„Der Hunger nach Stille ist groß“

Interview Pater Josef Maureder
Ausgabe Nr. 1
  • Spiritualität
Autor:
Pater Josef Maureder leitet seit 2015 den Bereich Spiritualität und Exerzitien im Kardinal König Haus in Wien.
Pater Josef Maureder leitet seit 2015 den Bereich Spiritualität und Exerzitien im Kardinal König Haus in Wien. ©Christian Ender

Wie gut uns Menschen die Stille tut – das weiß Jesuitenpater Josef Maureder nicht erst seit er im Kardinal König Haus in Wien das Angebot „Stille in Wien“ leitet.

Wir haben mit Pater Josef Maureder über den Wunsch vieler Leute nach Ruhe und das Angebot der "Sille in Wien" gesprochen. 

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Stille in Wien ein Rückzugsort in der Großstadt

„Der Hunger nach Stille ist groß“, werden Sie auf der Website des Kardinal König Hauses zitiert. Dieses bietet mit der „Stille in Wien“ einen Rückzugsort in der Mitte der Großstadt. Wie nehmen die Menschen Ihr Angebot an?

Pater Josef Maureder: In den Räumen von „Stille in Wien“ finden viele Veranstaltungen statt: Exerzitien, Vertiefung von Themen der Spiritualität und der Bibel, Aus- und Fortbildungen, Beten mit dem Leib, und natürlich à la carte das besondere Angebot zwischen den Kursen, die Rückzugsmöglichkeit und Besinnungszeit in den immer noch wie neu wirkenden Räumen von „Stille in Wien“. Dieses Angebot wird gut angenommen, ja es gibt Zeiten, wo die Plätze über Monate voraus ausgebucht sind. Offensichtlich lieben viele diesen geschützten Bereich „Stille in Wien“ im Kardinal König Haus, um in Gebet und Stille zu Gott und zur eigenen Mitte zu finden. Meist begleitet jemand vom Team diesen Weg, manchmal will eine Person aber auch nur in Stille und ganz für sich sein.

Vor allem die Advent- und Vorweihnachtszeit ist von einer besinnlichen Zeit zur beinahe stressigsten Zeit im Jahr geworden: Gibt es besonders in der Adventzeit viele Ruhebedürftige, die zu Kursen ins Kardinal König Haus kommen?

Gewöhnlich ist die Adventzeit und die Fastenzeit für Aufenthalte in „Stille in Wien“ besonders beliebt. Tage der Stille, Kurzexerzitien und ein individueller Aufenthalt in „Stille in Wien“ je nach den zeitlichen Möglichkeiten sind besonders gesucht. Bei diesen Kursen gibt es nur mehr wenige Plätze. Es kommen in der Vorweihnachtszeit auch viele zu Gesprächen und zur Geistlichen Begleitung zu uns.

Stille finden

Wir sind ständig auf Abruf, ständig erreichbar: Kann man verlernen in Stille zu sein?

Wie alles im Leben kann man auch das Stillsein verlernen beziehungsweise vor der Stille flüchten. Menschen werden dann ganz nervös, wenn es still wird, weil nicht bearbeitete Sorgen und Ängste auftauchen. Wer vor der Stille flieht, flieht vor sich selbst und vor den wichtigen Fragen des Lebens. Solche Menschen können auch den Zugang zu einer tieferen Wirklichkeit verlieren. Gott wird fremd. Stille ermöglicht es, dass Menschen wieder zu sich kommen und offen werden für das Geheimnis des Lebens.

Bieten Sie in der Adventzeit spezielle Kurse? Welche?

In der Adventzeit haben wir heuer zwei Kurse mit „Tagen der Stille“ jeweils über ein Wochenende. Zudem einen Exerzitienkurs, Abende zum „Beten mit dem Leib“, ein Wochenende zum Ikonenmalen und zweimal die Möglichkeit über insgesamt 11 Tage für einen besinnlichen Aufenthalt à la carte in „Stille in Wien“ mit Begleitung.

Zum ersten Mal in der Stille in Wien

Wie geht es den meisten Leuten, die zum ersten Mal zu Ihnen in die „Stille in Wien“ kommen? Fällt es ihnen leicht, vom stressigen Alltag zur Ruhe zu kommen?

Sehr viele sagen, dass sie froh sind, „endlich hier zu sein“. Sie staunen über die schönen Räume, die sogleich zur Sammlung und zum Durchatmen einladen. Normalerweise kommen auch jene, die zum ersten Mal zu uns kommen, innerhalb der ersten zwei, drei Tage zur inneren Ruhe. Bei Entscheidungs- und Krisensituationen kann dies natürlich länger dauern.

Was sind die größten Herausforderungen, wenn man vom Alltag zur Stille kommt?

Für die ganze Zeit das Handy auszuschalten und in den Kasten zu legen, das fällt vielen schwer in unserer Zeit. Und einfach nur da zu sein, ohne auch die Stille schon wieder mit geistlichem Tun oder innerem Planen zu füllen, das ist auch herausfordernd für viele Menschen.

Mental Load bleibt oft an den Frauen hängen

Vor allem Frauen tragen oft den „Mental Load“ in der Familie – das heißt, sie denken daran, was eingekauft gehört, welche Termine in nächster Zeit für wen in der Familie anstehen und ob noch Geschenke oder ein Weihnachtsbaum besorgt gehören. Wie kann man das Sich-Gedanken-Machen und diese Aufmerksamkeit etwas abgeben, wenn andere in der Familie diese Achtsamkeit für diese Dinge nicht besitzen?

Wenn andere diese Achtsamkeit nicht besitzen, dann wäre offen in der Familie zu besprechen, wer etwas und in welcher Form zum Fest beiträgt. Denn sonst bleibt die Arbeit bei Frauen oder in geistlichen Gemeinschaften bei denen hängen, die ein Gespür für die wichtigen „kleinen Dinge“ haben und auch zupacken. Eine offene Besprechung kann klären und helfen, die lange „To-do-Liste“ im Kopf deutlich zu verkürzen. Wenn man sich Anstehendes aufschreibt, dann kann man auch Dinge ablegen und zu gegebener Zeit zu ihnen ohne Gedächtnisstress zurückkehren. Es gibt natürlich auch Gebetsmethoden, die helfen, in Sammlung zu bleiben und nicht ständig in Gedanken davonzulaufen.

Wie kann man sich im stressigen Alltag vor Weihnachten doch Zeit zur Besinnung nehmen und den Advent auch nutzen, um sich auf sich und auf das Weihnachtsfest, die Geburt Jesu, zu besinnen?

Da braucht es viel Realismus. Immer ist es besser, sich kurze und regelmäßige Zeiten zu nehmen als längere, die kaum oder ganz selten stattfinden. Am besten ist ein gewisser Ritus: So könnte man einmal am Tag die Kerzen am Adventkranz anzünden und dabei 10 Minuten verweilen, mit Gott da sein oder ein passendes Gebet sprechen. Am Abend, wenn es ruhig wird und rechtzeitig bevor die Augen zu schwer werden, ist es auch sinnvoll, auf den Tag zurückzuschauen, Dank zu sagen oder um ein offenes Herz für den kommenden Erlöser zu bitten. Sehr hilfreich ist in stressigen Zeiten das Beten mit dem Leib. Deshalb haben wir gerade in der Adventzeit dieses Angebot aufbauend an vier Abenden in den Räumen von „Stille in Wien“.

Pater Josef Maureder leitet seit 2015 den Bereich Spiritualität und Exerzitien im Kardinal König Haus in Wien.

Zur Person: Pater Josef Maureder

Pater Josef Maureder ist 1961 in Niederwaldkirchen (Oberösterreich) geboren und 1979 in die österreichische Provinz der Jesuiten eingetreten. Er hat in München (Philosophie), Frankfurt (Theologie) und Rom (Psychologie) studiert und wurde 1988 in Wien zum Priester geweiht. Seit 2015 arbeitet er als Leiter des Bereichs Spiritualität und Exerzitien im Kardinal König Haus in Wien.

Autor:
  • Portraitfoto von Andrea Harringer
    Andrea Harringer
  • Cornelia Grotte
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