Kein Widerspruch zwischen Wissenschaft und Religion

Begegnung im Naturhistorischen Museum
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Kardinal Schönborn über das Verhältnis von Wissenschaft und Religion
Kardinal Christoph Schönborn: "Ich staune darüber, was wir alles entdecken können und wir schon in vergangenen Jahrhunderten entdeckt haben." ©Markus A. Langer
Kardinal Christoph Schönborn, Christoph Riedl, Frank Zachos
In vielen Punkten einig: Kardinal Christoph Schönborn (li.) als Religionsvertreter und Frank Zachos (re.) als Vertreter der Naturwissenschaft. Die Diskussion leitete Christoph Riedl. ©Markus A. Langer

"Ich habe in all den Jahren keinen wissenschaftlichen Artikel gelesen, der mich in meinem Glauben angefochten hat“, sagte Kardinal Schönborn bei einer Podiumsdiskussion.

Am Donnerstag, 16. Februar, waren 200 Schülerinnen und Schüler eingeladen, um der Podiumsdiskussion „Design in Nature – Sind Wissenschaft und Glaube vereinbar?“ zwischen Kardinal Christoph Schönborn und dem Biologen Frank Zachos im Naturhistorischen Museum zu lauschen und sich selbst mit ihren Fragen einzubringen. 

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Zwei verschiedene Ebenen

„Einen Widerspruch zwischen Wissenschaft und Religion muss man erst konstruieren. Ich habe in all den Jahren keinen wissenschaftlichen Artikel gelesen, der mich in meinem Glauben angefochten hat“, sagte Kardinal Schönborn zu Beginn. „Das sind zwei verschiedene Ebenen: die naturwissenschaftliche Forschung mit wissenschaftlichen Methoden wie dem Experiment und die Religion, bei der es um den Sinn des Lebens geht. Auf die Sinnfrage eine Antwort zu finden, dafür ist die Wissenschaft eine Hilfe in dem Sinne, dass ich fasziniert bin vom Funktionieren der Natur. Ich staune darüber, was wir alles entdecken können und wir schon in vergangenen Jahrhunderten entdeckt haben.“ Frank Zachos stimmte zu: „Wenn Wissenschaft und Religion in ihren jeweiligen Bereichen bleiben, dann gibt es ein relativ friedliches Miteinander oder Nebeneinander. Konflikte entstehen immer dann, wenn es zu einer Grenzüberschreitung von einer der Seiten kommt.“

Kardinal Schönborn über Design in der Natur

Design kein Beweis für Designer

Auf seinen Gastkommentar in der New York Times angesprochen, der im Sommer 2005 für einige Aufregung gesorgt hatte, sagte der Wiener Erzbischof: „Ich weiß nicht, ob wir Platz in der Evolution gehabt hätten, wenn die Dinosaurier das Leben auf der Erde weiterhin bestimmt hätten.“ Er hatte sich damals die Frage gestellt: „Wo ist Zufall, wo ist Fügung, wo ist Plan?“ Kardinal Schönborn vertritt nach wie vor die Ansicht, dass „design in nature“ zu finden ist. „Nur wenn ich an die Gestalt der Zelle denke. Wenn das nicht ein hyperkomplexes Design ist. Aber der Schritt von ‚Finding design in nature‘ zu sagen, es gibt einen Designer, ist ein Schritt, den ich wissenschaftlich nicht vollziehen kann. Es gibt das Design. Ob das ein Beweis für den Designer ist? Für mich ist es  ein Hinweis darauf.“

Evolution baut auf Vorhandenem auf

Der Leiter der Säugetiersammlung des Naturhistorischen Museums, Frank Zachos, stellte klar, dass es in der Evolution nicht um Zufall, sondern um Kontingenz gehe. „Das ist nicht dasselbe. Kontingenz ist etwas, was passiert, aber nicht notwendig passiert. Das heißt mit anderen Worten, es hätte auch anders kommen können. Das bedeutet nicht, dass es keine Ursachen gibt. Mein Auge ist sicher kein Zufall. Es ist eine Anpassung an die Gegebenheiten unseres Universums. Es gibt elektromagnetische Strahlung und man kann diese nutzen, um sich in der Welt zurechtzufinden. Wir nennen das Sehen und das Auge ist selbstverständlich eine Reaktion auf diese elektromagnetische Strahlung. Organismen sind immer historisch gewachsene Einheiten. Evolution arbeitet immer mit dem, was vorhanden ist. Sie hat Möglichkeiten, in verschiedene Richtungen zu gehen. Wenn es in eine Richtung geht, dann sind bestimmte andere Richtungen weniger gut möglich.“ Das Design selbst sei ein ziemliches Patchwork, das eben auf eine historische Abfolge zurückblicke und daraus erklärt werden könne.
 

Religion als Selektionsvorteil

Aus dem Publikum kam die Frage: „Ist es für das Überleben des Menschen sinnvoller, eine religiöse Einstellung wie etwa Nächstenliebe zu haben?“ Als die Menschen sozialer wurden und die Größe der sozialen Umwelt wuchs, brauchte man natürlich Regeln, so Frank Zachos. „Die Gefahr besteht, wenn Sie keinen unbewegten Beweger, keine Letztursache, keine letzte Instanz haben, dann kann jegliche moralische Aussage relativiert werden. Da könnte Religion schon eine Rolle gespielt haben – als Verabsolutierung bestimmter moralischer Vorstellungen und Kodizes.“ Der Naturwissenschaftler brachte als Beispiel eine Umfrage unter Wissenschaftlern zu ihrer Gläubigkeit und der Vereinbarkeit von Wissenschaft und Religion. „Ein großer Teil vor allem der Biologen hat gesagt, dass das überhaupt kein Problem ist. Sie haben Religion tatsächlich als ein evolutives Phänomen angesehen. Das kann man machen und ist vielleicht auch nicht falsch. Man darf nur nicht den Fehler begehen, dass man irgendetwas über die Richtigkeit oder die Falschheit der Inhalte der Religion aussagen kann. Das wäre dann reiner Instrumentalismus. Ob das, was man da als letzte Ursache setzt, wahr oder falsch ist, steht auf einem ganz anderen Blatt.“

Kardinal Schönborn dazu ergänzend: „Es ist ein Faktum, dass alle großen Religionen so etwas wie die Zehn Gebote haben. Das heißt, es gibt Grundstandards: Du sollst nicht töten. Du sollst nicht lügen. Du sollst nicht stehlen. Das ist universal und hat wahrscheinlich einfach damit zu tun, dass ein Zusammenleben ohne elementare Gebote völlig unerträglich wäre. Es ist schon anzunehmen, dass da sehr viel dahintersteckt, dass es evolutiv ein Vorteil ist, sich an diesen generellen Kodex des Verhaltens zu halten. Eine Gesellschaft, die sich mehrheitlich daran hält, hat mehr Überlebenschance als eine Gesellschaft, in der jeder dem anderen ein Feind ist.“

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Autor:
  • Porträtfoto von Markus Langer
    Markus A. Langer

Biologe Frank Zachos über den Unterschied zwischen Zufall und Kontingenz

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Ist es für das Überleben des Menschen sinnvoller, eine religiöse Einstellung wie etwa Nächstenliebe zu haben?

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