Ostern in schwierigen Zeiten

Kardinal Schönborn im Ostergespräch
Ausgabe Nr. 13
  • Wien und Niederösterreich
Autor:
„Wir brauchen dringend Hoffnung.“ ©Stephan Schönlaub / Erzdiözese Wien

Ostern ist das große Fest der Zuversicht. Der SONNTAG hat mit dem Wiener Erzbischof darüber gesprochen, warum wir an die Auferstehung glauben – auch in diesem Jahr voller Herausforderungen.

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Herr Kardinal, wie haben Sie die Fastenzeit verbracht?

Ich habe die Fastenzeit leider nicht nur in Gesundheit verbracht, aber das passt ja vielleicht zur Fastenzeit, dass Gesundheit nicht selbstverständlich ist. Die Einschränkungen, die ich mir vorgenommen habe, sind mir nicht unbedingt gelungen, aber die Fasten, die einem auferlegt werden, sind nach geistlicher Tradition die besseren Fasten. Denn was du dir selbst vornimmst, ist immer noch dein eigener Wille. Das Fasten, das dir durch die äußeren Umstände abverlangt wird wie Sorgen und Belastungen, ist mehr Opfer. Das anzunehmen, ist manchmal besser, als das, das man sich ausgesucht hat. 

„Ich hoffe, dass die Aufmerksamkeit für die anderen nicht zu kurz gekommen ist.“ 


ÜBER DAS FASTEN

Und schließlich: Das Fasten, das die Bibel uns auferlegt, ist die Aufmerksamkeit für die anderen. „Das ist das Fasten, das ich liebe“, heißt es beim Propheten Jesaja. Ich hoffe, dass die Aufmerksamkeit für die anderen nicht zu kurz gekommen ist. 

Vor dem Ostersonntag ist der Karfreitag. Welche Gedanken haben Sie in diesem Jahr?

Der Karfreitag 2024 steht unter besonders schmerzlichen Vorzeichen. Die Bilder und die Realität aus der Ukraine, aus Gaza, aus Bergkarabach und vielen anderen Krisenorten berichten nicht nur von kriegerischen Ereignissen, sondern von unendlich schweren Schicksalen von einzelnen Menschen. Das Kreuz ist aufgerichtet im Leben vieler Menschen. Ich habe dieser Tage ein Foto gesehen von einem riesigen Gräberfeld für Kriegstote in der Ukraine. Neben diesem riesigen Feld ist schon ein Feld bloßgelegt, um Platz zu machen für die nächsten Gräber. Es ist erschütternd und man kann nur inständig hoffen und beten, dass es für diese leidgeplagten Menschen bald Ostern wird und mit dem Frieden eine Ende der Gewalt. 

Als Christ glaubt man an die Auferstehung, was sagen Sie Menschen, die daran Zweifel haben?

Die Auferstehung ist mehr als nur der Glaube an das Ewige Leben. Ich glaube schon, dass die Mehrheit der Menschen an irgendeine Form des Lebens nach dem Tod glaubt. Der Glaube an die Auferstehung des Fleisches ist ja eine Provokation. Was soll ich mit einem Leib im Ewigen Leben? Warum glauben an eine Auferstehung des ganzen Menschen? Aber für die Christen ist der Glaube an die Auferstehung so ernst und entscheidend, dass Paulus sagen kann: „Wenn es keine Auferstehung gibt, ist unser Glaube leer.“ Das Leugnen der Auferstehung ist mit dem christlichen Glauben unvereinbar.

„Das Leugnen der Auferstehung ist mit dem christlichen Glauben unvereinbar!“


ÜBER DIE AUFERSTEHUNG

Frieden erscheint im Heiligen Land unerreichbar – in früheren Zeiten und jetzt auch. Welche Hoffnung dürfen wir haben?

Ich verteidige Papst Franziskus. Man kann diskutieren, ob seine Formulierung von der „weißen Fahne“ gelungen war. Aber eines ist sicher: Wenn nicht angefangen wird, zu verhandeln, dann geht das Massaker weiter. Und diesen Schritt können nur die politisch Verantwortlichen beginnen. Im Ukrainekrieg wird es Verhandlungen geben müssen – keine Seite wird 100 Prozent erreichen. Ich lasse mir gerne sagen, dass das Defätismus ist, aber ein weiteres Jahr dieses Krieges mit zigtausend Toten und Zerstörungen ist keine Option. Verhandeln ist für mich daher kein Zeichen von Schwäche. Ja, man kann es auch anders sehen: Bis zum Letzten wird gekämpft. Aber der Papst hat aus reinem Gewissen gesagt: „Bitte verhandeln!“ 

Junge Menschen werden auch Versäumnisse der vergangenen Jahrzehnte aufarbeiten müssen und lernen müssen, damit umzugehen. Das sind vor allem die Herausforderungen im Klimaschutz. Was raten Sie der nächsten Generation?

Ich habe vor allem ein ganz großes Vertrauen, weil es in jeder Generation riesige Herausforderungen gegeben hat. Ich denke an meine Großeltern, sie alle sind vor dem Ersten Weltkrieg geboren und haben eine ganz andere Zeit erlebt. Meine Urgroßeltern haben in der Illusion gelebt, dass das Leben in der österreichisch-ungarischen Monarchie in einem relativen Wohlstand so weitergehen wird. Die Generation meiner Urgroßeltern hat die Voraussetzungen für den Ersten Weltkrieg geschaffen. Meine Großeltern mussten das ausbaden. Sie haben alles verloren, aber sie haben nicht aufgegeben. Sie haben sich diesen Herausforderungen gestellt und ich bewundere ihre Energie. Ich sehe es bei meinen Eltern, die den Zweiten Weltkrieg erlebt haben, die Vertreibung aus der Heimat und den Verlust von allem und wie sie damit umgegangen sind. 

„Die junge Generation wird die Herausforderung bewältigen.“


ÜBER DIE KLIMAKRISE

Ich habe also ein tiefes Vertrauen, dass die junge Generation das bewältigen wird. Aber es wird Opfer kosten. Unsere Generation hat das angerichtet, gar nicht in böser Absicht. Wer hat in meiner Generation, als die Motorisierung mit den Autos und die Atomkraft gekommen sind daran gedacht, welche Konsequenzen das haben wird? Man hat im neuen Wohlstand geschwelgt, man konnte in die ganze Welt fliegen. Aber in der Welt, in der wir jetzt leben, haben wir jeden Tag 200.000 Flugzeuge in der Luft und verbrauchen jeden Tag 97 Millionen Fass Erdöl – ein Fass sind rund 159 Liter (!). Ich bin fast 80 Jahre alt, ich werde das nicht sehr lange spüren. Die junge Generation wird es lange spüren. Aber sie wird mit der Herausforderung leben, ich bin zuversichtlich. Warum sollten die jungen Menschen es nicht schaffen?

2025 ist innerkirchlich das Jahr der Synode, im Oktober ist das zweite große Treffen in Rom. Für Außenstehende und Nicht-Vatikanisti sind die verschiedenen Abläufe schwer zu überblicken. Wie ist Ihre Einschätzung?

Was Situationen verändert, sind nicht Einzelentscheidungen, sondern ein Kulturwandel. Ich glaube, in dem ganzen Prozess geht es um einen Kulturwandel, in dem das Aufeinanderhören ein wesentliches Element ist. Die erste Etappe ist, schweigend zuzuhören, die anderen reden zu lassen. Der zweite Schritt ist ein echtes Echo auf das Gehörte: Was hat das, was du gesagt hast, in mir bewirkt? Das heißt, in einen Dialog einzutreten. Es geht um einen Kulturwandel in der Kirche, in unseren Pfarrgemeinden, in unseren Diözesen.

Welchen Kulturwandel wünschen Sie sich konkret?

Dass man aufeinander hört. „Herr, zeige du uns deine Wege.“ Wenn wir uns einig sind. Wir beten: „Dein Wille geschehe, dein Reich komme“. Finden wir gemeinsam heraus, was der Wille Gottes ist. Wenn es nur darum geht, wer der Stärkere ist, dann sind wir ein schlechter Verein.

Woher kommt die Angst vor Veränderungen?

Man kann es auch als Nachdenklichkeit interpretieren. Nur weil die gesamte Gesellschaft sagt, es muss in diese Richtung gehen, ist das schon der Wille Gottes? 

„Wir brauchen dringend Hoffnung.“


ÜBER OSTERN

Was wünschen Sie sich und den Menschen zu Ostern?

Für mich ist Ostern das große Fest der Zuversicht. Ostern ist das Fest der Hoffnung. In diesen Tagen brauchen wir dringend die Hoffnung für uns und die vielen Menschen, die in Sorge, unter Kriegsgewalt, in existenziellen Nöten sind. „Auferstehen“ ist das Wort der Hoffnung und der Zuversicht. Die Verluste, die wir erleben, sind nicht das Ende. Ich wünsche von Herzen allen diese Freude zu Ostern!

Wie werden Sie Ostern feiern?

Ich freue mich auf die großen Feiern im Dom. Was kann ich mir Schöneres wünschen, als im Stephansdom Ostern zu feiern. 

Schlagwörter
Autor:
  • Sophie Lauringer, Miriam Pühringer und Paul Wuthe
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