Landwirtschaft versus Biodiversität

Internationaler Tag der Biodiversität
Ausgabe Nr. 20
  • Leben
Autor:
Ein blühendes Rapsfeld unter stürmischem Himmel.
Passen Biodiversität und Landwirtschaft zusammen? ©Pexels
Maximilian Hardegg mitten im Rapsfeld
MAximilan Hardegg: „Für die Bienen ist Raps ein Stärkungsmittel. Die ausgehungerten Bienenvölker können nach dem Winter enorm Kraft tanken.“ ©Markus A. Langer
Maximilian Hardegg lehnt gegen einen Baum
Gutsbesitzer Maximilian Hardegg an der Pulkau: Die Renaturierung des Flusses war eine der ersten Maßnahmen auf dem Weg zur mehr Biodiversität. ©Markus A. Langer
grüne Futtertonne
Mit ganzjähriger Fütterung der Feld- und Singvögel kann die Artenvielfalt vergrößert werden. ©Markus A. Langer
Apfelblüte und alter Apfel vom vergangenen Jahr
Die Apfelbäume auf den Streuobstwiesen sind natürliche Futterquellen für die Tierwelt. ©Markus A. Langer
Wildacker auf Gut Hardegg
Singvögel und Nutzwildarten fühlen sich von den Wildäckern angezogen. ©Markus A. Langer
Renaturierter Flusslauf der Pulkau
Im Rahmen eines EU-5b-Projekts wurde die Pulkau auf einer Strecke von etwa elf Kilometern entlang des Guts renaturiert. ©Markus A. Langer
Wegböschung am Rand des Feldes
Entlang der Wege reichen ein Meter breite Bänder als Wegböschungen links und rechts in die Äcker hinein und werden nicht eingepflügt. In diesen Naturstücken ist sehr viel Wild zu Hause. ©Markus A. Langer

Sind Biodiversität und Landwirtschaft ein Widerspruch? Nein, wenn es nach Maximilian Hardegg, Gutsbesitzer im Weinviertel, geht. Er ist einer der Pioniere, die Kreislaufwirtschaft, Biodiversität und Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft zu einer gelebten Einheit entwickelten.

Tage vor unserem Besuch auf Gut Hardegg ist noch einmal der Winter auch in Niederösterreich eingekehrt. Die Nacht von 25. auf 26. April war frostig im nördlichen Weinviertel – knapp um null Grad Celsius. Kälteeinbrüche um diese Zeit sind für Gutsbesitzer Maximilian Hardegg nichts Außergewöhnliches. Die heimische Vogelwelt war schon im Brutmodus und dann ist noch einmal Schnee gefallen. Die Kälteperiode hat den Zugvogelzug zunächst einmal gestoppt. „Die Vögel, die schon da sind, und andere, die das ganze Jahr bei uns leben, haben nun einen unglaublichen Nahrungsbedarf.“

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Deshalb hat sich Familie Hardegg vor Jahren entschieden, Feld- und Singvögel am Gut das ganze Jahr hindurch zu füttern. Gerade im Frühjahr brauchen die Tiere dringend Futter. „Die Landwirtschaft ist so effizient geworden, dass keine Reststoffe für die Tierwelt mehr übrigbleiben. Beim Mähdreschen entstehen keine Verluste und beim Einbringen der Ernte geht auch nichts verloren. In unzähligen Futterstationen stellen wir eine Mischung aus Weizen und Maiskörnern sowie Sonnenblumenkernen als Futter zur Verfügung. Das entspricht ungefähr einem Prozent unserer Erntemenge, die wir wieder der Natur rückführen.“

Der Lieblingsvogel von Maximilian Hardegg

So viel sei verraten: Es ist nicht der Vogel im Familienwappen.

Alle 50 Meter eine Futtertonne

Maximilian Hardegg stützt sich hierbei auf Untersuchungen des deutschen Ornithologen Peter Berthold, der in der ganzjährigen Fütterung das Mittel der Wahl sieht, um auch kommenden Generationen eine artenreiche Natur zu hinterlassen. „Wenn wir mehr Biodiversität wollen, müssen wir die Vermehrung der Vögel unterstützen, sonst werden sie immer weniger. Mit dem Futter kann ich einfach die Körperkondition vor allem der Weibchen so gut erhalten, dass sie sich erfolgreich vermehren können.“ Alle 50 Meter steht entlang der Feldwege eine Futtertonne. Da steckt ein Konzept dahinter: Fasane beispielsweise haben im Umkreis von 50 Metern ihr Balzterritorium und kommen sie sich so nicht ins Gehege. 

Schmales Zeitfenster für Vermehrung

Der studierte Agrarwissenschaftler ist begeistert von der Artenvielfalt. Stolz zeigt er uns bei unserer kleinen Wanderung durch Feld und Flur Turteltauben, die soeben von ihrem Winterquartier im nordafrikanischen Maghreb in der Gemeinde Seefeld-Kadolz angekommen sind. Die Zugvögel holen sich von den Futterstationen Nahrung, um nach der langen Flugstrecke und für den Paarungsritus zu Kräften zu kommen. Ein Männchen balzt in einer Baumkrone und lockt ein Weibchen an. „Diese Turteltauben werden sehr schnell brüten müssen. Ihnen steht nur ein schmales Zeitfenster offen: Sie brüten normalerweise zweimal. Im August fliegen sie schon wieder weg. Der Nachwuchs muss kräftig sein, um mit den Eltern in Richtung Süden mitfliegen zu können.“ 

Jährliche Vogelzählung

Der britische Game & Wildlife Conservation Trust veranstaltet jedes Jahr im Winter gemeinsam mit Landwirten eine europaweite Feldvogelzählung, den Big Farmland Bird Count. Seit zehn Jahren nimmt auch das Gut Hardegg daran teil. Anfang Februar 2024 haben die Teilnehmer beachtliche 85 Vogelarten gezählt. Initiator Maximilian Hardegg ist hocherfreut: „Die häufigsten Vogelarten waren die Kohlmeise, gefolgt von der Saatkrähe sowie Amsel und Wacholderdrossel. Es wurden aber auch viele Feldsperlinge und Blaumeisen gezählt.“ Die echten „Raritäten“ heuer waren das Wintergoldhähnchen als kleinster Vogel mit vier Gramm, die Haubenmeise, der Waldbaumläufer und der Eisvogel.

Wenn wir mehr Biodiversität wollen, müssen wir die Vermehrung der Vögel unterstützen.

Maximilian Hardegg

Biologische Vielfalt auf drei Ebenen

Mit der ganzjährigen Vogelfütterung und jährlichen Singvögelzählung setzt der Betrieb wichtige Maßnahmen für Landschaftspflege und gelebte Artenvielfalt in der Region. Maximilian Hardegg und sein Team sind felsenfest davon überzeugt: Biodiversität findet in hohem Maß in der Landwirtschaft statt – Landwirtschaft und Biodiversität bilden eine Schicksalsgemeinschaft. Die Landwirtschaft ist in puncto Befruchtung und Bestäubung von der Biodiversität abhängig und umgekehrt sind viele Tiere von der Landwirtschaft abhängig, denn die Landschaft ist keine reine Natur mehr, sondern eine Kulturlandschaft.“ Der Begriff Biodiversität wird oft synonym zu Artenvielfalt verwendet. Dabei ist die Artenvielfalt nur ein Teilaspekt der biologischen Vielfalt. „Aber Biodiversität beinhaltet auch noch die genetische Vielfalt“, erklärt Maximilian Hardegg. „Wildtiere sind nur dann besonders widerstandsfähig, wenn sie auf ein reiches, buntes Genom zurückgreifen können. Außerdem sind vielfältige Lebensräume für die Biodiversität ganz entscheidend, wenn wir uns nur die ausgeräumten Landschaften vor Augen führen: Ballungszentren, Einkaufszentren und dazwischen große Felder ohne Strukturen. Dort ist Biodiversität einfach nicht anzutreffen. Für uns auf Gut Hardegg steht die Schaffung eines hochwertigen Ökosystems im Mittelpunkt.“

Rückzugsräume für die Natur

Zehn Prozent der einst intensiv genutzten Flächen gab Hardegg der Natur zurück. Beispielsweise wurde von einem Feld, auf dem in diesem Jahr Durum, ein Hartweizen, wächst, eine unproduktive, für Maschinen schwer zugängliche Ecke für einen Wildacker abgezwickt. „Darauf haben wir eine Blumenwiese angebaut, aufgrund der Trockenheit im vergangenen Jahr ist sie noch nicht so gut gewachsen.“ Entlang der Wege reichen ein Meter breite Bänder links und rechts in die Äcker hinein. „In diesen Naturstücken ist sehr viel Wild zu Hause. Hier brüten Fasane, hier werden Hasen gesetzt. Wir schaffen dadurch natürlich auch ein Eldorado für Raubwild wie den Fuchs. Deswegen ist die Jagd wichtig. Das ist die gesetzlich autorisierte Stelle, die dafür sorgen kann, dass das Raubwild nicht überhandnimmt.“ Streuobstwiesen bieten verschiedenen Tieren und Pflanzen einen geeigneten Lebensraum und ein üppiges Angebot an Nahrung. „Im Sommer, wenn alles trocken und ausgedörrt ist, ist so ein früher Apfel ein großartiges Saftfutter für die Vögel.“ 

Wasser als Quelle des Lebens

Auf Gut Hardegg wurde ein fortschrittliches System zur Wasserspeicherung entwickelt, das Wasser in Gräben und Altarmen des Flusses Pulkau sammelt. Dieses System ermöglicht es, in Zeiten des Wassermangels vorbereitet zu sein und trägt zudem zur Verbesserung des lokalen Mikroklimas bei. Im Rahmen eines EU-5b-Projekts wurde die Pulkau auf einer Strecke von etwa elf Kilometern entlang des Guts renaturiert. Dieses Vorhaben hat wesentlich zur Verbesserung des Wasserhaushalts beigetragen und neue Lebensräume für Flora und Fauna geschaffen. 

Honigbienen lieben Raps

Langsam erwärmen an diesem Frühlingstag die Sonnenstrahlen die Luft und den Boden. Honigbienen verlassen erst bei einer Lufttemperatur von zirka 8 Grad Celsius den Bienenstock. An einem der eigens geschaffenen Wasserlöcher entlang der Felder schöpfen einige von ihnen Wasser. Was viele nicht wissen: Ein Bienenvolk braucht 25 Liter im Jahr. In dem einige Hundert Meter entfernten Akazienwald stehen die Bienenvölker – bewusst nicht am Feldrand. Die Bienen müssen ein Feld überqueren, um zum Raps zu kommen. Beim Flug darüber kommen sie an der Wasserstelle vorbei. Im Rapsfeld, das langsam im Abblühen begriffen ist, brummt es von allen Seiten. „Für die Bienen ist Raps ein Stärkungsmittel und sie finden in einem Rapsfeld die höchste Blütentracht vor“, so Hardegg. „Die ausgehungerten Bienenvölker können nach dem Winter enorm Kraft tanken. Die Honigbienen nehmen an Gewicht zu, werden dicker und können dann, wenn sie gekräftigt sind, andere blühende Pflanzen, wie zum Beispiel die Akazie, die an der kleinen Erhebung blüht, befliegen und auch dort sehr aktiv sein.“ 
 

Autor:
  • Porträtfoto von Markus Langer
    Markus A. Langer
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