Die heilige Monika und ihr Sohn Augustinus
Tränen einer MutterSie ist eine spannende Beziehung und wohl auch heute aktueller denn je: die Beziehung zwischen der hl. Monika und ihrem Sohn, dem wohl berühmtesten Kirchenvater des Abendlandes, dem hl. Augustinus. Wie der Sohn nach Irrwegen zum christlichen Glauben fand, welche Rolle seine Mutter dabei spielte, und wie der Glaube in schwierigen Zeiten trägt, das erläutert die Bochumer Theologie-Professorin Larissa Seelbach im Gespräch mit dem SONNTAG.
Was zeichnet die Beziehung zwischen Augustinus und seiner Mutter der heilige Monika aus?
In den „Confessiones“ beschreibt Augustin seine Mutter als permanent um ihn und sein Wohlergehen bemüht. Alles, was wir über Monika erfahren, entspricht Augustins Sicht und diese konzentriert sich in weiten Teilen auf ihre mütterliche Beziehung zu ihm. Die Quellenlage ist also sehr einseitig. Augustin, dessen Werke weltberühmt sind, gibt bis heute den Ton an und hat die Deutungshoheit inne, während Monikas eigene Einschätzung nirgends erhalten ist und hier nur gemutmaßt werden kann. Um eine unangemessene Idealisierung und Überzeichnung der Beziehung zwischen Augustin und seiner Mutter zu vermeiden, ist es wichtig zu erkennen, dass die Confessiones ein christlicher Protreptikos sind, d.h. eines biographischen Details bewusst einsetzende Werbeschrift, mit der der rhetorisch geschulte Augustin Monika als geistliches Vorbild im Glauben und als Verkörperung einer tugendhaften christlichen Frau inszenierte. Monikas strahlend illustrierte Persönlichkeit färbte auch auf ihren Sohn ab, der als einstiger Manichäer (der Manichäismus war eine Religion der Spätantike, Anm. d. Red.) nicht unumstritten gewesen sein dürfte. Monika tritt im Kontext von Augustins Glaubensbiographie und seiner theologischen Lehre in Erscheinung, so dass wir eine alles andere als an reinen Fakten orientierte Beschreibung über sie haben.
Wie verhielt sich Augustinus als Sohn der heilige Monika in jungen Jahren?
Geprägt war Augustin durch Monikas christliche Erziehung sowie durch die ehrgeizigen Pläne, die seine Eltern im Blick auf seine Ausbildung hatten. Augustin beschreibt seine Jugend als eine Zeit, in der er orientierungslos war, weil er seinen Halt nicht in Gott suchte (vgl conf. 2,18). Rückblickend erkennt der Bischof von Hippo seine eigene Motivation als Bemühung, sich und seinen Mitmenschen gefallen zu wollen. Nicht die Liebe zu Gott, sondern die Selbstliebe und die Anerkennung durch seine Altersgenossen waren in dieser Zeit ausschlaggebend. Hinzu kam die körperliche Entwicklung Augustins, die den Vater Patricius auf Enkel hoffen ließ und die Mutter mit Angst vor einer karriereschädlichen Verbindung erfüllte. Eskapaden wie der Diebstahl von Birnen dienen nicht der detailfreudigen Schilderung jugendlichen Leichtsinns, sondern als Grundlage zur theologischen Reflexion über die Sünde.
Wie ist überhaupt die heilige Monika als Mutter zu sehen?
Diese Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Jede Zeit, ja sogar jedes Individuum, hat ein eigenes Mutterbild, das dann noch von eigenen Erfahrungen, Wünschen, Projektionen etc. bestimmt wird. Hier ist also Vorsicht geboten. Mir erscheint es wichtig zu erwähnen, dass Monika neben Augustin noch weitere Kinder hatte, von denen wir wenig erfahren. Sicher ist, dass es den Sohn Navigius sowie mindestens eine Tochter gab. Die Qualität der Mutter-Sohn-Beziehung zwischen Augustin und Monika ist schwer vergleichbar mit der, die Monika zu ihren anderen Kindern hatte. Wir haben keine ausreichenden Informationen. Die Vermutung liegt jedoch nahe, dass die Intensität eine andere gewesen sein mochte. Dann nähme ein und dieselbe Mutter aus der jeweiligen Perspektive ihrer mindestens drei Kinder eine sehr unterschiedliche Gestalt an.
Es gibt das Wort, wonach ein Sohn so vieler Tränen nicht verloren geht… Was ist damit konkret gemeint?
Monika betete intensiv für Augustin und erfuhr in Träumen, dass ihr Einsatz vom Erfolg gekrönt sein würde. Damit nicht genug, suchte sie tatkräftig Priester und Bischöfe auf, die sie bat, Augustin, der Manichäer geworden war, wieder zu ihrem eigenen Glauben zurückzuführen. In einem solchen Gespräch machte sie ein Bischof – durchaus etwas genervt – darauf aufmerksam, dass ihr mütterlicher Einsatz einst zielführend sein werde, weil ein Sohn so vieler Tränen unmöglich verloren gehen könne (vgl. conf. 3,12,21). Augustin selbst erklärte später, dass er Heil und Rettung den ehrlichen Tränen seiner Mutter zu verdanken habe.
Wie fanden Augustinus und seine Mutter wieder zusammen?
Als Augustin sich den Manichäern anschloss, verwies Monika ihn des Hauses, hatte dann aber einen Traum, der sie darin bestärkte, dass Augustin letztendlich doch dorthin gelangen werde, wo sie in ihrem christlichen Glauben bereits stünde (vgl. conf. 3,19f.). Monika nahm ihn wieder auf. Mittels einer List gelang es Augustin, sich des mütterlichen Einflusses zu entziehen und allein nach Rom zu segeln. Als er später in Mailand lebte, folgte ihm Monika dorthin und beeindruckte Bischof Ambrosius, der Augustin zu solch einer Mutter beglückwünschte. Augustins Frühschriften zeigen Monika als einzige Frau inmitten eines philosophischen Gesprächskreises. Sie steht beispielhaft für den Weg zu Gott über den Glauben, wohingegen Augustinus selbst den mühsameren Weg über die Philosophie eingeschlagen hatte.
Waren Augustinus und seine Mutter Seelenverwandte oder eher Seelenfreunde?
Seelenverwandschaften bzw. Seelenfreundschaften lassen sich m. E. kaum aus der Außenperspektive adäquat erfassen. Augustin erklärte immerhin, dass, wenn die Seelen der Verstorbenen am Geschick der Lebenden, etwa in Träumen, Anteil nähmen, Monika davon zweifelsohne jede Nacht Gebrauch gemacht hätte, um mit ihm zusammen zu sein. Dies erweckt zumindest bei den Lesern und Leserinnen von Augustins Schriften den nachhaltigen Eindruck, dass eine enge seelische Bindung zwischen Mutter und Sohn bestanden haben muss.
Was können wir von dieser Beziehung zwischen Mutter und Sohn für heute lernen?
Beziehungen sind dynamische Prozesse, gehen mit Konflikten einher und gedeihen vor allem dort, wo beidseitige Wertschätzung und das Bemühen um das Beste füreinander vorherrschen. Menschen werden in solchen Beziehungen unweigerlich mit ihren eigenen Grenzen und Mängeln konfrontiert. Dann ist es gut, die eigenen Sorgen und Ängste Gott anzuvertrauen und aus der Gewissheit heraus zu leben, dass der Glaube auch in und durch schwierige Zeiten trägt.