Was „Glaube“ wirklich meint

Christsein der Zukunft
Ausgabe Nr. 6
  • Theologie
Autor:
Universitätsprofessor Gisbert Greshake
Universitätsprofessor Gisbert Greshake ©Stefan Kronthaler

Glaube ist mehr als ein Für-Wahr-Halten von Sätzen. Er muss einfach unter die Haut gehen, ist Universitätsprofessor Gisbert Geshake überzeugt.

Ich wurde in eine tiefgläubige Familie hineingeboren, in welcher Glaube und Leben aus dem Glauben einen selbstverständlichen, festen Platz hatten, wenngleich durchaus auch kritisch über kirchliche Verhältnisse und Vorgänge diskutiert wurde“, erzählt Universitätsprofessor Gisbert Greshake dem SONNTAG. „Hinzu kam eine in schlimmen Kriegstagen sehr lebendige Pfarrgemeinde, in der ich von Anfang an aktiv tätig war. Bei all dem erfuhr ich, dass der Glaube mein Leben trägt, es sinnvoll macht und ihm Weite und Hoffnung gibt“, betont Greshake, der am 18. Februar bei den „Theologischen Kursen“ in Wien zum Thema „Glaube als Für-wahr-Halten oder als Sich- -Gott-Öffnen“ sprechen wird.

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Was besagt der vielzitierte Satz von P. Karl Rahner SJ: „Der Christ der Zukunft wird ein Mystiker sein, … oder er wird nicht mehr sein!“?

GISBERT GRESHAKE: Rahner selbst erläutert das Wort „Mystiker“ durch den Zusatz: „einer, der etwas ‚erfahren‘ hat“. Das heißt so viel wie: einer, dem der Glaube wirklich „unter die Haut gegangen“ ist, - einer, der vom Glauben innerlich „zutiefst getroffen“ wurde, - einer, dem das Leben aus dem Glauben zum „integralen Teil der eigenen Existenz“ wurde. Welche Bilder (!) auch immer man da verwendet: Sie verweisen alle darauf, dass Glaube mit ganz persönlicher „Erfahrung“ zu tun hat. Und ohne solche Erfahrung kann ein Christ nach dem Ende der Volkskirche wohl kaum noch seinen Glauben durchhalten.

Was meint hier „Glaube“?

GISBERT GRESHAKE: Um bei Rahner zu bleiben: Er definiert Glauben so: Glaube ist „das bedingungslose Sich öffnen für die Wirklichkeit Gottes, damit diese Macht über uns gewinnt, uns bestimmt und ein Stück der eigenen Wirklichkeit wird“. Gewiss hat der Glaube auch noch andere Facetten. Aber immer gehört zu seinem Wesen, dass man sich Gott „öffnet“, sich ihm anvertraut und zur Verfügung stellt und damit eine „exzentrische Verlagerung“ der eigenen Person vornimmt: Das Ich bricht aus seiner Selbstbezogenheit und Enge aus und überschreitet sich auf Gott hin. In ihm findet es Grund, Sicherheit und Ziel des Lebens.

Ist der Glaube auch mit einem Für-wahr-Halten von Sätzen verbunden?

GISBERT GRESHAKE: „Glaubenssätze“, wie z. B. Dogmen, gehören insofern zum Glauben, als sie uns sagen, wer dieser Gott ist, dem man sich im Glauben anvertraut. Ist er das „höchste Wesen“, Grund der Welt und Garant der Sittlichkeit? Ist er „oberster Weltbaumeister“ in erhabenen Höhen über uns? Oder zeigt er sich als „das Unbedingte“ in uns? So könnte man fortfahren mit Gottesvorstellungen aller nur erdenklicher Art. Angesichts dieser Vielfalt kann Glaube nicht darin bestehen, sich einem „Gott“, der ein vieldeutiges X ist, zu überlassen. So würde der Glaube ins Unbestimmte und Leere gehen. Zum Glauben gehört vielmehr ein bestimmter, und darum auch in Sätzen fassbarer Inhalt, der darüber Auskunft gibt, wer dieser Gott ist, an den man glaubt. Solche „Auskunft“ kann nur Gott selbst geben, wenn und indem er sich – wie der Fachausdruck lautet – „offenbart“, d. h. sich durch Werke der Schöpfung und heilsgeschichtliche Taten dem Menschen erschließt.

Wie sieht ein zukunftsfähiges ganzheitliches Verständnis von Glauben aus?

GISBERT GRESHAKE: Es sollte vor allem ganz deutlich werden, dass man nicht an „Sätze“ (Dogmen usw.) und damit an bestimmte „Sach“-verhalte glaubt, sondern an die personale Wirklichkeit Gottes, dessen Wesen und Handeln in „Sätzen“ nur zum Ausdruck gebracht werden. Dabei lassen sich alle Glaubenssätze verstehen als Aspekte der einen und einzigen Wahrheit, dass Gott sich uns in Liebe mitteilt. Deswegen erhalten sie auch alle ihre angemessene Interpretation allein von dieser Mitte her: von Gott als dem absoluten Geheimnis in seiner unbegreiflichen liebenden Hinwendung zum Menschen. Und Glaube besteht darin, sich dieser Unbegreiflichkeit Gottes zu überlassen und anzuvertrauen. So ist der Glauben in seinem Wesen weder eine (objektive) Lehre, noch zielt er als „moralischer Glaube“ primär auf die Einhaltung sittlicher Normen (so sehr er sich davon auch nicht dispensieren lässt), sondern ist ein „lebenspraktischer“ bzw. ein „mystischer“ Glaube, der sich von der Liebe Gottes ergreifen und davon in Zuversicht, Vertrauen und Hoffnung sein Leben prägen lässt.

Wenn Glaube mehr ist als ein Gefühl, welche Rolle spielt dann das Glaubens-Wissen?

GISBERT GRESHAKE: Vom bereits Gesagten her ist wohl schon deutlich: Glaubens-Wissen ist eine Größe zweiter Ordnung. Sie ist zwar unabdingbar wichtig, soll Gott nicht ein nebelhaftes X bleiben, aber nur im Akt des Glaubenshingabe selbst hat sie – wie unter „Frage 3“ gezeigt – ihre Bedeutung.

Inwieweit kommt auch die Erfahrung beim Glauben ins Spiel?

GISBERT GRESHAKE: Glaubenserfahrung ist ein äußerst vieldeutiges Wort, das auf sehr Unterschiedliches – bei jedem Glaubenden anders – verweist. Aber weil der Glaube es mit meinem konkreten Leben zu tun und eben darin seinen konkreten Platz hat, löst das „Konkretsein“ des Glaubens auch Erfahrungen ganz unterschiedlicher Art aus: Erfahrungen im Denken und Fühlen, Erfahrungen im Umgang mit anderen und mit der Umwelt, Erfahrungen im Arbeitsleben und in der Freizeit ... In diesen ganz verschiedenen Bereichen führt das glaubende Bewusstsein, vor Gott, mit Gott und in Gott sein Leben zu führen, Erfahrungen unterschiedlichster Art aus, die gerade weil sie so unterschiedlich sind, in einem Glaubensgespräch auch ausgetauscht werden können und sollten.

Brauchen wir Väter und Mütter im Glauben?

GISBERT GRESHAKE: Unbedingt! Wobei heute oft „biologische“ Väter und Mütter und Väter und Mütter „im Glauben“ nicht identisch sind. Aber für das Zum-Glauben-Kommen ist es äußerst wichtig, im Laufe des Lebens Menschen zu begegnen, die exemplarisch und überzeugend ihren Glauben so leben, dass von ihnen etwas Ansteckendes ausgeht und auf andere „überspringt“.

Ist der Zweifel so etwas wie der Bruder des Glaubens?

GISBERT GRESHAKE: Für mich ist der Satz aus dem Markus-Evangelium (9,24) „Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“ eine der wichtigsten Aussagen über den Glauben. Denn die Bereitschaft, aus dem Glauben zu leben, trifft faktisch immer auch auf Zweifel, Vorbehalte und gegenläufige innere Antriebe. Im Bild gesprochen: Unser Inneres ist wie ein „Missionsland“, in dem es neben „bekehrten Zonen“ ebenso noch vom Glauben unerreichte oder nicht voll erreichte Regionen gibt. So entstehen Zweifel und Vorbehalte; und sie werden bleiben. Unsere eigene „Missionierung“ ist noch längst nicht abgeschlossen!

Wie können Glaube und Vernunft zusammenspielen?

GISBERT GRESHAKE: Dazu nur ein kleiner Hinweis: Martin Luther spricht einmal von der „Hure“ Vernunft, die sich jedem „an den Hals wirft“ und „zu Willen ist“. Damit ist gemeint: Die Vernunft wird, mag sie auch in sich selbst noch so „vernünftig“ sein und vernünftig denken und vernünftig argumentieren, in ihrer letzten Ausrichtung nicht von sich selbst, sondern vom Willen her bestimmt und geleitet: Sie denkt auf dieses oder jenes Ziel hin, in diesem oder jenem Interesse, entscheidet sich in rational unentscheidbaren Fragen für dieses oder jenes. So vollzieht sich die Ratio stets in einem „Horizont“, der nicht (allein) von ihr selbst stammt. Der Glaube lässt sich nun als eine Weise verstehen, der Vernunft einen sinnvollen „Horizont“ zu eröffnen, in welcher sie sich als Vernunft und in vernünftiger Weise verwirklichen kann. Umgekehrt kann die Vernunft den Glauben eingehender, reflektierter und systematischer durchdringen sowie mit den Dimensionen der übrigen Wirklichkeit verknüpfen, auf dass der Glaube in unser Leben, das so weitgehend von der Vernunft, von vernünftigem Nachdenken und Argumentieren geprägt ist, tiefer und „passender“ eingebettet sein kann.

„Glaube besteht darin, sich dieser Unbegreiflichkeit Gottes zu überlassen und anzuvertrauen.“

Gisbert Greshake

Autor:
  • Stefan Kronthaler
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