Liebe in der Bibel

„Stark wie der Tod ist die Liebe“
Ausgabe Nr. 36
  • Theologie
Autor:
Hohelied: „Süßer als Wein ist deine Liebe“. ©Irene Maria Unger

Selbst in einer patriarchalischen Gesellschaft wie der Welt der Bibel blitzt immer wieder auch der Aspekt der gegenseitigen Liebe und Zuneigung zwischen Mann und Frau auf. Die Geschichten berühren, obwohl sie keine Liebesromane sind. Liebeslyrik pur bietet allerdings das „Hohelied“. Eine Spurensuche im Vorfeld des „Bibelpfads“ am 29. September in Wien.

Die Bibel und die Sexualität sind, frei nach Arthur Schnitzler, „ein weites Land“. Dazu findet sich in der Heiligen Schrift fast jede Variante. Dabei muss es nicht immer gleich und sofort das Feuer oder die Leidenschaft des so poetischen „Hoheliedes“ sein. Und es gibt auch die dunkle Seite der Sexualität, wo von „Liebe“ wirklich keine Spur ist. Etwa der Bereich „Sexualität und Gewalt“, wo Amnon seine Schwester Tamar vergewaltigt (2 Samuel, Kapitel 13) oder die Erzählung von Simson und Delila (Richter, Kapitel 14–16), die von einem sexuell aktiven Mann namens Simson handelt, der als Frauenliebhaber letztlich der Frau Delila (sexuell) völlig ausgeliefert ist. Jonatan wiederum schloss mit David einen Bund, „weil er ihn wie sein eigenes Leben liebte“ (1 Samuel, Kapitel 18, Vers 3). Vieldeutig ist die Totenklage von David über den im Kampf gefallenen Jonatan: „Du warst mir sehr lieb. Wunderbarer war deine Liebe für mich als die Liebe der Frauen“ (2 Samuel, Kapitel 1, Vers 26). Wie eine Liebe zwischen Frauen bis über den Tod hinaus aussehen kann, schildert das Buch Rut. Rut sagt zu ihrer Schwiegermutter Noomi: „Dränge mich nicht, dich zu verlassen und umzukehren! Wohin du gehst, dahin gehe auch ich, und wo du bleibst, da bleibe auch ich. ... Wo du stirbst, da sterbe auch ich, da will ich begraben sein. Der HERR soll mir dies und das antun – nur der Tod wird mich von dir scheiden.“ (Rut, Kapitel 1, Verse 16–17). Nur einmal erzählt die Bibel ausdrücklich, dass eine Frau, Michal, ihren Mann, David, „liebt“ (1 Samuel, Kapitel 18). Auch wenn die Welt des Alten Orients dem bürgerlichen Liebesideal der Romantik des 19. Jahrhunderts nicht nahekommt und die  Vielehe (ein Mann konnte mehrere Frauen „haben“) nicht dem katholisch-sakramentalen Verständnis der Ehe zwischen Mann und Frau entspricht, findet sich auch dies in der Bibel: Ein solches „Ich hab dich lieb“ ist oft schon die Basis für eine gelingende Beziehung. Davon erzählen die folgenden Streiflichter.

Werbung

Die Brautwerbung an den Brunnen

Sowohl für Abrahams Sohn Isaak (Genesis, Kapitel 24) als auch für dessen Sohn Jakob (Genesis, Kapitel 29) werden in der alten Heimat Mesopotamien ihre künftigen Frauen gesucht. Dabei wird hier „Liebe“ ausdrücklich genannt. Abraham schickte seinen Knecht, an einem Brunnen traf der Knecht auf Rebekka. Nachdem der Knecht den Verwandten im Haus sein Anliegen erläutert hatte, riefen die Verwandten Rebekka und fragten sie: „Willst du mit diesem Mann ziehen? Ja, antwortete sie. Da ließen sie ihre Schwester Rebekka und ihre Amme mit dem Knecht Abrahams und seinen Leuten ziehen.“ Zu Hause in Kanaan angekommen, heißt es dann: „Isaak ging hinaus, um sich beim Anbruch des Abends auf dem Feld zu beschäftigen. Er erhob seine Augen und schaute hin, siehe, da kamen Kamele daher.

Die Augen Leas waren matt, Rahel aber war von schöner Gestalt ...

Genesis, kapitel 29

Auch Rebekka erhob ihre Augen und sah Isaak. Sie ließ sich vom Kamel herunter und fragte den Knecht: Wer ist der Mann dort, der uns auf dem Feld entgegenkommt? Der Knecht erwiderte: Das ist mein Herr. Da nahm sie den Schleier und verhüllte sich. Der Knecht erzählte Isaak alles, was er ausgerichtet hatte. Isaak führte Rebekka in das Zelt seiner Mutter Sara. Er nahm sie zu sich und sie wurde seine Frau. Isaak gewann sie lieb und tröstete sich so über den Verlust seiner Mutter.“

Kinder-Wettstreit zwischen Lea und Rahel

Und auch Jakob, einer der Söhne des Isaak und der Rebekka, warb dann später laut dem Buch Genesis persönlich an einem Brunnen in der alten Heimat um seine zukünftige Frau. Und kehrte schließlich gleich mit zwei Frauen und einer großen Kinderschar nach Kanaan zurück. In Mesopotamien angekommen, tränkte Jakob an einem Brunnen hilfsbereit die Schafe und Ziegen, die Rahels Vater Laban gehörten. „Dann küsste Jakob Rahel, erhob seine Stimme und weinte. Jakob eröffnete Rahel, dass er ein Bruder ihres Vaters und der Sohn Rebekkas sei.“ Und es heißt weiter: „Laban hatte zwei Töchter; die ältere hieß Lea, die jüngere Rahel. Die Augen Leas waren matt, Rahel aber war von schöner Gestalt und von schönem Aussehen. Jakob hatte Rahel lieb und so sagte er: Ich will dir um die jüngere Tochter Rahel sieben Jahre dienen.“ Jakob diente also um Rahel sieben Jahre. „Weil er sie liebte, kamen sie ihm wie wenige Tage vor“, heißt es. Aber Jakob wird betrogen: Am Abend nahm Laban aber seine Tochter Lea, führte sie zu ihm und Jakob kam zu ihr. „Am Morgen aber, siehe, da war es Lea. Jakob sagte zu Laban: Was hast du mir angetan? Habe ich dir denn nicht um Rahel gedient? Warum hast du mich betrogen?“ Für weitere sieben Jahre bekam er dann endlich auch Rahel zur Frau. „Jakob kam auch zu Rahel und er liebte Rahel mehr als Lea.“ Den nun folgenden Gebär-Wettstreit der beiden Frauen des Jakob um die Gunst und Zuneigung des Mannes kann Lea vorläufig für sich entscheiden.

Denn es heißt: „Als der HERR sah, dass Lea zurückgesetzt wurde, öffnete er ihren Mutterschoß, Rahel aber blieb unfruchtbar.“ Nach der Geburt des Sohnes Ruben sagte Lea: „Ja, der HERR hat mein Elend gesehen. Jetzt wird mein Mann mich gewiss lieben.“ Nach der Geburt des zweiten Sohnes Simeon war sie überzeugt: „Der HERR hat sicher gehört, dass ich zurückgesetzt bin, und hat mir auch diesen geschenkt“. Und nach der Geburt des dritten Sohnes Levi hoffte Lea: „Jetzt endlich wird sich mein Mann mir anschließen, denn ich habe ihm drei Söhne geboren.“ Insgesamt bringen Lea und Rahel sowie deren Mägde, die als „Leihmütter“ agieren müssen, zwölf Söhne und eine Tochter zur Welt.

Elkana hatte Hanna „lieb“

Das erste Buch Samuel (Kapitel 1) erzählt von einer kinderlosen Frau, die von ihrem Mann geliebt wird. Elkana hatte zwei Frauen. „Die eine hieß Hanna, die andere Peninna. Peninna hatte Kinder, Hanna aber hatte keine Kinder. Dieser Mann zog Jahr für Jahr von seiner Stadt hinauf, um den HERRN der Heerscharen in Schilo anzubeten und ihm zu opfern. … An dem Tag, an dem Elkana das Opfer darbrachte, gab er seiner Frau Peninna und all ihren Söhnen und Töchtern ihre Anteile. Hanna aber gab er einen doppelten Anteil; denn er hatte Hanna lieb, obwohl der HERR ihren Schoß verschlossen hatte. So machte es Elkana Jahr für Jahr. Sooft sie zum Haus des HERRN hinaufzogen, kränkte Peninna sie; und Hanna weinte und aß nichts. Ihr Mann Elkana fragte sie: Hanna, warum weinst du, warum isst du nichts, warum ist dein Herz betrübt? Bin ich dir nicht viel mehr wert als zehn Söhne?“ Und Gott erhörte das Gebet. „Elkana erkannte seine Frau Hanna; der HERR dachte an sie und um die Jahreswende wurde Hanna schwanger. Sie gebar einen Sohn und nannte ihn Samuel.“

Sauls Tochter Michal liebte David

Im 18. Kapitel des ersten Samuelbuches wird von König Sauls Tochter Michal berichtet, die David „liebte“. Dies teilte man Saul mit. „Es war ihm recht; denn er sagte sich: Ich will sie ihm geben; sie soll ihm zum Verhängnis werden, sodass er den Philistern in die Hände fällt.“ Saul wollte keine andere Brautgabe als die Vorhäute von hundert Philistern. David erschlug gleich zweihundert Philister und brachte ihre Vorhäute zum König. Und Saul gab ihm seine Tochter Michal zur Frau. Die Bibel stellt dazu lapidar fest: „Als Saul immer deutlicher erkannte, dass der HERR mit David war und dass seine Tochter Michal ihn liebte, fürchtete er sich noch mehr vor David.“

Esst, Freunde, trinkt, berauscht euch an der Liebe ...

Hohelied, Kapitel 5

Der Dämon in der „Hochzeitsnacht“

Das Buch Tobit (Kapitel 6 bis 8) erzählt von Tobits Sohn Tobias, der um Sara wirbt. Sara wurde schon sieben Männern zur Frau gegeben und alle Sieben starben in ihrem Brautbett in der Nacht. Denn ein Dämon tötete die Männer, weil der Dämon Sara liebte. Ich bin sicher, dass du Kinder mit ihr haben wirst, berichtet der Reisebegleiter Rafaël dem Tobias. „Als Tobias Rafaëls Worte hörte, dass Sara seine Schwester aus der Nachkommenschaft des Hauses seines Vaters war, gewann er sie sehr lieb und sein Herz hängte sich an sie.“ Tobias wirbt bei Raguël, einem Verwandten, um Sara. Dieser sagte zu Tobias: „Iss und trink und lass es dir gut gehen in dieser Nacht. Es gibt keinen Mann außer dir, dem es zusteht, Sara, meine Tochter, zur Frau zu nehmen, Bruder.“ Der Dämon kann schließlich bezwungen werden und Tobias und Sara werden ein glückliches Paar.

Das Hohelied – die Schönheit der Liebe

Von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt ist das Paar im „Hohelied“, das auch im Hinblick auf die Beziehung zwischen Gott und dem Menschen gedeutet werden kann und auch gedeutet wurde. Dieses acht Kapitel umfassende biblische Buch besingt die Schönheit der Liebe und ganz konkret auch die Schönheit der Körper des Paares. „Süßer als Wein ist deine Liebe“, heißt es da oder: „Stärkt mich mit Traubenkuchen, erquickt mich mit Äpfeln; denn ich bin krank vor Liebe.“ Oder: „Stört die Liebe nicht auf, weckt sie nicht, bis es ihr selbst gefällt.“ Und: „Wie schön ist deine Liebe, meine Schwester Braut, wie viel süßer ist deine Liebe als Wein, der Duft deiner Salben köstlicher als alle Balsamdüfte.“ Oder: „Esst, Freunde, trinkt, berauscht euch an der Liebe.“ Und ganz poetisch: „Leg mich wie ein Siegel auf dein Herz, wie ein Siegel auf deinen Arm, denn stark wie der Tod ist die Liebe, die Leidenschaft ist hart wie die Unterwelt.“

Besuchen Sie uns beim Bibel-Pfad am 29. September 2023

Autor:
  • Stefan Kronthaler
Werbung

Neueste Beiträge

| Kunst und Kultur
Erlebt und aufgeschrieben

Aus der wöchentlichen Serie im SONNTAG „Heiter bis heilig“ – ihren Fixplatz hat sie auf Seite 13 – ist mittlerweile ein Buch im Wiener Dom-Verlag entstanden. Unter dem Titel „Beten, Herr Pfarrer - Anekdoten zwischen Alltag und Altar!“ präsentiert Redakteurin Bernadette Spitzer die von ihr gesammelten und erzählten Anekdoten am 23. Oktober in der Buchhandlung Tyrolia.

| Hirtenhund
Hirtenhund

Der Hirtenhund bellt diese Woche darüber, wie Extremismus die katholische Vielfalt bedroht.

Republik Moldau

In der Republik Moldau hat ein Viertel der erwachsenen Bevölkerung auf der Suche nach Arbeit das Land verlassen. Die Concordia Sozialprojekte helfen den zurückgelassenen Kindern.