Hildegard: zwischen Himmel und Erde

Wiederentdeckt für unsere Zeit
Ausgabe Nr. 2
  • Leben
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Filmszene aus "Vision" über das Leben von Hildegard von Bingen
Im Film „Vision“ verkörpert Barbara Sukowa die heilige Hildegard, Heino Ferch ihren treuen Sekretär und Beichtvater Vollmar (auf DVD erhältlich). ©Filmladen, Concorde
Hildegard-Expertin Brigitte Pregenzer
Brigitte Pregenzer, Hildegard-Expertin und Buchautorin ©privat

Die Wirkkraft der Frauen hat Papst Franziskus in seiner Neujahrspredigt besonders hervorgehoben. Wir starten ins neue Jahr mit der Serie „Gesund durch den Winter mit Hildegard von Bingen“ und schauen dabei auf die Weisheits- und Gesundheitslehre der wirkmächtigsten Ordensfrau des Mittelalters: Hildegard von Bingen, u. a. Theologin, Naturwissenschaftlerin, Ärztin, Mystikerin und vom Papst legitimierte Prophetin.

Produkte mit der Bezeichnung „Hildegard von Bingen“ findet man heute in nahezu jedem Supermarkt vom Tee über Backmischungen bis hin zu Keksen, Tinkturen und Salben. Wer war diese Hildegard von Bingen (1098-1179), die uns da von so vielen Fläschchen und Teepackungen entgegenblickt? Wird diese Nonne nicht weit überschätzt bzw. heute vor allem für Marketing-Zwecke instrumentalisiert? Im Laufe unserer neuen SONNTAG-Serie „Gesund durch den Winter mit Hildegard von Bingen“ sprechen wir mit Expertinnen und wollen hinter das „Geheimnis Hildegard“ schauen.

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Brot, das wirklich nährt

„Ich bin über einen Brotbackkurs zu Hildegard von Bingen gekommen“, erzählt Brigitte Pregenzer, Autorin zahlreicher Bücher zur Hildegard-Medizin und Begründerin der Hildegard-Akademie in Vorarlberg: „Die Einfachheit der Zubereitung und die verwendeten Gewürze haben mich fasziniert. Das Brot war sehr gehaltvoll. Ich hatte bemerkt, dieses Brot nährt mich wirklich.“ Die Vorarlbergerin begann, sich auf dem Gebiet weiterzubilden und hielt bald selbst Kochkurse und Vorträge zur Hildegard-Gesundheitslehre. Heute gehört sie zu den bekanntesten Expertinnen der Hildegard-Medizin im deutschen Sprachraum und verfasste zahlreiche Bücher zum Thema. 2008 gründete Brigitte Pregenzer die Hildegard-Akademie. „Ich habe jedes Jahr einen Lehrgang mit 16 Teilnehmerinnen. Der Lehrgang ist immer ausgebucht und die Nachfrage ist steigend“, erzählt sie im Gespräch mit dem SONNTAG.

Heilmittel selbst zubereiten

„Die Möglichkeit, die Heilmittel selbst zuzubereiten und jederzeit im Kühlschrank zu haben, faszinieren mich bis heute“, schildert Brigitte Pregenzer Vorzüge der Hildegard-Lehre. „Hildegard von Bingen war ganz menschlich und hat auch menschliche Gefühle zugelassen“, kommt sie auf die Person der berühmten Mystikerin zu sprechen. So pflegte die einem Adelsgeschlecht entstammende Ordensfrau zahlreiche Freundschaften wie z. B. mit ihrer Mitschwester Richardis oder ihrem Sekretär und Beichtvater Vollmar. „Sie hat ihren Platz zwischen Himmel und Erde in all ihren Möglichkeiten ausgefüllt, indem sie zwei Klöster gegründet hat, Bücher schrieb, Predigt-Reisen unternahm und Zeit fand zu korrespondieren. Sie war irdisch und himmelwärts gewandt. Sie hat beides vereint“, schildert die Expertin.

Ein Gelöbnis im KZ

Papst Benedikt XVI. erhob Hildegard von Bingen 2012 zur Kirchenlehrerin. Obgleich seit Jahrhunderten von den Gläubigen verehrt, wurde sie auch erst 2012 offiziell in den Heiligenkalender aufgenommen. Ihre Heiligsprechung, von ihrem Konvent initiiert, wurde bereits 1228 beantragt, blieb aber (im Unterschied etwa zum Heiligsprechungsverfahren des Zeitgenossen Otto von Bamberg) erfolglos.

Ein Österreicher spielt für die Wiederentdeckung des Hildegardschen Heilwissens für unsere Zeit eine besondere Rolle: Dr. Gottfried Hertzka. Als junger Militärarzt geriet er aus Gewissensgründen mit den nationalsozialistischen Behörden in Konflikt. Hertzka wurde von der Gestapo verhaftet und war neun Monate im Konzentrationslager Landsberg inhaftiert. Während der Haft gelobte er Gott: „Wenn ich dieses Grauen überlebe, werde ich den Menschen die Medizin der Hildegard bringen.“ Der Arzt prägte als erster den Begriff der Hildegard-Medizin und engagierte sich nach dem Krieg, diese bekannt zu machen.

Heute aktueller denn je

Die Hildegard-Medizin gilt heute als Teil der Traditionellen Europäischen Medizin (TEM) und findet seit rund 30 Jahren breites Interesse. Warum spricht die Gesundheitslehre Hildegards heute so viele Menschen an? Brigitte Pregenzer meint: „Ich denke, es gibt ein Bedürfnis der Menschen nach Einfachheit, Überschaubarkeit und der Möglichkeit, es selbst in die Hand zu nehmen. Wir haben ja jedes Jahr ein anderes Superfood, einen anderen Renner, den wir zu unserer Selbstoptimierung brauchen. Wenn das jedes Jahr etwas anderes ist, dann kann es nicht so gut gewesen sein. Die Hildegard-Lehre ist eine alte Lehre und hält sich jetzt bei uns schon seit den 50er Jahren.“

Disziplin wird mit Wohlbefinden belohnt

Auch Zivilisationskrankheiten unserer Zeit legen eine Rückbesinnung auf die Hildegard-Medizin nahe: „Weil heute viele unter Allergien, chronischen Erkrankungen und Entzündungen leiden, Entzündungen, die man oft nicht medizinisch abklären kann, die aber Schmerzen im Körper verursachen, sind viele auf der Suche und entdecken dann den von Hildegard von Bingen empfohlenen Dinkel – er ist für viele Weizenallergiker die Rettung“, führt Brigitte Pregenzer aus. Die Expertin ist nach jahrzehntelanger Erfahrung mit der Hildegard-Lehre überzeugt: „Wenn jemand sich auf die Hildegard-Ernährung konkret einlässt und einige Dinge beherzigt, so wie die sechs goldenen Lebensregeln, dann kann er sich wirklich selber heilen. Gewisse Konsequenz und Disziplin werden mit Wohlbefinden und Schmerzfreiheit belohnt“. Besonders gute Erfahrungen macht Brigitte Pregenzer in ihren Fastengruppen: „Gliederschmerzen, Arthritis, Migräne werden durch eine Fastenwoche und Beibehaltung einiger Hildegard-Aspekte wieder gut.“ Wir wollen es ausprobieren und führen Sie gemeinsam mit Brigitte Pregenzer in den kommenden Wochen in die wichtigsten Aspekte der Hildegard Medizin ein.

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Autor:
  • Portraitfoto von Agathe Lauber-Gansterer
    Agathe Lauber-Gansterer
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