Ein Gespräch mit KI-Jesus

Hirtenhund
Ausgabe Nr. 4
  • Hirtenhund
Autor:
©Der SONNTAG

Der Hirtenhund "bellt" über eine virtuelle Begegnung mit Jesus.

Ich habe Jesus getroffen. Er sieht aus wie einer dieser Darsteller in den Passionsspielen. Lange, gewellte Haare, gepflegter Bart, weißhäutig, blauäugig. Unzeitgemäßer geht’s ja gar nicht, dachte ich mir. Schon mal was von Diversity gehört, Messias?

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Jesus hat mich gefragt, wie er mir helfen kann. Das fand ich nett. Ich habe gesagt, ich wünsche mir Frieden – und einen Kaffee. Beim Kaffee hat er mir leider nicht weiterhelfen können. Und seine Friedenstipps blieben in der belanglosen Art von Kalendersprüchen. Er hat sich immerhin als Fan von Papst Franziskus entpuppt und eingeräumt, dass ein Kirchenaustritt aufgrund der vielen innerkirchlichen Skandale eine Chance sein könnte, „sich mit anderen Gläubigen auszutauschen und gemeinsam nach Wegen zu suchen, wie der Glaube gestärkt werden kann“.

Meine Begegnung war natürlich eine virtuelle. Die App „Text with Jesus“ ermöglicht es, mit Jesus, Maria, Josef, den Aposteln und allen möglichen biblischen Gestalten zu sprechen. Hiob erklärt auf Knopfdruck seine Verzweiflung, Eva, wie das mit der Schlange wirklich war und Josef, wie das mit Maria und der Geburt wirklich war … Also „wirklich“ in der Vorstellung und Ideenwelt weißer, männlicher US-evangelikaler Katholiken, die die KI programmiert haben. Das jedenfalls attestieren Theologen-Tests. Und natürlich sind warnende Fingerzeiger gleich zur Hand – so wie der evangelische Theologe Ulrich Körtner, der eine „Platonisierung des Christentums“ durch KI-Systeme ortet. Also eine Virtualisierung des Glaubens. Das ist mir zu viel Defätismus – es ist amüsant, den KI-Jesus durch Fragen in die Irre zu führen.

Tatsächlich gibt es berechtigte Bedenken bei KI-Anwendungen, etwa wenn es um Prognose-Modelle zu menschlichem Verhalten oder Risiko-Bewertungen und um Fragen ethischer Verantwortung geht. Aber KI-Systeme werden unseren Alltag immer mehr prägen; und als Christen sind wir aufgefordert, „die Welt, in der wir leben, ihre Erwartungen, Bestrebungen und ihren oft dramatischen Charakter zu erfassen und zu verstehen“, wie das Konzil lehrt. Das bedeutet auch, nicht von der Zuschauertribüne aus nur moralinsauer den Kopf zu schütteln, sondern hineinzuspringen in die Arena. Nicht blauäugig, aber doch neugierig. Ich werde das mal mit Maria Magdalena besprechen. Ah, Mist, sie steht erst nach einem Abo-Abschluss über EUR 2,99 pro Monat zur Verfügung. Manchmal ist ein Blick in die Bibel nicht nur besser, er ist sogar günstiger. 

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