Die Freiheit nehm’ ich mir

Start der Sommerserie 2023
Ausgabe Nr. 25
  • Leben
Autor:
Kapuziner Michael Maldacker und Dominikanerin Franziska Madl
Bruder Michael und Schwester Franziska schreiben einen Sommer lang im SONNTAG über Freiheit. ©Magdalena Burkart-Schauer

Der Kapuziner Michael Maldacker porträtiert in der Sommerserie eine Ärztin, die fotografiert, einen Seelsorgeamtsleiter, der jongliert, und viele andere, die die Kunst beherrschen, ihr Herz frei zu machen. Die Dominikanerin Franziska Madl gibt in ihrer Sommer-Kolumne therapeutische Tipps, wie die innere Freiheit wächst.

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Ein Kloster verbindet man nicht unbedingt mit dem Wort Freiheit. Wie frei oder unfrei ist man denn im Kloster?

Schwester Franziska Madl: Man ist im Kloster nicht unfreier, aber auch nicht freier als andere Menschen. Wir leben unsere Freiheit auf eine andere Art, die vielleicht auf den ersten Blick nicht so ersichtlich ist für jemanden, der keine Erfahrung damit hat. Es gibt das Klischee, dass man hinter Klostermauern eingesperrt ist. So ist es nicht. Aber auch wir haben Verpflichtungen durch die Lebensform, die wir gewählt haben. Wir beten das Chorgebet gemeinsam, wir halten uns an gewisse Regeln, die uns das Leben erleichtern. Ich vergleiche die Regeln gerne mit einem Bilderrahmen. Innerhalb dieses Rahmens bin ich frei, das Bild zu gestalten, denn es ist mein Leben, mein Bild.

Bruder Michael Maldacker: Auch ich werde immer wieder gefragt, ob ich im Kloster unfrei bin. Unser Leben bringt Freiheiten, die man woanders vielleicht nicht hat, aber es bringt auch Einschränkungen mit sich. Der heilige Franziskus, unser Ordensgründer, wollte jedenfalls, dass wir hinausgehen zu den Menschen.

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Begleiten Sie uns durch den Sommer mit der Serie:
„Die Freiheit nehm´ ich mir!“
Wie Sie Ihr Herz von Ballast befreien und innerlich frei werden.


Mit Kapuziner Br. Michael Masseo Maldacker
sowie Psychotherapeutin Sr. Franziska Madl

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Sie versprechen Gehorsam Ihren Oberen gegenüber. Wie passt das zur Freiheit?

Maldacker: Einerseits gebe ich ein Stück weit meine Freiheit ab, wenn ich Gehorsam schwöre. Andererseits fühle ich mich dadurch in einigen Momenten freier, weil mir Entscheidungen abgenommen werden.

Ist es erwachsen, sich Entscheidungen abnehmen zu lassen?

Maldacker: Es geht darum, dass die Gemeinschaft funktioniert. Gehorsam ist aus meiner Sicht das Gegenteil von Egoismus.

Madl: Im Dominikanerorden ist der Gehorsam das einzige Gelübde, das wir ablegen. Der Gedanke dahinter ist, dass das Band des Gehorsams die Gemeinschaft bildet. Wir gehören zusammen, weil wir einander gehorsam sind. Auch Ehepaare sind einander gehorsam, aber man nennt es heute nicht mehr so. Die Kinder den Eltern und die Eltern den Kindern gegenüber. Gehorsam kommt vom Hören. Wir versuchen, gemeinsam herauszufinden, was der Wille Gottes ist. Was alle betrifft, soll von allen entschieden werden. Das ist am schwierigsten. Die Klostergemeinschaft funktioniert demokratisch, da kann es passieren, dass die Mehrheit anderer Meinung ist als du. Dann kommt es darauf an, ob du dein Versprechen ernst gemeint hast.

Ob es überhaupt einen freien Willen gibt, ist unklar. Die Forschung ist uneins, welche Prozesse Entscheidungen steuern. Was meinen Sie?

Madl: Die Frage aus den Neurowissenschaften gibt es schon lange, sie wird auch philosophisch und theologisch heftig diskutiert. Ich als Seelsorgerin und Psychotherapeutin stehe auf der praktischen Seite. Wie das Gehirn neurologisch zu einer Entscheidung kommt, ändert nichts an der Frage, wie wir unsere Entscheidungen erleben. Nämlich: Wenn ich eine Entscheidung treffe, bin ich die Instanz, die entscheidet. Wir haben einen freien Willen. Mit dem freien Willen haben wir uns viele Probleme eingehandelt, die wir sonst nicht hätten. Hier kommt die Verantwortung ins Spiel. Im Leben gibt es trotzdem immer wieder das Gefühl, nicht anders entscheiden oder handeln zu können, aber wir könnten immer auch anders.

Was sagen denn die Ordensgründer Franziskus und Dominikus zum Thema Freiheit?

Madl: Der heilige Dominikus sagt ganz wenig im Unterschied zu den vielen Schriften, die es vom und über den heiligen Franziskus gibt. Dominikus schreibt von Demut, und es gibt einige Geschichten darüber, wie er Gehorsam verstanden hat. Nämlich, sich wirklich ganz herzugeben und zur Verfügung zu stellen für eine größere Sache. Ganz für die Verkündigung zu leben und dafür viel unterwegs zu sein.

Maldacker: Wenn ich den heiligen Franziskus mit dem Freiheitsbegriff zusammenbringe, bin ich sehr schnell bei seiner Hingabe zum Herrn Jesus Christus. Wenn ich nicht weiter weiß durch die vielleicht zu vielen Freiheiten, die man so hat, die vielen Entscheidungen, die man jeden Tag treffen muss, überlege ich, was würde denn Jesus Christus an meiner Stelle tun? Das klingt jetzt vielleicht hochtrabend, aber es geht auch im Kleinen darum: Wie würde Jesus Christus mit der Freiheit jetzt umgehen?

Madl: Ja, in jeder Situation steckt die Frage, was jetzt das Richtige ist.

Maldacker: Und Jesus konnte diese Frage perfekt beantworten.

Madl: Er konnte sich zurückziehen, in die Stille gehen, die Verbindung mit dem Vater suchen und damit Erholung finden, wenn er sie gebraucht hat. Und er konnte völlig zur Verfügung stehen. Bis ans Kreuz.

Innere Freiheit ist immer auch die Freiheit von mir selbst.

Schwester Franziska Madl

Ist das Kreuz ein Zeichen der Freiheit?

Madl: Wenn man zum Beispiel an den heiligen Maximilian Kolbe denkt, der im KZ sein Leben freiwillig gegeben hat, damit ein anderer leben konnte: Das muss unglaubliche innere Freiheit sein. In diesem Sinn ist das Kreuz ein Zeichen der höchsten Freiheit.

Wie pflegen Sie Ihre innere Freiheit?

Madl: Auf mein geistliches Leben bezogen, gönne ich mir meine eigenen Gebetszeiten und meine eigene Meditationszeit. Für die körperliche und geistige Gesundheit brauche ich Bewegung, die frische Luft wirkt Wunder. Außerdem habe ich die Erfahrung gemacht, dass mir meine eigene Psychotherapie sehr geholfen hat. Auch geistliche Begleitung kann das bieten, auf einer anderen Ebene: mit jemand anderem auf das eigene Leben hinschauen und die Entscheidungen zu reflektieren. Viktor Frankl hat gesagt: „Ich muss mir nicht alles gefallen lassen, nicht einmal von mir selbst.“ Daran denke ich oft. Innere Freiheit ist immer auch die Freiheit von mir selbst.

Maldacker: Ich nehme mir die Freiheit zu schauen, wie ich im Alltag zu Kraft komme: zum Beispiel im Gebet oder durch den Umgang mit Menschen.

Sie schreiben ab nächster Woche als Journalist und als Psychotherapeutin in den Kirchenzeitungen über innere Freiheit. Was wird da zu lesen sein?

Maldacker: Porträts von Menschen mit herausragenden Hobbys – wobei ich den Begriff Hobbys nicht so mag, Leidenschaften gefällt mir besser. Es ist den Menschen anzumerken, mit wie viel Leidenschaft und Herzblut sie Kraft schöpfen, bestimmte Momente genießen und daraus Gewinn ziehen für ihren Alltag. Es ist überraschend, wie vielfältig Menschen diese Leidenschaft mit Gott in Verbindung bringen. Da ist zum Beispiel der Seelsorgeamtsleiter aus Südtirol, der auch Zirkuskünstler ist! Auch aus fast jedem österreichischen Bundesland ist jemand mit einer faszinierenden Geschichte dabei. Es ist eine Vielfalt, die mich selbst überrascht.

Madl: Ich hoffe, dass unsere Beiträge dazu anregen, über das eigene Leben nachzudenken und sich die Frage nach der eigenen Freiheit zu stellen.

Autor:
  • Monika Slouk
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