„Eine Geburt ist ein Wunder“

Zu Gast in Österreichs größter Geburtsklinik
Exklusiv nur Online
  • Leben
Autor:
Geburt St. Josef Krankenhaus
In St. Josef liegt die Verantwortung während der Geburt bei den erfahrenen Hebammen. ©Alek Kawka
Geburtshilfe
Andreas Brandstetter, Leiter der Abteilung für Geburtshilfe und Gynäkologie und Birgit Krenauer, leitende Hebamme, freuen sich über jedes Baby, das in St. Josef geboren wird. ©Alek Kawka

„Das Glück eines Paares zu sehen, das gerade eben ein Kind auf die Welt gebracht hat, ist auch jedes Mal ein großer Glücksmoment für mich als Arzt“, sagt Primarius Dr. Andreas Brandstetter, Leiter der Abteilung für Gynäkologie und Geburtshilfe im St. Josef-Krankenhaus im 13. Wiener Gemeindebezirk.

Im Gespräch mit dem SONNTAG spricht Brandstetter über die natürliche Geburt, das Thema Wunschkaiserschnitt und darüber was passiert, wenn das Sicherheitsdenken in der Medizin an seine Grenzen kommt.

Mein Name ist Andreas Brandstetter. Ich bin Gynäkologe und Leiter der Geburtshilfe hier im St. Josef Krankenhaus Wien. Ich habe mit Geburten ganz unmittelbar zu tun und das auch schon seit vielen Jahren. Man könnte also annehmen, dass sich ein gewisser Gewöhnungseffekt eingeschlichen hat. Aber das ist überhaupt nicht so, im Gegenteil. Wenn ich das Glück eines jungen Paares sehe, das gerade eben ein Kind auf die Welt gebracht hat, dann ist das jedes Mal auch ein großer Glücksmoment für mich als Arzt.

Werbung

St. Josef ist die größte Geburtsklinik Österreichs und bekannt für sein Konzept ganz intensiv auf natürliche Geburten zu setzen?

Unsere Philosophie, was das Thema Geburt betrifft, ist: „Die Natur weiß, wie das geht.“ Und so ist es doch auch: Die Natur ermöglicht es Frauen von Grund auf, ein Kind zu bekommen. Und man muss sagen, eine Geburt ist auch ein echtes Wunder der Natur. Bei einer Spontangeburt gehen die allermeisten Frauen ohne Verletzungen aus dem Ereignis heraus.

Was ist Ihre Aufgabe als Arzt bei einer Geburt?

In St. Josef liegt die Verantwortung während der physiologischen Geburt bei unseren erfahrenen Hebammen. Ein Ärzteteam ist aber natürlich immer vor Ort und sofort zur Stelle, wenn es Komplikationen gibt – ein Gynäkologe, ein Anästhesist aber auch ein Kinderarzt. Und es gibt auch ganz klare Richtlinien, wann eine natürliche Geburt sozusagen beendet werden und ein Gynäkologe eingreifen muss. Aber wenn es keine Komplikationen gibt – und das ist in den allermeisten Fällen so – dann ist die Geburt die Arbeit der Hebamme. Und auch nach der Geburt übernimmt sie die Betreuung im Kreißzimmer. Kontrolliert, wie es der frischgebackenen Mama geht, achtet auf Blutungen und überwacht den Kreislauf, bis die Frau auf die Wochenbettstation kommt.

Hat sich Geburt in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten verändert? Oder anders gefragt: Worauf wird heute – vielleicht auch im Gegensatz zu früher – Wert gelegt??

Geburt wird heute ganzheitlicher gesehen als früher. Es geht um das Wohlergehen der Mutter und das des Kindes und zwar natürlich um das körperliche, aber auch um das seelische. Das bedeutet ganz konkret wir achten auf das Raumlicht, darauf, dass es möglichst leise ist. Wir haben auch bei der Renovierung des Spitals darauf geachtet, dass die Kreißzimmer möglichst wohnlich sind – das heißt auch etwa die Technik versteckt wird, so gut es geht.
Die vergangenen Jahre haben außerdem eine Menge neuer Erkenntnisse gebracht etwa was die Geburtspositionen betrifft. Früher haben die Frauen in der Käferposition entbunden, also auf dem Rücken liegend. Heute versuchen wir uns die Schwertkraft zu Nutze zu machen und die Frauen gebären im Sitzen, im Hocken, in Seitenlage oder im Vierfüßerstand.

Ich merke in meinem Berufsalltag auch immer mehr, wie sehr sich die Sicht auf das Geburtsereignis an sich verändert hat. Viele Frauen haben große Angst vor einer Spontangeburt, haben Angst vor den Schmerzen. Dabei haben wir gerade die heutzutage so gut im Griff. Da gibt es so viele Möglichkeiten, von einfachen Maßnahmen wie Massieren bis zu Medikamenten oder einem Kreuzstich.

Und es ist heute auch so oft der Anspruch an die Medizin:  Es darf nichts passieren, es muss immer alles gut gehen. Ich denke, daher kommt auch dieser Trend hin zum Wunschkaiserschnitt.

Wie beurteilen Sie als Arzt das Thema Kaiserschnitt?

Ein Kaiserschnitt wurde bis ins Mittelalter nur dann gemacht, wenn die Mutter im Sterben lag und man die Hoffnung hatte, auf diese Weise wenigstens das Baby zu retten bzw. weil man Mütter und Kinder nicht gemeinsam bestattet hat. Ein Kaiserschnitt war früher ganz oft das Todesurteil für eine Frau.
Heute ist es ein Routineeingriff und ich sage ganz klar: Niemand muss sich oder soll sich vor einem Kaiserschnitt fürchten. Erst recht, weil es ja Situationen gibt, wo er medizinisch einfach notwendig ist. Und es hat sich ja auch was die Operationstechnik betrifft viel getan. Mit den neuesten Techniken ist ein Kaiserschnitt wesentlich sanfter, heilt besser und dauert auch wirklich nur sehr kurz, etwa 20 Minuten, früher waren es 45.
Trotzdem sehen wir geplante Kaiserschnitte ohne medizinische Notwendigkeit, also Wunschkaiserschnitte, kritisch. Denn auch ein Routineeingriff ist ein Eingriff mit allen Risiken, die das nun mal mit sich bringt wie Wundheilungsstörungen oder Nachblutungen. Zudem ist die Narbe an der Gebärmutter ein Risiko für künftige Schwangerschaften.

Sie sagen, das Sicherheitsdenken in der Medizin, speziell aber bei einer Geburt ist heutzutage hoch? Wie kann man während einer Geburt die Sicherheit von Mutter und Baby gewährleisten?

Früher gab es nicht so viel. Ich erinnere mich noch an so Hörrohr, die die Hebammen den Gebärenden auf den Bauch gehalten und so die Herztöne des Kindes überprüft haben. Heute haben wir da ganz andere und wirklich viele gute Möglichkeiten. Etwa das CTG, das die Herztöne des Babys kontrolliert – vor der Geburt und vor allem während der Geburt. Zeigt das CTG Gefahrenmomente, machen wir eine MBU, eine Blutgasuntersuchung, die objektiv zeigt, ob das Baby, das gerade auf die Welt kommt, mit genügend Sauerstoff versorgt wird. Wenn wir da sehen, dass die Sauerstoffsättigung nicht passt, greifen wir sofort ein.

Sie haben hier in St. Josef seit fünf Jahren auch eine Neonatologie, eine Station für zu früh geborene Kinder.

Die Neonatologie ist für uns ein unheimlicher Gewinn, denn die Neonatologie schafft zusätzliche Sicherheit. Im Akutfall, wenn es einem Baby unerwartet nicht gut geht, kann das Team der Neonatologie mittels Notfallknopf alarmiert werden. Die Neonatologen sind auch dann zur Stelle, wenn es um die ganz kleinen Babys geht. Kinder ab der 28. Schwangerschaftswoche, das ist etwa 12 Wochen vor dem errechneten Geburtstermin, können mit ihrer Hilfe fachmedizinisch perfekt betreut werden. Und das ist so wichtig. Ein Baby, das signifikant zu früh auf die Welt kommt, ist nicht einfach nur kleiner. Es hat oft Probleme mit der Lunge, mit der Atmung, die Blutgefäße sind dünnwandiger, die Haut noch empfindlicher, die Babys sind ganz allgemein nicht so kräftig und vieles mehr.

In St. Josef schreckt man auch nicht davor zurück, schwierige Themen anzugehen. Stichwort perinatale Palliativbetreuung oder Stille Geburt. Wie gehen Sie als Arzt mit diesen schwierigen Themen um?

Grundsätzlich muss man sagen: Wir wollen auch Paaren und Frauen in schwierigen Situationen beistehen. Ich denke, das ist auch unsere Aufgabe als Ordenskrankenhaus. Und ich bin froh, dass wir das tun können.

Gerade eine stille Geburt, wenn man also weiß, dass ein Baby tot zur Welt kommen wird, ist für ein Elternpaar eine ganz furchtbare Situation. Und auch für uns hier in der Klinik ist es eine Ausnahmesituation. Aber dass wir Eltern in so schwierigen Situationen beistehen können, sie begleiten und nicht alleine lassen, darüber bin ich sehr froh.

 

 

Autor:
  • Portraitfoto von Andrea Harringer
    Andrea Harringer
Werbung

Neueste Beiträge

| Hirtenhund
Hirtenhund

Der Hirtenhund bellt diese Woche über das Maskottchen im Heiligen Jahr.

| Soziales
Eintauchen in die schönsten Geschichten

Warum man für das Vorlesen niemals zu alt ist.

| Weltkirche
Ihnen gesagt

Das Heilige Jahr wird am 24. Dezember zu Weihnachten eröffnet. Chefredakteurin Sophie Lauringer schreibt über die "Baustellenzäune" in Rom und das Maskottchen des Pilgerjahres.