Das Wahlrecht-Dilemma in Österreich
MeinungNationalratswahlen als Ausdruck gelebter Demokratie? Dabei wird offensichtlich bewusst in Kauf genommen, dass weit über eine Million Menschen in Österreich bei Nationalratswahlen, Bundespräsidentschaftswahlen und Landtagswahlen systematisch ausgeschlossen werden. Demokratie lebt von Beteiligung und nicht von Ausschluss!
Ein Leben in Österreich: Mehr als nur Steuerzahler
Ich habe die deutsche Staatsbürgerschaft; lebe, arbeite und wirke seit 1989 durchgehend in Österreich. Meine Kinder sind österreichische Staatsbürgerinnen, ebenso meine Enkelkinder und meine Lebensgefährtin. Ich lebe schon mehr als die Hälfte meines Lebens hier in Österreich, zahle hier Steuern und Abgaben, nehme am gesellschaftlichen Leben teil, bin bestrebt, ein „guter Bürger“ zu sein und werde systematisch von dem „unschätzbaren Recht“ des Wählens ausgeschlossen. Ich gehe gerne wählen; ich bin wahlberechtigt bei der EU-Wahl und bei der Gemeinderatswahl.
Politische Teilhabe verwehrt: Die Einschränkung des Wahlrechts
Für mich bedeutet der Ausschluss von den Nationalratswahlen, Bundespräsidentschaftswahlen und Landtagswahlen eine enorme Beschneidung meiner persönlichen politischen Mitbestimmungsmöglichkeiten (ich darf Steuern zahlen, darf aber nicht mitreden, wie diese verwendet werden).
Fachkräftemangel und Integration: Die Notwendigkeit politischer Teilnahme
Im Land besteht ein eklatanter Fachkräftemangel, der nur durch qualifizierte Zuwanderung (Rot-Weiß-Rot-Card) behoben werden kann. Österreich wird in Zukunft zusätzliche Instrumente brauchen, um Menschen, die schon im Land sind, schneller bestmöglich zu integrieren und Fachkräfte zu rekrutieren. Menschen, die im Land gebraucht werden, von den politischen Gestaltungsmöglichkeiten (Teilhabe an Wahlen) auf Dauer auszuschließen, kann für die Einzelne beziehungsweise den Einzelnen äußerst unangenehm sein, fürs Gesamte jedoch ist es demokratiepolitisch schwer bedenklich.
Doppelstaatsbürgerschaft in Österreich: Ein Privileg für Wenige?
Österreich erlaubt auch derzeit die Doppelstaatsbürgerschaft, aber nur für „Prominente“ und „Reiche“. Das wäre vielleicht ein Gedankenanstoß und ein Lösungsansatz, die Doppelstaatsbürgerschaft nach einer bestimmten Frist des Daueraufenthaltes zu öffnen.
Der Kommentar drückt die persönliche Meinung des Autors aus.
Zur Person
Michael Zikeli (63) ist Vorstandsmitglied im Don Bosco Sozialwerk.