„Ich bin ein bekennender Ketzer“

Sommergespräche - Teil 1
Ausgabe Nr. 27
  • Österreich
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Den Auftakt der radio klassik Sommergespräche macht Wolfgang Peschorn (rechts) mit Stefan Hauser (links).
Den Auftakt der radio klassik Sommergespräche macht Wolfgang Peschorn (rechts) mit Stefan Hauser (links). ©Michael Gmasz

Wolfgang Peschorn ist seit 2006 Präsident der Finanzprokuratur. In der Expertenregierung unter Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein war er Innenminister. Ein Interview.

Im Gespräch mit dem Juristen, Wolfgang Peschorn, erfahren wir, warum der Mensch, der grundsätzlich schuldlos geboren wird, dennoch zur Verfehlung neigt und welche wichtige Rolle Musik und Sport in seinem Leben haben.

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Was ist die Aufgabe der Finanzprokuratur?

Wolfgang Peschorn: Wenn man es salopp umschreiben will, sind wir Anwalt und Berater der Republik. Ein Organ des Bundes und dazu da, den Staat und seine Einrichtungen vor den ordentlichen Gerichten zu vertreten: also alle staatliche Organe, die das wollen – wir können uns da nicht aufdrängen – mit Rat und Tat in rechtlicher Hinsicht zu unterstützen.

Wolfgang Peschorn über Mafia-Jäger

Im italienischen Staat kennt man aus den 1990er-Jahren die Namen der Mafia-Jäger Giovanni Falcone oder Paolo Borsellino. Ist das vergleichbar?

Nun, dies sind Namen von Staatsanwälten, also von Personen, die sich mit dem Strafrecht beschäftigen. Tatsächlich kann man sagen, dass wir in den letzten Jahren im Zusammenhang mit korruptiven Ereignissen, zumindest mit solchen Ereignissen, wo man Korruption vermutet hat, immer stärker in Berührung gekommen sind, weil es unsere Aufgabe ist, im Interesse des Staates tätig zu sein. Das heißt, wir versuchen für die Steuerzahlerin, für den Steuerzahler das Geld, das ihnen durch korruptive Handlungen entzogen wurde, auch wieder zurückzugewinnen und da kommt man dann zwangsläufig in eine Rolle hinein, dass man nicht nur das Gute unterstützt, sondern auch das Böse mit allen Mitteln, die ein Rechtsstaat zur Verfügung stellt, bekämpft.
 

Wolfgang Peschorn über die Causa Benko

Die meisten kennen Sie vermutlich in Zusammenhang mit der Causa Benko. Da kamen Sie doch mit vielen Interviews in die Öffentlichkeit. Wie gehen Sie damit um?

Da ist die Agenda Insolvenz und Einbringung essentiell für unsere Arbeit. Ich sehe mich als ein Vertreter einer staatlichen Einrichtung, meine öffentlichen Wortmeldungen und Auftritte stehen damit im direkten Zusammenhang. 

 

Wir werden alle schuldlos geboren und dann gibt es doch Leute, die Unrechtmäßigkeiten begehen. Wie lässt sich das erklären?

Ich glaube, jeder ist seines Glückes Schmied. Das ist ein Sprichwort und das muss man nicht nur ernst nehmen, sondern man kann sein Leben so auch beeinflussen. Das hängt natürlich von vielen Faktoren ab, einer der wichtigsten ist sicherlich das Familienleben. Ich hatte das Glück, in eine gut behütete Familie geboren zu werden und mit den christlichen Werten unseres Abendlandes aufzuwachsen und mich damit verbunden zu fühlen. Das sind, glaube ich, ganz entscheidende Parameter zumindest für mein Leben gewesen.
 

Wolfgang Peschorn: "Ich bin ein bekennender Ketzer"

Spielt der christliche Glaube auch weiter eine Rolle in ihrem Leben?

Ich sage manchmal in meinen beruflichen Dingen, ich bin ein bekennender Ketzer und damit meine ich natürlich in erster Linie, dass ich die Dinge, die an mich herangetragen werden, immer hinterfrage. Aber ich halte die Kirche für einen ganz wichtigen Faktor in unserem gesellschaftlichen Leben. Ich glaube, dass es wichtig ist, dass die Kirche sich auch in die politische Auseinandersetzung einbringt. Mit Auseinandersetzung meine ich keine kriegerische und keine kämpferische, sondern eine intellektuelle. Die Kirche ist ein Faktor der Stabilität in einer Zeit des Umbruchs.

Es gibt ein Zitat von Ihnen. Wer viel Geld verdient, muss nicht zwangsläufig gut sein. Verdirbt Geld den Charakter?

Nein, das glaube ich nicht. Ganz im Gegenteil. Aber ich glaube, deine innere Orientierung ist vom Geld auch nicht abhängig. Und ich glaube schon, dass wir in einer Zeit leben, wo am Ende des Tages sehr viele Menschen die Wichtigkeit einer Person oder die Wichtigkeit einer Aufgabe an dem messen, was die oder derjenige, der diese Aufgabe oder Funktion innehat, verdient. Und das ist eine Entwicklung, die ich für falsch halte. Ich glaube, dass eine unentgeltliche Tätigkeit im ehrenamtlichen Bereich natürlich genauso wichtig ist wie eine Management-Tätigkeit, wo man Verantwortung hat für mehrere tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Und das, was dann immer wieder als Argument vorgebracht wird, wieso der eine mehr verdienen darf oder soll als der andere, nämlich die Verantwortung, das wird in vielen Bereichen gar nicht gesehen. Also ich glaube auch, dass ein Staatsdiener große Verantwortung zu tragen hat.
 

Sie haben eine Affinität zur klassischen Musik, denn Sie haben eine Klarinettistenausbildung gemacht, zusätzlich zum Studium.

Ich habe als Elfjähriger, also nach der Volksschule, mit der Musikschule begonnen. Zunächst hatte ich das gar nicht so realisiert, wie wichtig das für mein späteres Leben sein wird. Letztendlich waren diese Ausbildung, das Auftreten, das Lernen, mit Stress umzugehen in einer Situation, sich präsentieren zu müssen, auch mit den Fehlern, mit den Mängeln, mit den Unzulänglichkeiten, die man am Ende des Tages bei jedem Auftritt hat, für mein gesamtes Wirken sehr wichtig. Das Musikalische auf der einen und das Rechtliche auf der anderen passen gut zusammen und keines von diesen möchte ich missen.


Ist Sport ein Ausgleich für Sie?

Laufen ist für mich eine Quelle des Abschaltens und der Kreativität. Viele Lösungen, die vorher eigentlich überhaupt nicht im Kopf waren, sind nach oder bei einem Lauf gekommen. 

Logo radio klassik Stephansdom.
Logo radio klassik Stephansdom. ©David Kassl

Sommergespräch: Wolfgang Peschorn

Das Interview mit dem Präsidenten der Finanzprokuratur in voller Länge hören Sie am Montag, 7. Juli 2025, 17:30 Uhr. ▶ radioklassik.at

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Autor:
  • Stefan Hauser
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