Was passiert beim Beten im Gehirn?

Sommergespräche
Ausgabe Nr. 28
  • Spiritualität
Autor:
Was passiert im Gehirn, wenn wir beten?
Was passiert im Gehirn, wenn wir beten? ©pexels/Arina Krasnikova
„Stress kann das Gehirn schrumpfen.“ Manuela Macedonia weiß, wie wir unser Hirn in Schuss halten.
„Stress kann das Gehirn schrumpfen.“ Manuela Macedonia weiß, wie wir unser Hirn in Schuss halten. ©Kneidinger-Photography

Der Glaube kann Berge versetzen, heißt es, und ein inniges Gebet ist wie ein Wellness-Urlaub für das Gehirn, sagt Neurowissenschaftlerin Manuela Macedonia. Aber, wie genau kann beten dem Gehirn helfen?

Neurowissenschaftlerin Macedonia verrät, was wir unserem Denkorgan noch Gutes tun können, warum Stress krank und beten glücklich macht. 

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Dr. Macedonia, damit unser Gehirn lange gut arbeitet, sollten wir „bösen“ Stress vermeiden. Was ist dieser schlechte Stress?

Manuela Macedonia: Damit ist der psychosoziale Stress gemeint, der durch Situationen hervorgerufen wird, die wir nicht beherrschen, von Konflikten im Berufs- oder Privatleben. In Konflikten schüttet der Körper das Stresshormon Cortisol aus, es kann die Flucht- oder Angriffsreaktion auslösen. Wenn wir Menschen in der Urzeit ein Mammut gesehen haben, mussten wir es angreifen, bestenfalls erlegen, oder flüchten. In unserer Zeit gibt es keine Mammuts mehr, aber Menschen oder Situationen, die uns nicht gut tun. Dann schütten wir permanent Cortisol aus. Das ist der böse Stress, der unserem Gehirn schadet und es zum Schrumpfen bringen kann. 
 

Cortisol kann Prozesse in Gang setzen, die zu schweren Krankheiten wie Krebs führen. Wie passiert das?

Cortisol hat epigenetische Eigenschaften. Was heißt das? Wir tragen alle auch „böse“ Gene in uns, also schwere Krankheiten, die es in  jeder Familie schon mal gab. Heißt das, ich muss an diesen Krankheiten sterben? Zum Glück nicht. Vereinfacht gesagt: Das Gen für Lungenkrebs, zum Beispiel, ist eine Reihe von Miniprogrammen, die sich wie ein Dominospiel irgendwann mal einschalten. Das Einschalten dieses Mechanismus‘ hat mit unserem Lebensstil zu tun. Cortisol kann diesen Prozess schwer beeinflussen. Wenn ich mich regelmäßig aufrege und dieser Zorn gar nicht weggeht, weil ich in einer Situation bin, die ich nicht verändern kann oder will, dann kann es sein, dass ich tatsächlich an Krebs erkranke. 
 

Wie können wir eine Dauerausschüttung von Cortisol, diesen bösen Stress vermeiden?

Indem wir zum Beispiel immer sagen, was wir denken. Als Italienerin praktiziere ich das. In Österreich und Deutschland gibt es eine Konfliktvermeidungskultur: Sag’ ma’ lieber nix, lieber das Problem unter den Teppich kehren. Ich plädiere für eine Gesprächskultur: Dass man sich sagt, was nicht passt, aber nicht böse aufeinander ist, dass man es ausdiskutiert und eine gemeinsame Lösung findet. Das wäre mein erster Vorschlag. Das Nächste ist, dass man versucht, Cortisol abzubauen – damit sind wir bei der „Wellness für das Gehirn“.
 

„Ich plädiere für eine Gesprächskultur: Dass man sich sagt, was nicht passt, aber nicht böse aufeinander ist.“

Ihr Wellnessprogramm für das Gehirn sieht unter anderem Bewegung vor.

Wenn ich mich bewege, Muskelarbeit leiste, kann ich Cortisol auf ganz natürliche Weise abbauen. Man sieht das manchmal in amerikanischen Spielfilmen, wenn Menschen streiten, dass dann einer von ihnen rausgeht und Holz hackt. Das ist eine gute Strategie, nur hat nicht jeder dazu die Möglichkeit. Aber wenn man sich aufgeregt hat, hilft Bewegung – und zwar ein bisschen außerhalb der Komfortzone. Also nicht nur spazieren gehen bzw. wenn spazieren, dann guten Schrittes. 
 

Zur Gehirn-Wellness zählt für Sie unbedingt ausreichend Schlaf. Wieviel Schlaf brauchen wir und warum ist er so wichtig?

Ein Gehirn, das nicht ausreichend schläft – nämlich acht, neun Stunden am Tag – entzündet sich peu a peu. Es sind keine akuten Entzündungen, sondern latente, die das Gehirn frühzeitig schrumpfen lassen und der Einstieg in Demenzerkrankungen sind. Wenn wir permanent zu wenig schlafen, fügen wir unserem Gehirn Schaden zu. 
 

Wohl tut unserem Gehirn Spiritualität. Wie wirkt sie sich auf das Hirn aus?

Warum schöpfen viele Menschen aus dem Gebet Kraft? Durch das Gebet schaffen wir es, wiederkehrende Gedanken über Probleme zu verdrängen. Diese Gedanken werden vom Hippocampus erzeugt, einer Gedächtnisstruktur in der Tiefe unseres Gehirns. Er hat nicht nur die Fähigkeit, diese bösen Gedanken zu speichern und immer wieder herauszuholen, sondern sie auch zu ergänzen – natürlich in eine negative Richtung. Das macht er möglicherweise aus evolutionären Gründen des Selbstschutzes. Das Gebet beschäftigt den Hippocampus, sodass er sich den Horrorszenarien nicht mehr widmen kann. Zusätzlich wird beim Beten, wenn wir mit Gott kommunizieren, uns ihm anvertrauen, Dopamin ausgeschüttet. Deswegen empfehle ich, dass wir zurückkehren zu diesem Dialog mit unserem christlichen Gott, der uns mit Liebe behandelt, auch wenn wir Blödsinn machen. Ich habe echtes Vertrauen darauf, dass mich der liebe Gott auch in schlechten Situationen nicht verlassen wird.  

Buchtipp

Wellness fürs Gehirn

Neurowissenschaftlerin Manuela Macedonia forscht an der Johannes Kepler Universität Linz und am Max-Planck-Institut Leipzig. Sie hat mehrere Bestseller über das Gehirn geschrieben, ihr neuestes Buch: Wellness für das Gehirn, Edition a, ISBN 978-3-99001-716-6, € 26,00.
 

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Sommergespräch: Manuela Macedonia

radio klassik Stephansdom

Das ganze Gespräch mit Manuela Macedonia hören Sie am Montag, 15. Juli 2024, 17:30 Uhr. 

Autor:
  • Monika Fischer
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