Wien bekommt erst spät einen eigenen Bischof

Jubiläum 300 Jahre Erzdiözese
Ausgabe Nr. 21
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Begraben im Stephansdom: Epitaph von Bischof Slatkonia an der Nordwand des Frauenchores. ©Roman Szczepaniak
Diözesankarte von 1723: Der größte Teil (grün) des heutigen Niederösterreichs gehörte zur Diözese Passau, der südöstliche Teil (violett) zur Erzdiözese Salzburg, das Erzbistum Wien (rot) reichte geringfügig über das Stadtgebiet von Wien hinaus. ©Diözesanarchiv Wien

Es dauert Jahrhunderte, bis Wien eine eigenständige Diözese wird. Erst spät hat auch ein Bischof seinen wirklichen Sitz in der heutigen Bundeshauptstadt Österreichs: der Slowene Georg von Slatkonia.

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Am 1. Juni 1722 ist es endlich so weit: Papst Innozenz XIII. erhebt die erst 250 Jahre junge Diözese Wien zur Erzdiözese. Erst am 14. Februar 1723 gelangen die päpstliche Erhebungsbulle „Suprema dispositione“ sowie das Pallium, das Amtsabzeichen eines Erzbischofs, und die Palliumsbulle „Cum nos nuper“ in die Reichs- und Residenzstadt Wien. Somit steht dem feierlichen Gottesdienst mit Erzbischof Sigismund Graf von Kollonitz im Stephansdom zehn Tage später nichts mehr im Wege.

Der Erzbischof ist zugleich auch Metropolit einer Kirchenprovinz, dazu braucht es ein Suffraganbistum. „Man verfällt auf die Lösung, dass im Jahr 1469 unter Kaiser Friedrich III. auch ein zweites Bistum errichtet worden ist: Wiener Neustadt. Jetzt wird die Diözese Wiener Neustadt der Kirchenprovinz Wien unterstellt“, sagt Historiker Johann Weißensteiner. Die Diözese Wien hat bisher nur das Stadtgebiet und die Umlandgemeinden hinaus bis Mödling und Perchtoldsdorf umfasst.

Dieser Erhebung sind ein langes Ringen zwischen dem römisch-deutschen Kaiser, dem Papst und der vatikanischen Kurie sowie diverse Interventionen des Passauer Bischofs und des Salzburger Erzbischofs vorangegangen. Denn seit dem 8. Jahrhundert bestimmen Salzburg und Passau die kirchliche Struktur Österreichs. Zwischen Passau und Salzburg wird 830 eine Grenzziehung vorgenommen. Salzburg erhält die Steiermark bis zum Fluss Piesting im heutigen Vikariat Unter dem Wienerwald. „Das Bistum Passau dehnt im neunten Jahrhundert seine Diözesangrenzen bis auf die Mark östlich der Enns aus“, berichtet Johann Weißensteiner. „Im 10. Jahrhundert erfolgt mit dem Einfall der Ungarn ein großer Rückschlag in der Kolonisierung und Christianisierung. Nach der Schlacht am Lechfeld 955 und dem Zurückdrängen der Ungarn werden die früheren diözesanen Strukturen wieder reaktiviert. Es entsteht die Mark der Babenberger, das Waldviertel wird kolonisiert, die Diözesangrenze von Passau wird bis zu den Flüssen Thaya, March und Leitha verschoben. Ganz Oberösterreich und weite Teile von Niederösterreich sind nun Bestandteil vom Passau.“

Weit weg von Passau

Ab 1200 gibt es immer wieder Versuche, in Wien ein eigenes Bistum zu errichten. Der Babenbergerherzog Leopold VI. und auch der Passauer Bischof Manegold von Berg schreiben an Papst Innozenz III.: „Die Diözese ist so groß, es soll in Wien ein Tochterbistum errichtet werden.“ Die Konsequenz: Laut Kirchenverfassung wird dadurch Passau zur Kirchenprovinz mit einem Metropoliten an der Spitze und wird aus der Kirchenprovinz Salzburg herausgenommen. Dagegen wehrt sich naturgemäß Salzburg.

Ein Patron für die neue Diözese

Ein nächstes Projekt beginnt in den Jahren um 1240 unter dem Babenbergerherzog Friedrich II. Er verhandelt mit dem römisch-deutschen Kaiser Friedrich II. über die Erhebung Wiens zu einem Bistum und sogar über die Erhöhung des Herzogtums Österreichs zu einem Königreich. Papst Innozenz IV. erlaubt 1245 dem Herzog, die Gebeine des Märtyrers Koloman von Melk an den Ort zu übertragen, an dem ein Bischofssitz errichtet werden soll, nämlich nach Wien. Koloman soll der Patron des neuen Bistums werden. Die wertvolle Reliquie braucht jedoch eine kostbare Fassung. Es gibt eine begründete Hypothese, dass die sogenannte Virgilkapelle am Stephansplatz eigentlich als Grabstätte für den heiligen Koloman gedacht gewesen ist. Wie so oft in der Geschichte werden große Pläne geschmiedet und dann kommt ein plötzlicher Schicksalsschlag. Herzog Friedrich II. stirbt 1246 in der Schlacht an der Leitha. So ist das ganze Projekt gescheitert.

Belohnung für Volk und Kaiser

Ob 100 Jahre später der Habsburgerherzog Rudolf IV., der Stifter, ein Bistum geplant hat, hält der Historiker Weißensteiner für umstritten, „auf jeden Fall baut er die Stephanskirche groß aus“. Die Pläne für eine Bistumsgründung liegen nach dem Tod Rudolfs für ein weiteres Jahrhundert auf Eis. Erst Kaiser Friedrich III. erreicht bei seiner Romreise im Winter 1468/69 bei Papst Paul II., dass in Wien ein Bistum errichtet wird. Die Kirche Sankt Stephan wird zur Bischofskirche.

Betrachtet man die Bistumserrichtungsbulle näher, bemerkt man, dass nicht unbedingt der pastorale Aspekt im Vordergrund steht, was am Beginn des 13. Jahrhundert eine Rolle spielt. Sondern es geht, wie Weißensteiner erklärt, um eine Rangerhöhung der Stadt. „Es gibt eine blühende Universität, viele Männer- und Frauenklöster, viele Kirchen. Das Volk ist fromm, der König und Kaiser treu zum Apostolischen Stuhl. Das ist aber damals keine Selbstverständlichkeit. Es gibt sogar in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts und im 15. Jahrhundert Gegenpäpste. Eine Frage steht stets im Raum: Wer hat in der Kirche wirklich letztlich das Sagen: die Gemeinschaft der Kardinäle und Bischöfe oder der Papst allein? Friedrich hat sich für den Papst entschieden und muss dafür belohnt werden.“

Erster residierender Bischof

Die Errichtung des Bistums Wien mit der päpstlichen Bulle „In supremae dignitatis specula“ vom 18. Jänner 1469 sieht Johann Weißensteiner als eine übereilte Lösung, die erst elf Jahre später der Öffentlichkeit im Stephansdom bekanntgegeben wird. Das Bistum ist von Anbeginn klein – es umfasst drei Stadtpfarren und 17 Landpfarren – und bleibt schlecht dotiert. Die Verwaltung übernehmen zunächst Administratoren benachbarter Diözesen. Erst 44 Jahre nach der Gründung erhält das Bistum mit dem gebürtigen Laibacher Georg von Slatkonia (1456–1522) den ersten Residentialbischof. 1475 wird dieser an der Artistenfakultät der Wiener Universität immatrikuliert und erwirbt 1477 den Grad eines Baccalaureus. 1495 wird er von Kaiser Maximilian I. zum Kantor und Hofkaplan, 1498 zum Singmeister des neu gegründeten Hofchores, 1500 zum Kapellmeister und 1513 schließlich zum obersten Kapellmeister ernannt. „Unter ihm, der auch Nichtkleriker in seinen Chor aufnimmt und dessen Repertoire über die Kirchenmusik hinaus erweitert, wird die kaiserliche Hofkapelle zum musikalischen Zentrum der Hauptstadt“, sagt die Historikerin Annemarie Fenzl.

Am 1. März 1513 wird Slatkonia durch Maximilian I., der ihn aufgrund der gemeinsamen Liebe zur Musik sehr wertschätzt, zum Bischof von Wien nominiert. Die Bestätigung durch Papst Leo X. erfolgt am 12. August desselben Jahres. Am 13. November, einen Tag nach der feierlichen Übertragung des Leichnams Kaiser Friedrichs III. in das neue Hochgrab im Apostelchor, weiht Gregor de Zeghedino, Weihbischof in Raab und Rudolfswerth, im Stephansdom Georg von Slatkonia zum Bischof. In seiner neuen Funktion bleibt Slatkonia Kapellmeister und weiterhin dem Gelehrtenkreis rund um seinen Mentor Maximilian verbunden.

„In die Diözesangeschichte eingegangen ist Georg von Slatkonia vor allem durch den denkwürdigen Auftritt des lutherischen Predigers Paulus Speratus im Stephansdom, dem der Bischof am 12. Jänner 1522, mitten in einer Zeit großer religiöser Verworrenheit, offenbar unter Druck der Regierung, die Domkanzel überlässt“, so Annemarie Fenzl. Speratus nützt die Gelegenheit, um unter großem Zulauf des Volkes und unter Berufung auf die lutherische Doktrin vom rechtfertigenden Glauben die Mönche und Nonnen zum Austritt aus dem Kloster aufzurufen. „Und mitten hinein in diese unruhige Zeit, da Altüberliefertes nicht mehr zu gelten scheint, setzt dieser Bischof ein Zeichen an einem Ort, an dem es nicht übersehen werden konnte: in St. Stephan“, so Fenzl. „Mit Datum vom 19. Juli 1521 stiftet er für ewige Zeiten ein Salve Regina, das er in seiner Bischofskirche für ewige Zeiten gesungen wissen möchte.“

Als Bischof Slatkonia im Jahr 1513 seinen Dienst in Wien antritt, ist er 57 Jahre alt und offenbar nicht mehr ganz gesund. Am 26. April 1522 stirbt er mit 66 Jahren.

Autor:
  • Porträtfoto von Markus Langer
    Markus A. Langer
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