoralassistent
Ausgabe Nr. 33
  • Meinung
Autor:
Geri Braunsteiner: Wenn nicht die Pfarre heiliger Boden ist, was dann? ©privat

Als junger Mensch las Geri Braunsteiner, 57, die Bibel, um zu beweisen, wie unsinnig es ist, sich an ein zweitausend Jahre altes Buch zu halten. Es kam ganz anders.

Geri Braunsteiner ist seit dreißig Jahren Pastoralassistent in Stockerau.  Starten wir mit einer ungewöhnlichen Frage:

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Sie gehen immer barfuß. Warum?

Geri Braunsteiner: (Lacht.) Auf der Straße trage ich Schuhe, sobald ich im Haus bin, im Büro oder in der Praxis ziehe ich sie aus. Ich finde es einfach angenehmer, keine Schuhe zu tragen.

Und in der Kirchen?

Da habe ich die Schuhe meistens an, weil ich weiß, dass es sonst viele Leute stört. Menschen, die sich wundern, warum ich auch in der Pfarre barfuß bin, antworte ich mit Exodus 3,5. Da sagt Gott zu Mose: Zieh deine Schuhe aus, denn der Ort, an dem du stehst, ist heiliger Boden. Wenn nicht die Pfarre heiliger Boden ist, was dann?

Mit der Bibel argumentieren: Das hatten Sie auch vor fast vierzig Jahren vor. Damals allerdings zu einem ganz anderen Zweck.

Meine damalige Freundin – und jetzige Frau – freundete sich mit einer jungen Frau aus einer evangelikalen Gemeinde an. Diese Freundin hat sie mit ihren Ansichten sehr herausgefordert, und meine Frau wollte ihr gegenüber bessere Argumente haben. Deswegen hat sie mich gebeten, die Bibel zu lesen, damit sie „Munition“ in den Gesprächen mit ihrer Freundin hat. Ich habe also widerwillig damit begonnen, um zu beweisen, was für ein Blödsinn es ist, ein zweitausend Jahre altes Buch zu lesen. Aber den Blödsinn habe ich nicht gefunden, im Gegenteil. Ich habe schließlich beschlossen, Theologie zu studieren. Seit damals habe ich die Bibel fünfzehn, sechzehn Mal gelesen. Besonders das Alte Testament fasziniert mich sehr.

Warum gerade das Alte Testament, zu dem viele Menschen nicht so leicht Zugang finden?

Weil es beschreibt, wie Menschen Gott erleben – in der ganzen Bandbreite des Lebens. Allein in den Psalmen: Da wird Gott angebetet und mit ihm gehadert.
Das zeigt mir, dass auch ich mit meinem ganzen Leben vor Gott kommen kann. Egal, was ich tue – und einiges von dem, was ich getan habe, war gar nicht gut –
er bleibt treu. Wie ein guter Vater oder eine gute Mutter, die ihr Kind einfach mögen und nie sagen würden: „Ich mag dich nicht mehr sehen.“

Haben Sie auch mal mit Gott gehadert?

Am 14. 7. 2001 ist mein damals bester Freund tödlich verunglückt. Er war Kaplan bei uns in der Pfarre. Wir haben uns blind verstanden, immer gewusst, was der andere denkt. Damals habe ich massiv gehadert und habe Gott alles geheißen. Ich habe aber auch gewusst, dass Gott das aushält. Meinen Glauben hat das sehr vertieft.

Sie arbeiten seit über dreißig Jahren in der Pfarre Stockerau. Ist der Job heute noch der, der er vor drei Jahrzehnten war?

Es gab in dieser Zeit einige Pfarrerwechsel und unterschiedliche Schwerpunktsetzungen. Was gleich bleibt, ist die Arbeit mit Menschen. Das ist das, was ich liebe: Mit Menschen in Kontakt treten. Zum Beispiel beim Alpha-Kurs, den wir veranstalten. Das Wort „Kurs“ mag ich gar nicht so gern, es ist ja nicht so, dass wir alles wissen und den Leuten vorschreiben wollen, was sie zu glauben haben. Mir macht es Spaß, zu erzählen, wie ich Gott erlebt habe – das biete ich an und darüber kommen wir ins Gespräch. Ich weiß, dass es nicht den einen Weg gibt. Mein Zugang ist der über die Bibel, andere sind marianisch, und das ist gut so!

„Das ist das, was ich liebe: Mit Menschen in Kontakt treten.“

Geri Braunsteiner

Seit fünfzehn Jahren arbeiten Sie auch als Psychotherapeut.

Ich habe beruflich einiges gemacht, war neben der Pfarre Gefangenenseelsorger und habe unterrichtet. Aber irgendetwas hat mir gefehlt. Als Psychotherapeut begleite ich Menschen auch ein Stück weit auf ihrem Weg und darf sehen, wie sie sich entwickeln.

Autor:
  • Sandra Lobnig
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