Sei ein Freund des Gebetes
SommerbriefAus seinem „Brief über die Nachfolge Christi“:
Gib dir auch Mühe, ein Freund des Gebetes zu sein.
Denn das Gebet macht dich demütig, geduldig und gehorsam. Das Gebet vermittelt dir alles Gute, ja das Gebet führt dazu, Gott zu besitzen in diesem und im ewigen Leben. So sagt auch der heilige Franziskus, dass wohl kaum einer im Dienste Gottes Fortschritte machen könne, er sei denn ein Freund des Gebetes.
Lieber Bruder, wenn du beten willst, ist es nötig, dass du schweigst. Aber wenn du schweigen willst, musst du die Einsamkeit suchen. In den Lebensbeschreibungen der Väter kann man von jemandem lesen, der im Sterben lag und den einige Mönche baten, er möchte ihnen ein Wort des Heils sagen. Und er sagte: „Brüder, ich kenne nichts Besseres als Schweigen.“
Darum, lieber Bruder, lass im Bemühen nicht nach, in der Zeit der Arbeit nach Kräften zu schaffen – aber unter Schweigen. Nach vollendeter Arbeit suche sogleich die Einsamkeit auf und nimm dich in Acht, in der Einsamkeit müßig zu sein. Denn Nichtstun in der Einsamkeit ist äußerst gefährlich.
Es fragte jemand einen heiligmäßigen Vater, wie er Gott und den Menschen gefallen könne. Dieser antwortete: Rede wenig und arbeite viel. In den Lebensbeschreibungen der Väter findet sich, dass der Altvater Arsenius, als er noch in einem herrschaftlichen Haus lebte, zum Herrn betete: Herr, führe mich den Weg des Heils.
Er hörte eine Stimme, die sagte: Arsenius, flieh die Menschen und du wirst das Heil finden. Als er daraufhin das Mönchsleben eingeschlagen hatte, betete er aufs Neue: Herr, führe mich den Weg des Heils. Und er hörte eine Stimme: Arsenius, flieh, schweige und bleibe in Ruhe und Frieden. Das sind nämlich die Prinzipien dafür, die Sünde meiden zu können, das sind die Grundsätze, das Heil zu finden.
Wenn du das beachtest, lieber Bruder, so zweifle ich nicht daran, dass du in kurzer Zeit große Vollkommenheit erreichst. Statt dass ich selber zugegen sein kann, nimm diese meine Worte dafür. Lies sie häufig, und wenn du sie liest, denk daran, dass ich mit dir rede und ich dir diese Worte sage.
Quelle: Gisbert Greshake/Josef Weismayer, Quellen geistlichen Lebens, Band II, Das Mittelalter