Leihmütter: Der verkaufte Bauch

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Leihmütter müssen das Kind nach der Geburt hergeben, denn rechtlich gesehen ist es ja gar nicht „ihr“ Kind. Eine Situation, die für Mütter und Kinder traumatisch ist.
Leihmütter müssen das Kind nach der Geburt hergeben, denn rechtlich gesehen ist es ja gar nicht „ihr“ Kind. Eine Situation, die für Mütter und Kinder traumatisch ist. ©pixabay
Irreführend und trügerisch: Alle sind glücklich.
"Gute Bedingungen", in denen die Rechte der Leihmutter und des heranwachsenden Kindes geachtet werden und auch für die Wunscheltern alles glatt läuft, gibt es nicht. ©pixabay
Leihmutterschaft ist weltweit ein gutes Geschäft.
Leihmutterschaft ist weltweit ein gutes Geschäft. ©pixabay

Sie ist ein Milliardengeschäft: Die Leihmutterschaft. Bilder von glücklichen Babys und strahlenden Eltern täuschen darüber hinweg, dass sich dahinter „die Ausbeutung von Frauen und Betrug an den Kindern um die vorgeburtliche Bindung“ verbirgt, sagt Martina Kronthaler von der Aktion leben. Ein Bericht über das Leiden der Leihmütter und ihrer Kinder.

Elton John hat es getan. Sarah Jessica Parker ebenso. Außerdem Nicole Kidman. Sie alle haben sich Leihmütter „genommen“, um sich den großen Wunsch vom leiblichen Kind zu erfüllen. Leihmutterschaft, so könnte man in den vergangenen Jahren den Eindruck bekommen, ist eine von vielen Möglichkeiten, der Natur „auf die Sprünge“ zu helfen, ist etwas ganz Normales. Beigetragen haben dazu eben auch die Medienberichte über unzählige Prominente, die diesen Weg für sich und ihre Familien gewählt haben. Bilder von glücklichen Babys und strahlenden Eltern tun ihr Übriges.

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Kritische Stimmen gegen Leihmütter

Doch mittlerweile werden auch die Stimmen, die Leihmutterschaft heftig kritisieren und sogar ein Verbot fordern, lauter – unter ihnen drei internationale Initiativen „ Collectif pour le Respect de la Personne (CoRP)“, „Stop Surrogacy Now“ und „No Maternitiy Traffic“ und die österreichische Organisation aktion leben. „Leihmutterschaft ist eine extreme Form der Ausbeutung. Sie missachtet die Rechte der Frauen und auch die der Kinder. Und auch für die ,Wunscheltern‘, die Auftraggeber, ist eine Leihmutterschaft nicht immer nur eine positive Erfahrung“,  sagt Martina Kronthaler, Generalsekretärin der aktion leben österreich.

Leihmütter und ihre Kinder: Ausgeborgt? Verkauft?

Unter einer Leihmutter versteht man eine Frau, die sich bereit erklärt, das Kind eines anderen Paares oder auch eines einzelnen Auftraggebers auszutragen. Die Eizelle kann dabei von der Auftraggeberin direkt kommen, kann aber auch von der Leihmutter oder aus einer Eizellspende stammen. Beim Sperma, mit dem die Eizelle befruchtet wird, handelt es sich entweder um das des Auftraggebers oder eines Samenspenders. Die Eizelle wird in vitro befruchtet und in die Gebärmutter der Frau eingebracht. Leihmutterschaft ist in vielen Ländern, darunter auch Österreich verboten. In der Ukraine, Russland, in Indien und den USA ist sie hingegen erlaubt, was einer gewissen Art des „Fortpflanzungstourismus“ Tür und Tor geöffnet hat.

Seit langem kämpft – unter anderem – die aktion leben österreich für ein in der Verfassung verankertes Verbot der Leihmutterschaft in Österreich. Vor kurzem erst ging die Informationsseite www.leihmutterschaft.at online. „Unsere Informationsseite ist ein Korrektiv zur Werbung, die hilfesuchenden Paaren überall begegnet. Sie legt sachlich dar, warum Leihmutterschaft weder aus Frauensicht noch aus Kinderperspektive akzeptabel ist und was daran wirklich gefährlich ist“, sagt Martina Kronthaler.

Viele unabsehbare Risiken für Leihmütter

Vor allem die körperlichen und psychischen Belastungen für die Leihmütter seien nämlich so hoch, dass man eigentlich allein deshalb davor zurückschrecken müsste: „Meist braucht es mehrere Versuche, bis sich eine befruchtete Eizelle überhaupt einnistet. Dann ist da noch das Risiko einer Fehlgeburt, einer Frühgeburt, eines Kaiserschnitts.“ Dazu kommt die seelische Belastung für die Leihmutter, das Kind, das sie ausgetragen hat, wieder hergeben zu müssen. Außerdem der Druck, das Kind wie eine bestellte Ware in „einwandfreiem Zustand“, also gesund, „liefern“ zu müssen. Was passieren kann, wenn der „Zustand“ nicht ganz so „einwandfrei“ ist, zeigte der Fall des kleinen Gammy 2014: Ein australisches Paar hatte Zwillinge von einer thailändischen Leihmutter austragen lassen. Eines der Babys wurde mit dem Down-Syndrom geboren, weshalb die australischen Eltern beschlossen, nur das gesunde Kind mit nach Hause zu nehmen.

Gammy hatte Glück im Unglück: Er fand bei der Leihmutter ein Zuhause, die es nicht übers Herz brachte, ihr krankes Kind im Stich zu lassen. Aber was wäre mit Gammy passiert, hätte seine Leihmutter nicht so gedacht? „Ich denke nicht, dass eine junge Frau abschätzen kann, was sie da alles auf sich nimmt. Und ich denke noch weniger, dass die jungen Frauen durch die Agenturen, in deren Diensten sie stehen, auf das alles vorbereitet oder begleitet werden.“

In der Praxis sind die Leihmütter die Verlierer. Ob sie Geld erhalten oder nicht, macht keinen Unterschied. 

Leihmütter: Angebot und Nachfrage

Oft gebracht werde ja das Argument von der „altruistischen“ Leihmutter, die kinderlosen Paaren ja nur „helfen“ wolle. „Haarsträubend,“ sagt Martina Kronthaler dazu: „Wer so etwas behauptet, verschließt die Augen vor der Wirklichkeit: Leihmutterschaft hat sich mittlerweile zu einem Markt entwickelt, der sich nach Angebot und Nachfrage orientiert und dort floriert, wo es Frauen schlecht geht – in Indien etwa oder in der Ukraine.“ Allein in Indien gäbe es bereits 3.000 Kliniken, die sich allein auf ausländische Paare spezialisiert haben.

Die Großverdiener in diesem „Business“ sind allerdings die Agenturen, die die Frauen vermitteln. Die Frauen selbst sehen vom „großen Geld“ nichts. „Und selbst wenn – Leihmutterschaft wäre immer noch in hohem Maße bedenklich“, betont Martina Kronthaler.  Denn „gute Bedingungen“ für eine Leihmutterschaft gibt es nicht, so Kronthaler. Die Leihmütter sind immer die Verlierer. Ob sie dabei Geld erhalten oder nicht, mache dabei kaum noch einen Unterschied.

Leihmütter: Vorgeburtliche Bindung „unerwünscht“

Aber nicht nur die Leihmütter – auch die Kinder gehören bei der Leihmutterschaft zu den Verlierern, ist Martina Kronthaler überzeugt. „Normalerweise baut sich ja in einer Schwangerschaft eine tiefe Bindung zwischen der Mutter und dem Kind auf.“ Die Leihmütter würden hingegen angehalten, den Aufbau einer Bindung zu dem ungeborenen Kind bewusst und „so gut es geht“ zu unterdrücken. „Die Kinder werden damit um die erste, grundlegende Bindungserfahrung in ihrem Leben gebracht“, sagt Martina Kronthaler: „Dabei weiß man aus der Forschung, wie wichtig diese erste Bindung für das restliche Leben – für die körperliche wie seelische Entwicklung – ist.“

Ganz zu schweigen von der Tatsache, dass diese Kinder unter Umständen in wirklich schwierige Familienkonstellationen hineingeboren werden. „Diese Kinder haben eine biologische Mutter, die die Eizelle gespendet hat. Sie haben eine Mutter, die sie ausgetragen hat. Und sie haben eine Mutter, die sie großzieht. Manchmal ist dann auch noch der biologische und der soziale Vater nicht ein und dieselbe Person“, sagt Martina Kronthaler: „Das ist nicht für jedes Kind gut verkraftbar.“

Leihmütter weltweit verbieten

An die Politik appelliert die aktion leben deshalb, Leihmutterschaft gänzlich zu verbieten statt sie „nur“ juristisch zu regulieren. „Wünschenswert wäre ein internationales Verbot. Aber auch ein europaweites Verbot wäre schon ein großer Schritt“, sagt Martina Kronthaler: „Es wäre ein Signal dafür, dass Leihmutterschaft in Europa nicht gewünscht ist.“            

Zur Person:

Mag. Martina Kronthaler, Generalsekretärin der aktion leben österreich.
Mag. Martina Kronthaler, Generalsekretärin der aktion leben österreich. ©aktion leben

Mag. Martina Kronthaler, Generalsekretärin der aktion leben österreich

aktion leben österreich
A-1150 Wien, Diefenbachgasse 5/5
T: +43.1.512 52 21 | F: +43.1.512 52 21-25 |

E: info@aktionleben.at

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2015, Zsolnay, Paul
Taschenbuch
256 Seiten
ISBN: 978-3-552-06296-2

Dieses Buch online bei der Wiener Dombuchhandlung "Facultas" erstehen

Autor:
  • Portraitfoto von Andrea Harringer
    Andrea Harringer
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