Ein Wiener Orden in Mexiko

Weltmission
Ausgabe Nr. 5
  • Weltkirche
Autor:
Borromäerinnen in Mexiko
Hilfe für die Ärmsten der Armen: Generaloberin Sr. Christine Daniela Jedinger bei einem ihrer jüngsten Besuche in Norogachi. ©Borromäerinnen
Borromäerinnen in Mexiko
Clínica San Carlos: Das kleine Missionskrankenhaus ist oft die erste Anlaufstation. Das Rettungsauto ist ein Geländewagen und bringt die Patienten auch in andere Spitäler (Schwester Johanna Humer ist ganz rechts im Bild zu sehen). ©Borromäerinnen

Wie es kommt, dass die sogenannten „Borromäerinnen“, ein Wiener Frauenorden, seit vielen Jahrzehnten auch mit Mexiko zu tun haben? Der SONNTAG sprach mit Sr. Johanna von den Barmherzigen Schwestern vom heiligen Karl Borromäus über das Wirken ihrer mittlerweile ausschließlich mexikanischen Mitschwestern in dem großen mittelamerikanischen Land.

Erst vor kurzem hat Sr. Johanna Humer wieder ihre Generaloberin Sr. Christine Daniela bei der alle drei Jahre vorgesehenen Visitation der mexikanischen Mitschwestern begleitet. Im Gespräch mit dem SONNTAG erzählt Sr. Johanna vom Wirken ihrer Mitschwestern in „dem“ katholischen Land Mittelamerikas.

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Wie kommt es, dass Borromäerinnen aus Wien mit Mexiko zu tun haben? Seit wann? Wo wirken die Schwestern?

JOHANNA HUMER: Das Bier ist schuld. Franz Fellner heiratete eine Mexikanerin und baute sich dort mit einer Brauerei seine Existenz auf. Seine aus Pischelsdorf in Oberösterreich stammende Nichte Crescenzia folgte ihm in jungen Jahren und machte dort ihre Ausbildung zur Lehrerin. Zurückgekehrt nach Österreich, trat sie bei uns Borromäerinnen ein. Da es in der Nachkriegszeit sehr viele Schwestern gab, entstand der Wunsch und gleichzeitig die Einladung von Onkel Fellner, in Mexiko etwas Neues zu beginnen. 1952 fuhren Crescenzia, mittlerweile Sr. Claudia Fellner, und Sr. Canisia Malzer nach Mexiko, wo in Parral im Bundesstaat Chihuahua die ersten Niederlassungen der Borromäerinnen entstanden. Es fanden sich bald interessierte junge Mexikanerinnen, die sich von der Spiritualität und dem Einsatz der Schwestern angesprochen fühlten und um Aufnahme baten. So war es möglich, weitere Niederlassungen in den Bundesstaaten Chihuahua und Jalisco und im heißen Veracruz zu gründen.

In welchen Bereichen sind Ihre Mitschwestern in Mexiko tätig?

Bis heute kümmern sich die Schwestern dort um die Ärmsten: In Schulen mit Internat wird Kindern von 3–12 Jahren aus den ärmsten Verhältnissen Bildung, Erziehung und ein religiöses Fundament geboten und somit die Basis für eine positive Zukunft geschaffen. In Altenheimen versorgen die Schwestern mit ihren Mitarbeitern arme und auch verlassene alte Menschen, die von ihrer Familie im Stich gelassen wurden oder niemanden haben.

In Mexiko gibt es zwei Extreme: die Anhänglichkeit zur Madonna von Guadalupe und die Drogenkriege der Mafias!

In der Einöde des Gebirges der Sierra Madre betreiben die Schwestern seit 1961 ein kleines Krankenhaus, das sowohl den eingeborenen Tarahumara-Indios als auch anderen Bevölkerungsgruppen für gesundheitliche Dienste zur Verfügung steht.

Was genau meinen Sie damit, dass sich Ihre Mitschwestern in Mexiko vor allem um die Ärmsten der Armen unter den Eingeborenen kümmern?

Am Beispiel des Krankenhauses in Norogachi, der Clínica San Carlos, bedeutet es, ganz nahe bei jenen zu sein, die oft das Allernötigste entbehren. Von diesem Ort aus wird monatlich in sechs abgelegene Ortschaften gefahren, um den dort im Umkreis wohnenden Menschen gesundheitliche Hilfen anzubieten, aber auch um der Unterernährung entgegenzuwirken. Jede Familie erhält je nach Kinderanzahl eine Ration Maismehl, Reis, Bohnen, Öl, Milch, Vitamintabletten. Die Kinder werden gemessen, abgewogen und ihre körperliche Verfassung wird evaluiert. Kinder und Familien, die am meisten von Unterernährung und Krankheiten betroffen sind, werden für einige Wochen in die Clínica San Carlos mitgenommen und stabilisiert. Dieses kleine Missionskrankenhaus ist nur für einfache Erkrankungen ausgestattet. Vor allem Personen mit Magen-Darm-Erkrankungen, Diabetes, Atemwegserkrankungen, Verletzungen … aber auch komplizierte Geburten können dort behandelt und betreut werden. Unerlässlich ist außerdem der Transport mit dem Rettungsauto (das als Geländewagen konzipiert ist) sowohl in unsere Clínica als auch in andere Krankenhäuser, die mehr medizinische Möglichkeiten haben.

Mexiko kommt immer wieder in die negativen Schlagzeilen durch Priestermorde und -entführungen. Sind auch Ihre Mitschwestern betroffen von der bisweilen christentumskritischen Stimmung in diesem eigentlich katholischen Land?

Für mich gibt es in Mexiko grundsätzlich zwei große Extreme. Einerseits ist der Großteil der Menschen äußerst katholisch und von tiefgläubiger Anhänglichkeit an die Muttergottes von Guadalupe geprägt, so sehr, dass selbst während der Christenverfolgung im 20. Jahrhundert, aus der viele Märtyrer hervorgegangen sind, niemand etwas gegen diesen größten Wallfahrtsort der Welt anhaben konnte und auch nicht wollte. Andererseits ist das Land geplagt von den „Drogenkriegen“ einiger Mafias, die sich jeweils die Vorherrschaft streitig machen möchten. Die Regierung ist von Korruption geprägt und, so meine ich, ein Werkzeug der Mafias. Viele Morde haben unmittelbar damit zu tun, dass es Menschen gibt, die zu viel wissen und zu viel sagen, und die man deshalb aus dem Weg schaffen will. Manchen Kriminellen geht es auch einfach um Geldbeschaffung und das oft auf grausame Weise. Einmal gab es eine Morddrohung mit Geldforderung bei einer unserer Schwestern, die aber Gott sei Dank keine ernsten Folgen hatte. Zumeist werden unsere Schwestern sehr respektiert und geschätzt, weil sie sich für die Ärmsten einsetzen.

Schlagwörter
Autor:
  • Stefan Kronthaler
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