Papst Benedikt XVI. in Österreich

Als Pilger unter Pilgern
Ausgabe Nr. 1
  • Papst
Autor:
Papst Benedikt XVI. in Mariazell mit einer Schar von Pilgern
8. September 2007: Der pilgernde Papst: Benedikt XVI. besuchte hier erstmals als Papst Mariazell. Als Kardinal Joseph Ratzinger war er mehrmals in den steirischen Wallfahrtsort zur Magna Mater Austriae gepilgert. ©POOL/DRAGAN TATIC/HBF
Papst Benedikt XVI. im grünen Messgewand
9. September 2007: Gläubige bringen Papst Benedikt XVI. die Gaben für die Heilige Messe im Stephansdom. ©APA-FOTO: ROBERT JAEGER/POOL
Papst Benedikt XVI. mit Ministrantenschar
Papst Benedikt XVI. trifft im Erzbischöflichen Palais in Wien Ministrantinnen und Ministranten ©APA-FOTO: POOL/ROBERT JAEGER
Papst Benedikt XVI. auf Balkon
Papst Benedikt XVI. begrüßt die Gläubigen vom Balkon des Stiftes Heiligenkreuz aus. ©Nikolaus Stockert
Benedikt XVI. als pilgernder Papst
8. September 2007: Papst Benedikt XVI. kommt als Pilger in den Gnadenort Mariazell ©APA-FOTO: ROBERT JAEGER (POOL)

Benedikt XVI. hat bei seinem Österreichbesuch im September 2007 vor allem eine starke Vision für die Zukunft der Kirche in Europa formuliert. Nur durch eine geistliche Radikalität in der Hingabe und Hinwendung zu Christus ließen sich auch die strukturellen Fragen und Probleme der Kirche lösen. Und der Papst hat die Gläubigen in Österreich ermuntert, die Zehn Gebote als Lebensprogramm zu verwirklichen und umzusetzen.

Seine siebente Auslandsreise von 7. bis 9. September 2007 führte Papst Benedikt XVI. nach Österreich. Der Papst unterstrich vor dem Abflug aus Rom die Bedeutung seines Österreich-Besuchs als Pilgerreise. Er unternehme keine politische Reise, sondern reihe sich ein in die lange Reihe der Pilger, die seit 850 Jahren den Wallfahrtsort Mariazell aufsuchten, sagte Benedikt XVI. 

Werbung

Wir brauchen Gott

Zweck und Ziel seiner Reise sei es, die Katholiken in der säkularen Welt im Glauben zu bestärken und die Gemeinschaft der Kirche zu festigen. „Wir brauchen Gott“, betonte der Papst: „Ein Leben ohne Gott gelingt nicht.“ Er sehe die Spannungen und Schwierigkeiten der Kirche in Österreich noch nicht ganz überwunden, so der Papst. Er danke allen, die in schwieriger Zeit der Kirche auch unter Leiden die Treue bewahrt hätten. Er hoffe und sei zuversichtlich, dass seine Reise dazu beitragen könne, Wunden zu heilen. Neuer Elan sei durchaus zu registrieren. Dass es während des Besuchs keine eigenen Treffen mit Vertretern anderer Konfessionen und anderer Religionen gab, begründete Benedikt XVI. mit dem Wallfahrt-Charakter und der knapp bemessenen Zeit. Ausnahme sei das kurze Gedenken vor dem Shoah-Denkmal am Judenplatz gemeinsam mit Oberrabbiner Paul Chaim Eisenberg – als Ausdruck „unser Trauer, Buße und auch der Freundschaft mit unseren jüdischen Brüdern“.

Als Pilger unter Pilgern

Wie angekündigt, kam Papst Benedikt XVI. als Pilger nach Mariazell. Mit einem Pilgerstab in der Hand betrat er am Festtag Mariä Geburt die Basilika zum stillen Gebet vor dem Gnadenaltar, bevor die Heilige Messe am Vorplatz begann. Die Gnadenstatue wurde – wie es in Mariazell zum Patrozinium üblich ist – ohne Festgewand in die Mitte der Feiernden gebracht, wo sie in schlichter Geste auf Christus verweist. 

Christus als Brücke und Mittler des Heils

„Seit 850 Jahren kommen hierher Beter aus verschiedenen Völkern und Nationen mit den Anliegen ihres Herzens und ihres Landes, mit den Sorgen und den Hoffnungen ihrer Seele“, sagte der Papst in seiner Predigt zu den 33.000 Gläubigen, die sich durch Regen und Kälte nicht von ihrem Kommen abhalten ließen. So sei Mariazell über Österreich hinaus ein „Ort des Friedens und der versöhnten Einheit“ geworden. In den Mittelpunkt seiner Predigt zum Marienfest stellte der Papst Christus selbst. Maria solle den Gläubigen helfen, auf Christus zu schauen. Christus sei auch der Weg und das Ziel des Pilgerns, der Kern der Pilgerschaft, betonte der pilgernde Papst. Christus sei die Brücke, über die Gott und Mensch zueinander kommen könnten; er sei „der einzige für alle gültige ‚Mittler des Heils‘“.

Christentum ist ein Geschenk der Freundschaft

Bezugnehmend auf das Leitwort der Jubiläumsfeier „Auf Christus schauen!“ sagte der Papst. „Wenn wir das tun, dann sehen wir, dass Christentum mehr und etwas anderes ist als ein Moralsystem, als eine Serie von Forderungen und von Gesetzen. Es ist das Geschenk einer Freundschaft, die im Leben und im Sterben trägt: „Nicht mehr Knechte nenne ich euch, sondern Freunde“ (vgl. Joh 15,15), sagt der Herr zu den Seinen. Dieser Freundschaft vertrauen wir uns an. Aber gerade weil das Christentum mehr ist als Moral, eben das Geschenk einer Freundschaft, darum trägt es in sich auch eine große moralische Kraft, deren wir angesichts der Herausforderungen unserer Zeit so sehr bedürfen. Wenn wir mit Jesus Christus und mit seiner Kirche den Dekalog vom Sinai immer neu lesen und in seine Tiefe eindringen, dann zeigt sich eine große Weisung.“ Für den Papst sind folglich die Zehn Gebote ein Ja zu Gott, der den Menschen liebt und in Freiheit führt, und ein Ja zu menschlicher Gemeinschaft in Verantwortung, Solidarität, Gerechtigkeit, Wahrheit und Achtung. 

Schreibt die Apostelgeschichte weiter

Zum Abschluss des Gottesdienstes übergab Benedikt XVI. Pfarrgemeinderatsmitgliedern aus jeder Diözese das Lukas-Evangelium und die Apostelgeschichte und sendete sie in ihren verantwortungsvollen Dienst in den kirchlichen Gemeinschaften. Dabei sagte der Papst: „Empfangt das Wort Gottes und lebt danach; richtet euch wie Maria daran aus, wenn ihr euren Auftrag, den ihr durch eure Wahl erhalten habt, erfüllt: in der Familie, am Arbeitsplatz und in der christlichen Gemeinde.“

Abtreibung ist kein Menschenrecht

Dass der als Pilger- und Pastoralreise angelegte Besuch von Benedikt XVI. auch für politische Diskussionen sorgte, sollte bereits am ersten Tag sichtbar werden. So sprach er in der Hofburg vor Repräsentanten der österreichischen Politik und des Diplomatischen Corps unter anderem das Thema des Lebensschutzes an. In Europa sei zuerst der Begriff der Menschenrechte formuliert worden, erinnerte Benedikt XVI. Das grundlegende Menschenrecht sei das Recht auf Leben. Das gelte für das Leben von der Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende. Abtreibung könne daher kein „Menschenrecht“ sein - sie sei vielmehr eine „tiefe soziale Wunde“, wie es Kardinal Franz König immer wieder betont habe. „Ich appelliere deshalb an die politisch Verantwortlichen, nicht zuzulassen, dass Kinder zu einem Krankheitsfall gemacht werden und dass die in Ihrer Rechtsordnung festgelegte Qualifizierung der Abtreibung als ein Unrecht faktisch aufgehoben wird.“ Vor allem gehe es darum, dass die „europäischen Länder wieder kinderfreundlicher werden“. Benedikt XVI.: „Ermutigen Sie die jungen Menschen, die mit der Heirat eine neue Familie gründen, Mütter und Väter zu werden.“

Kein Österreich ohne lebendigem Glauben

Am Ende seiner Rede fand der Papst mahnende Worte: „Vieles von dem, was Österreich ist und besitzt, verdankt es dem christlichen Glauben und seiner reichen Wirkung in den Menschen. Der Glaube hat den Charakter dieses Landes und seine Menschen tief geprägt. Es muss daher ein Anliegen aller sein, nicht zuzulassen, dass eines Tages womöglich nur noch die Steine hierzulande vom Christentum reden würden. Ein Österreich ohne lebendigen christlichen Glauben wäre nicht mehr Österreich.

Haltet den Sonntag hoch

Die hohe Bedeutung des Sonntags und der sonntäglichen Eucharistiefeier hat Papst Benedikt in den Mittelpunkt seiner Predigt im Stephansdom am dritten Tag seines Österreichbesuchs gestellt. Der Sonntag habe sich in den westlichen Gesellschaften „zum Wochenende, zur freien Zeit gewandelt“, sagte der Papst vor tausenden Gläubigen, die sich im und vor dem Dom zur Messfeier versammelt hatten. „Die freie Zeit ist gerade in der Hetze der modernen Welt gewiss etwas Schönes und Notwendiges. Aber wenn die freie Zeit nicht eine innere Mitte hat, von der Orientierung fürs Ganze ausgeht, dann wird sie schließlich zur leeren Zeit, die uns nicht stärkt und aufhilft“, so Benedikt XVI.

Orte der geistlichen Kraft für Suchende

Bei seinem Besuch im Stift Heiligenkreuz  sprach der Papst von den Klöstern als Oasen für Suchende. Wenn man zu einem Kloster in Österreich komme, empfinde man dasselbe, wie wenn man sich nach „einer schweißtreibenden Wanderung in den Alpen endlich an einem klaren Quellbach erfrischen kann“. Ein Appell des Papstes: „Nehmt eure Stifte und Klöster als das wahr, was sie sind und immer sein wollen: nicht nur Kultur- und Traditionsträger oder gar bloße Wirtschaftsbetriebe. Struktur, Organisation und Ökonomie sind auch in der Kirche notwendig, aber sie sind nicht das Wesentliche. Ein Kloster ist vor allem eines: ein Ort der geistlichen Kraft. Als geistliche Oase zeigt ein Kloster nämlich der heutigen Welt das Allerwichtigste, ja das einzig Entscheidende: dass es einen letzten Grund gibt, um dessentwillen es sich zu leben lohnt: Gott und seine unergründliche Liebe.“ 

Autor:
  • Porträtfoto von Markus Langer
    Markus A. Langer
Werbung

Neueste Beiträge

| Sonntagsjause
SONNTAGs-Jause

Unser Gast in der heutigen Podcast-Folge ist Josef Pröll. Der ehemalige Vizekanzler ist Landesjägermeister Niederösterreichs und hat für die Aufnahme ein Hirschgulasch mit Spätzle aufgetischt.

| Leben
Tradition pflegen

In manchen Gegenden des Weinviertels in Niederösterreich gehören der Allerheiligenstriezel und ein paar Würfel so untrennbar zusammen wie der sprichwörtliche Topf zum Deckel.

| Kunst und Kultur
Rituale der Erinnerung

Zu Allerheiligen und Allerseelen besuchen viele Menschen die Gräber ihrer Verstorbenen. Die Grabpflege kann ein liebevolles und tröstendes Ritual sein.