„Geschriebene Predigt, nein danke!“

Ewald Huscava geht in Pension
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Mit August 2025 geht Monsignore Ewald Huscava in Pension.
Mit August 2025 geht Monsignore Ewald Huscava in Pension. ©Cornelia Grotte

Seit 2007 ist Ewald Huscava Domprediger im Stephansdom. Der Monsignore feierte 2025 nicht nur sein 40. Priesterjubiläum, sondern auch seinen Abschied als Prediger im Dom und als Pfarrvikar in der Donaucity-Kirche.

Wir haben ihn zu seinem Abschied und seinen Plänen in der Pension befragt.

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Wie Ewald Huscava zum Glauben fand

Sie sind geborener Wiener, wo sind Sie aufgewachsen? Was hat Sie schon als Bub im Glauben geprägt?

Ich bin bis zum 10. Lebensjahr im 10. Bezirk aufgewachsen. Dort bin ich in die Kepler-Schule gegangen. Der Zehnte ist damals noch ein echter Arbeiterbezirk gewesen. Jetzt ist er fest in türkischer Hand. In der Pfarre Sankt Philomena, jetzt heißt sie Pfarre Heilige Dreifaltigkeit, war ich in der Erstkommunion und auch im Kindergarten. Dort waren echte Klosterschwestern, die mich behütet haben. Eine Schwester, an die ich mich noch gut erinnern kann, weil sie noch lebt, heißt jetzt Schwester Maria, damals hat sie Schwester Cleophas geheißen. Natürlich haben wir Kinder uns damals lustig gemacht und die Schwester „Klo-Fass“ genannt. Aber natürlich nur unter der Hand, wir waren ja damals alle noch sehr brav und gut diszipliniert.

Später sind wir in den 23. Bezirk gezogen. Die Pfarre hieß Inzersdorf-Neustift und da hat es mehrere Kapläne gegeben, unter anderem auch den Pater Adolf Scharwitzl, der vielen als sehr, sehr guter Seelsorger bekannt ist. Und dort bin ich in die Pfarrarbeit eingestiegen und war Jungscharführer. Dann später Jugendführer. Und dann bin ich Lektor geworden. Ich war nie Ministrant. Während meiner Maturazeit habe ich in der Pfarre mitgearbeitet und irgendwann ist einmal der Gedanke bei mir aufgetaucht: Du könntest ja eventuell Priester werden. Irgendwie hat mir das gefallen, wie der Pater Scharwitzl mit den Menschen umgegangen ist. Die Salesianer Don Boscos waren immer alle, bis auf eine Ausnahme, wirklich ganz lockere und entspannte Priester.

Sie sind dann nicht Salesianer Don Boscos geworden, aber Priester. Warum nicht Salesianer Don Boscos?

Ich habe nach der Matura das Aspirantat bei den Salesianern Don Boscos gemacht. Und irgendwie habe ich mir das angeschaut, und irgendwo habe ich mir gedacht, bis zu meinem Lebensende Jugendarbeit zu machen, ist nicht meine Berufung. Das war auch die Zeit, das war so ein Jahr nach der Matura, in der ich Latein nachholen musste. Und dann habe ich mir gedacht, ein Priester werden könnte es schon sein. Da gibt es ein Priesterseminar, habe ich gehört.

Und habe damals in den dicken Telefonbüchern nachgewälzt, wo gibt es die Telefonnummer des Priesterseminars. Ich habe keine gefunden. Aus einem Grund heraus: Denn es heißt das Erzbischöfliche Priesterseminar. Also man kann nicht unter P nachschauen, sondern unter E. Und da habe ich mich damals beworben.

Huscava: „Meine Eltern waren nicht beglückt.“

Wie hat man das daheim aufgenommen?

Meine Eltern waren nicht beglückt. Sie haben Sorge um mein Lebensglück gehabt und waren wirklich dagegen. Aber Kinder sind nicht dazu auf der Welt, das habe ich schon damals registriert, um die Eltern glücklich zu machen, sondern dass die Kinder eigene Entscheidungen fällen und ihr Leben selbst gestalten.

Wie erging es Ihnen nach dem Eintritt ins Priesterseminar?

Ich bin dann ins Wiener Priesterseminar gegangen und habe dann zu studieren begonnen. Im Zuge dessen gab es auch ein sogenanntes Externjahr. Das heißt, da studiert man zwei Jahre, macht den ersten Studienabschnitt fertig und dann geht man irgendwo anders hin. Und ich habe mir in den Kopf gesetzt, dass ich in Rom studieren möchte. Ich war unter anderem auch einmal dann bei einer Wallfahrt mit, da sind wir nach Italien gefahren, da habe ich gedacht, ich möchte Italienisch lernen. Und das ist damals eingefädelt worden von Herrn Abrahamowitsch. Er konnte Italienisch und war in einer Pfarre, Natività del Nostro Signore Gesù Cristo, also die Geburt unseres Herrn Jesus Christus, und er hat dort den Pfarrer gut gekannt. Ich konnte allerdings nicht in der Pfarre wohnen, sondern bin dann im Nepomuceno gelandet, dem tschechoslowakischen Priesterseminar.

Mein Zimmer lag in der Nähe der Pfarre. Bis zu den Weihnachtsferien hat sich mein Italienisch stufenweise verbessert. Ich habe in Rom auch einiges an Prüfungen gemacht. Unter anderem das ganze Neue Testament und Fundamentaltheologie. Neben Italienisch ist Griechisch, nämlich das neutestamentarische Griechisch, eine große Liebe von mir. Da habe ich mich ordentlich hineingetigert. Ich bin wahrscheinlich einer der wenigen Priester, die griechische Texte des Neuen Testaments auch im Originaltext lesen können. Ich mache das auch immer wieder, wenn ich eine Predigt vorbereite, da die Einheitsübersetzung auch nicht immer so beglückend ist.

Was einen guten Prediger ausmacht

Kann jeder ein guter Prediger werden oder braucht es da ein Talent zum Reden?

Jetzt bin ich gemein und sage, ich habe schon immer ganz gern geredet. Und das ist immer auch eine Frage der Präsenz und des Inszenierens, also dass man irgendwie da ist und nicht einfach nur etwas reproduziert, was eine Hülse ist, sondern dass immer wieder frisch etwas neu geboren wird. Zum Beispiel, ich bin ein Typ, wenn man meine Handschrift sieht, da gibt es so wunderbar regelmäßige Handschriften, aber meine Handschrift ist immer an der Grenze zur Unleserlichkeit, weil die Schrift immer wieder neu erfunden wird, wenn ich schreibe. Es gibt Leute, die einen Text reproduzieren, wenn sie reden. Bei mir wird das neu geboren. Eine meiner Schlüsselerfahrungen war bei einer Predigt von Don Pietro del Curatolo. Er hatte eine kräftige Stimme und eine unglaubliche Präsenz. Er war der Erste, den ich verstanden habe, da er ein sauberes Italienisch gesprochen hat. Es ist immer einfach, mit einem erhobenen Zeigefinger irgendjemandem die Frohe Botschaft Gottes aufs Auge zu drücken. Bei Don Pietro konnte man auch zuhören, wenn es heiß in der Kirche war. Das war eine Frohe Botschaft! Beim Don Pietro, da habe ich das Evangelium gespürt. Das Evangelium hat eine eigene Schwingung. Und das habe ich damals mitgekriegt und diesen Geschmack habe ich mein Leben lang nie verloren. Ich bin kein Typ, der mit dem erhobenen Zeigefinger predigt.

Was macht eine erfolgreiche Predigt aus?

Erfolgreich ist einmal dann, wenn die Leute munter bleiben. Es ist schon ein großes Stück, wenn sie nicht sanft einschlummern. Das ist so eine Frage, letztlich ist es eine künstlerische Frage. Bei mir ist das so: Da habe ich den Bibeltext und schaue einmal nach, dann überlege ich, was ist mir in der letzten Zeit vorgekommen? Was ist mir untergekommen? Welche Begegnungen habe ich mit den Mitgliedern der Pfarrgemeinde gehabt? Das mache ich, damit ich mich nicht in lichte Höhen verziehe. Und so kommen die ersten Gedanken. Manchmal muss ich mir den Text ganz genau anschauen, wie sind zum Beispiel die Worte auch im griechischen Text, weil erst dann Dinge auffallen und ich den Anspruch habe, dann immer wieder Dinge zu sagen, die neu sind. Ich kann nicht sagen, dass es eine Technik wäre. Es ist eher ein künstlerischer Vorgang.

Huscava: „Geschriebene Predigt, nein danke!“

Aber Sie schreiben sich das nicht auf?

Nein, Gott möge behüten! Ich bin auch Predigtlehrer. Vorgelesenes Wort verliert an Performance, an Wirksamkeit, weil die Körpersprache stirbt, weil die Intonation stirbt. Man kann sich so leicht verlieren in irgendwelchen großen Satzkonstruktionen. Während das gesprochene Wort – frisch geboren, aber man weiß, wo man hin will – dann die Leute am ehesten erreicht. Also geschriebene Predigt, nein danke! Denn für die gelungene Predigt in unserer Kultur bedarf es einer Persönlichkeit. Das heißt, ich muss mich als Persönlichkeit entwickeln, entwickelt haben. Wenn ich so in meiner katholischen Blase bin und nicht registriere, wie es den Leuten geht, was die bewegt, welcher Schmerz so hinter den Türen verborgen liegt, und wenn ich das nicht ins Wort bringe, dann wird es eine Worthülse. Der schlimmste Fall ist, das sage ich auch meinen Kollegen: Ich halte es für eine schwere Sünde, ins Internet zu gehen, eine Predigt auszudrucken und diese Predigt dann vorzulesen und dabei über manche Begriffe zu stolpern und nicht zu wissen, was das bedeutet.

Ein Priester muss auch sonst „etwas darstellen“ oder?

Aber ja, du musst eine Persönlichkeit entwickeln. Es geht darum, wie der Priester dem Gottesdienst vorsteht, denn die Predigt ist normalerweise in einem Gottesdienst eingebettet. Wenn er dir eine Messe nur hinstellt und die Leute nicht einmal anschaut, dann wird auch die Predigt so. Die Frage ist, wie stehst du der Messe vor? Geht das Evangelium schon los, wenn du den Gottesdienst beginnst? Das heißt, die Leute erleben bei mir, dass ich die Gottesdienste intensiv feiere.

Was Ewald Huscava in der Pension vorhat

Wann haben Sie gewusst, dass Sie in Pension gehen möchten?

Das erste Mal ist mir aufgefallen, dass das eine Option sein kann, als mein Bruder, der dreieinhalb Jahre älter ist als ich, angefangen hat, über die Pension zu reden. Da habe ich mir gedacht, so viel älter bist du ja auch nicht. Ich habe schon vor einem Dreivierteljahr darüber zu reden begonnen, dass ich in Pension gehen werde. Das hat sich jetzt durchgesetzt. Mit Ende August gehe ich nun tatsächlich in Pension. Ich verlasse den Stephansdom, ich verlasse die Donaucity-Kirche und habe Zeit für mich und möchte jetzt einmal ein halbes Jahr eine Ruhe haben.

Was planen Sie in der Pension?

Ich möchte noch wissenschaftlich etwas arbeiten, etwas im Bereich der Homiletik publizieren. Aber dazu brauche ich den Kopf und den Schreibtisch frei. Wobei ich oft die Frage bekomme, du kannst noch „gräun“, warum gehst du in Pension? Ich sage, weil man sein ganzes Leben neu aufstellen muss. Wenn ich mit 75 Jahren in Pension gehe und meine Dienstwohnung verliere und umziehen muss und mir ein neues soziales Netz aufbauen muss, dann fällt mir das viel schwerer. Ich habe jetzt brav bis 68 gearbeitet. Aber irgendwann, denke ich mir, hast du auch das Recht, für dich da zu sein. Meinen vollen Terminkalender werde ich nicht vermissen. Was ich vermissen werde, ist meine Gemeinde in der Donaucity-Kirche. Da sind freundschaftliche Verhältnisse entstanden. Das hätte ich mir nicht gedacht, dass ich in eine Kirche in Transdanubien gehe, als Mödlinger. Aber in Transdanubien gibt es Menschen, die sehr lieb sind. Und die Donaucity-Kirche ist ein Juwel: Es ist eine moderne Kirche, architektonisch ein Raum, der einen umarmt. Es gibt Kirchen, da gehst du hinein und wirst auf die Knie gezwungen, und dann gibt es Kirchen, da gehst du hinein und du wirst umarmt. Und den Gottesdiensten im Stephansdom vorzustehen war schön. Das war so lieb, wie die Leute applaudiert haben. Das wird mir jetzt natürlich abgehen. Aber wie gesagt, schauen wir mal, vielleicht tauche ich wieder hier und da auf. Mein Nachfolger, Pater Günter Reitzi von den Dominikanern, übernimmt ab Anfang Juli im Stephansdom. Der hat einen Vorteil, der fällt dreimal um und ist im Stephansdom. Und er ist auch ein guter Prediger. Ich feiere meine Sonntagsmessen in der Donaucity-Kirche bis Ende August und Mitte bis Ende September bin ich in Kreta. Der Rest wird sich fügen.

Logo radio klassik Stephansdom.
Logo radio klassik Stephansdom. ©David Kassl

Interview auf radio klassik Stephansdom

30.07. 17.30 Uhr:. Perspektiven: Über gute und weniger gelungene Predigten. Ewald Huscava, der Domprediger von St. Stephan geht in Pension. Eine Sendung von Stefan Hauser und Cornelia Grotte. ▶ radioklassik.at

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Autor:
  • Cornelia Grotte
  • Stefan Hauser
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