Dankbarkeit verändert das Leben

Quelle alles Guten
Ausgabe Nr. 5
  • Spiritualität
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Ein Gradmesser der Dankbarkeit: Ist das Glas nur halbleer oder schon halbvoll? ©I-Stock-1251168496.jpg
Jesuit Josef Mauereder über die Dankbarkeit
P. Josef Maureder SJ leitet den Bereich Spiritualität im Wiener Kardinal König Haus. ©Kardinal König Haus

Dankbarkeit und nicht maßloses Anspruchsdenken ist gleichsam der Kitt, der eine Gesellschaft zusammenhält. Im Gespräch mit dem SONNTAG erläutert Jesuitenpater Josef Maureder die Haltung der Dankbarkeit, die zu einem gelingenden Leben beiträgt.

Dankbarkeit ist die Quelle alles Guten. Das hat Ignatius von Loyola, der Gründer des Jesuitenordens, schon im 16. Jahrhundert gewusst. Damals gab es Kriege, die Pest und andere Epidemien. 500 Jahre später leben wir in Mitteleuropa so bequem und rundum gut versorgt wie noch nie zuvor. Aber dankbar sind wir nicht, sondern wir kritisieren, beschweren uns und raunzen. Nach einer Erklärung dafür fragt der SONNTAG P. Josef Maureder SJ. Seit 2015 arbeitet er als Leiter des Bereichs Spiritualität und Exerzitien im Kardinal König Haus in Wien. „Wir haben es verlernt, an die Quelle zu denken, wenn wir Wasser trinken. Wir nehmen so vieles als selbstverständlich hin“, meint der Jesuit, „das führt dazu, dass wir glauben, wir hätten einen Anspruch auf viele Dinge. Wir vergessen, dass nichts selbstverständlich ist, was wir erleben, was wir haben, was wir von anderen bekommen“.

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Was meint eigentlich „Dankbarkeit“?

P. JOSEF MAUREDER SJ: Die Haltung der Dankbarkeit meint, dass ich für Dinge, Erfahrungen, Menschen, die in meiner Umgebung leben, die mir als Freunde an die Seite gegeben sind, zuinnerst mit meinem ganzen Wesen sage: Es ist schön, dass es dich gibt. Ich freue mich darüber. Wenn ich mich über etwas freue, dann kommt auch diese Dankbarkeit. Also Ja zu sagen zu den Dingen, zu den Ereignissen, zu den Menschen, die mir geschenkt sind. Dieses Ja erzeugt diese Haltung der Freude und da schimmert immer die Dankbarkeit durch. Im Grunde ist es eine Haltung, das Leben zu begrüßen, zu bejahen, dem Leben das Positive abzugewinnen und nicht zuerst das Negative im Blick zu haben. Wir sehen leider immer zuerst das Haar in der Suppe.

„Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen Dankbarkeit und Liebe.“

Josef Maureder

Wie kann diese Haltung der Dankbarkeit unser Leben und unser Umfeld verändern?

Dass wir einfach einen anderen Blick bekommen für die Dinge. Ich bringe gerne dieses Beispiel vom Glas, das zur Hälfte mit Wasser gefüllt ist. Die einen schauen hin und sagen: Es ist halbleer. Die anderen schauen hin und sagen: Es ist halbvoll. Dieser Unterschied ist entscheidend für das ganze Leben und die Lebensgestaltung. Es geht um einen neuen Blick für die Realität, in der wir stehen, um zu erahnen, dass nichts selbstverständlich ist. Es wird unglaublich viel Gutes getan in unserer Gesellschaft. Ich sehe so viel Positives, so viel Selbstlosigkeit, so viel Achtsamkeit. Das gilt es zu sehen und auch wertzuschätzen, anstatt immer nur zu sehen, dass Menschen auch Fehler machen und etwas schiefgeht.

Kann Dankbarkeit ein Weg zum Glück, zur Zufriedenheit sein?

Es ist nicht entscheidend, wo ein Mensch steht und ob er reich oder arm ist. Wenn er dankbar ist, dann ist er in einer inneren Situation, in der Leben gelingt. Ich kenne Menschen, die haben ein ganz schweres Leben, aber sie haben einen Menschen, den sie wirklich lieben und von dem sie sich auch geliebt fühlen. Und dafür sind sie dankbar. Es ist ein gelungenes Leben. Und es gibt andere, denen alles glückt, aber sie haben diesen Menschen nicht. Es hat sich nicht eine wirkliche Dankbarkeit entwickelt für das, was auch in ihrem Leben gelungen ist. Da bin ich mir nicht sicher, ob sie wirklich glücklich sind. Sie sagen auch oft, dass sie es nicht sind, dass ihnen etwas fehlt. Dankbarkeit und Glück hängen sehr eng zusammen. Ich würde so sagen: Wer dankbar ist, ist auch glücklich. Es gibt Menschen, die haben viel Glück im Leben, sind aber nicht dankbar. Und es ist kein gelungenes Leben. Dankbarkeit ist ein Grundbaustein eines gelingenden, glücklichen Lebens.

Wie wir jetzt herausgehört haben, ist auch die Liebe ein solcher Baustein ...

Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen Dankbarkeit und Liebe. Wenn ein Mensch etwa einem anderen Menschen dankbar ist, dann ist er irgendwie bereit, auch zu geben. Dann kommt er aus einem Anspruchsdenken heraus und spürt, wie jemand etwas mit Achtsamkeit tut, mit Liebe, und er ist dankbar dafür. Dann gibt er auch zurück. Diese liebende Achtsamkeit ist wie eine Antwort, die aus der Dankbarkeit kommt. Wenn ich erlebe, dass ich beschenkt bin, dann entwickelt sich diese Haltung der Dankbarkeit. Manche sagen auch: dieses Empfinden oder auch ein dankbares Gefühl. Das ist eine große Hilfe, um auch wieder zu geben. Mit dem Wissen: Ich bin geliebt, ich bin geschaffen. Was nicht selbstverständlich ist. Ich bin beschenkt mit vielen Dingen. Und so entsteht in mir eine Haltung der Dankbarkeit. Und aus dieser Haltung kann ich zurückgeben, zurücklieben. Und das prägt auch eine Gesellschaft. Wir sind eine liebende oder eine hasserfüllte und gespaltene Gesellschaft. Das ist der Unterschied.

Welche Rolle spielt die Dankbarkeit in der Bibel?

Im Alten wie im Neuen Testament kommt sie teils direkt und teils indirekt vor. Im Alten Testament wird einerseits, wenn Menschen Gott loben und preisen, nicht gesagt: Ich danke dir, Herr, sondern einfach: Ich lobe und preise dich. Oder: Der Herr ist wunderbar, also in einer indirekten Weise. In den Psalmen wird oft direkt gedankt: Danket dem Herrn, denn er ist gütig. Oder: Ich danke dem Herrn von ganzem Herzen und erzähle alle deine Wunder. Im Psalm 139 heißt es jetzt in der neuen Übersetzung: Ich danke dir, dass ich so staunenswert und wunderbar gestaltet bin.

Lebt Jesus in der Haltung der Dankbarkeit?

Jesus wendet sich, wenn er betet, an den Vater und es gibt ganz deutliche Aussagen, wo er dem Vater dankt. Zum Beispiel bei der Auferweckung des Lazarus. Er hatte eine Liebe zu diesem Freund, und der ist jetzt tot. Jesus möchte, dass er wieder lebt und er wendet sich an seinen Vater und sagt im Gebet, wie es jedenfalls von Johannes geschildert wird: Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast. Diese Haltung steht über seinem Leben. Dieses Gefühl der Dankbarkeit, dass der Vater ihn im Blick hat, dass der Vater ihn hört und erhört.

„Der dankbare Samariter hat den Heiland, das Heil gefunden.“

Josef Maureder

Welche Rolle spielt die Dankbarkeit bei Paulus?

Bei Paulus kommt immer wieder dieses Wort vor: Seid dankbar. Oder der Hinweis: Dankt dem Herrn. Oder der Zusammenhang zwischen Dankbarkeit des Herzens und Gebet. Das ist sehr auffällig. Betet allezeit und dankt dem Herrn. Ein dankbares Herz ist offensichtlich eine gute Voraussetzung für das Gebet. Wie bei Menschen, die einander lieben: Die sind einander dankbar, die haben den anderen im Blick. Augustinus sagt es so: Die Dankbarkeit ist das immerwährende Gebet des Herzens.

In der biblischen Erzählung von den Aussätzigen dankt nur einer der zehn Geheilten Jesus ... 

Ja, nur der eine kehrt zu Jesus zurück und dankt ihm. Jesus fragt diesen dankbaren Samariter: Wo sind die neun anderen? Bei dieser Frage schwingt etwas Traurigkeit mit bei Jesus, weil er sagt: Schade, sie sind nicht durchgereift durch diese Tat Gottes an ihnen, dass sie wieder ganz in der Gesellschaft mitleben können, wieder gesund sind. Sie sind nicht durchgereift zu dieser Dankbarkeit. Aber du bist durchgereift. Dann sagt Jesus diese wunderbaren Worte zu ihm: Steh auf und geh. Dein Glaube hat dich gerettet.

Was ist das Neue an dieser Erzählung?

Die anderen neun sind gesund geworden. Dieser dankbare Samariter ist auch heil geworden. Er hat zur Quelle zurückgefunden, diese Heilung verändert sein ganzes Leben. Er hat erfahren, dass es den Heiland, dass es ein Heil gibt, er ist heiler geworden. Darum sagt Jesus zu ihm: Steh auf. Das heißt: Steh wieder ganz auf deinen Füßen, so wie Gott dich geschaffen hat. Du darfst deinen Weg gehen und kannst ihn jetzt auch gehen, weil du heil bist, weil deine Lebensorientierung wieder stimmt. Die Haltung der Dankbarkeit schafft eine ganz neue Lebensorientierung, die mit dem Heilsein vor Gott zu tun hat. Das ist auch etwas, das ich immer wieder erbitte für unsere Gesellschaft, auch für die Kirche. Wir haben alle unsere Grenzen, Fehler und Schwächen. Da ist meine Bitte, dass wir immer heiler werden. Das hat sehr viel mit Dankbarkeit zu tun.

Autor:
  • Stefan Kronthaler
  • Monika Fischer
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