Ein Bauherr mit großer Leidenschaft

Im Porträt
Ausgabe Nr. 26
  • Wien und Niederösterreich
Autor:
Hoch hinaus: Unzählige Male ist Harald Gnilsen im Lauf seines Berufslebens auf Baugerüste geklettert. In der Votivkirche überblickt er zum Abschied den imposanten Innenraum. 27 Jahre hat er hier mitgearbeitet. ©Stephan Schönlaub

Harald Gnilsen geht nach 27 Jahren Amtszeit als Direktor des Bauamts der Erzdiözese in Pension. Seinen letzten Arbeitstag hat er auch schon geplant: Von der Elisabethkirche am Schneeberg wird er ins Tal wandern – mit seinem Team. Der SONNTAG ist mit Architekt Gnilsen zum Abschied aufs Baugerüst geklettert.

Wo machen wir das Fotoshooting für das Porträt zur Pensionierung? Das kann nur die Votivkirche sein – als Harald Gnilsen 1996 die Leitung des Bauamts in der Erzdiözese Wien übernahm, war hier bereits eine Baustelle. So blieb es seine gesamte Amtszeit von 27 Jahren. Erst im Frühjahr 2023 wurde das fast schon zum Wahrzeichen gewordene Gerüst vor der Kirche am Ring abgebaut. Wer sich die Kirche genauer ansieht, erkennt auch einen Wasserspeier, der die Züge von Gnilsen trägt. „Mein Team hat mir die Figur zum 60. Geburtstag geschenkt“, sagt der heute 65-jährige Architekt. Schon als Kind ist er auf Baustellen aufgewachsen. Vater Gnilsen war bereits Architekt, der junge Harald war früh für die Profession zu begeistern. Nach dem Studium war der Diplomingenieur ab 1989 selbstständig tätig. Und er weiß: „Es gibt am Bau kein Patentrezept.“

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Wir wissen, für wen wir bauen

Was ihn stets gefreut hat, war der Kontakt mit den Menschen: Er war in der ganzen Diözese unterwegs. Seinem 18-köpfigen Team ist er dankbar, das mit ihm rund 400 Bauprojekte im Finanzvolumen von 25 Millionen Euro pro Jahr stemmt. „Wir wissen, für wen wir bauen“, sagt Gnilsen. Wenn man mit dem Herrn von Baustellen in 1.000 Kirchen spricht, dann fällt auf, dass er alles gut einordnen kann. Er weiß, welche Folgen welcher Winkel im Dachstuhl hat und wie welcher Baustoff verarbeitet werden muss. 350.000 Schieferschindeln und ebenso viele Klammern wurden für die Sanierung des Dachs in der Votivkirche gekauft. Schnell klettert Harald Gnilsen auf schmalen Metallleitern die sieben Ebenen des 14 Meter hohen Gerüsts im Innenraum hinauf. Jeder Schritt sitzt, er hebt Bretter hoch und zur Seite. Dabei plaudert er weiter. Auf Augenhöhe mit einem Glasfenster erkennt er die Heimatkirche seiner Frau im Tiroler Hötting.

Die Familie ist ihm immer wichtig, seinen vier Kindern hat er am Abend Baukataloge gezeigt: „Sie konnten schon mit ein paar Jahren Schraubengrößen unterscheiden“, lacht er. Gemeinsam wird in der Familie musiziert. Gnilsen spielt Geige und tritt mit Ensembles auf. Vor einigen Jahren wurde er in den Orden der Ritter vom Heiligen Grab aufgenommen – eine bewusste Entscheidung.
Zurück zum Bauamt: Welche Projekte sind ihm ans Herz gewachsen? „Der Campus der Religionen in der Seestadt“, sagt Gnilsen, der auch Vorsitzender des Vereins für das Friedensprojekt ist. Er erinnert sich gerne an die Aufbauten für zwei Papstbesuche in Wien 1998 und 2007 sowie für den Mitteleuropäischen Katholikentag in Mariazell 2004: „Das waren schon riesige Herausforderungen und Aufgaben. Aber jedes Bauprojekt, das ich gerade bearbeitete, war mir immer das ‚wichtigste ‘“, erklärt er: „Immerhin waren es weit mehr als 10.000“, weiß der Architekt.

Anerkennung für seine berufliche Tätigkeit hat er dabei auch erfahren. Erst zuletzt wurde ihm das Große Ehrenzeichen um die Verdienste des Landes Niederösterreich verliehen. Es freut ihn, wenn seine Bemühungen wahrgenommen werden.

Wie bin ich mit den Menschen umgegangen?

10.000 Arbeitstage hat er bereits in der Erzdiözese gearbeitet und das mit viel Freude. Seinen letzten Arbeitstag wird er noch einmal am Bau verbringen: „Es geht auf den Schneeberg in die Elisabethkirche.“ Wenn Harald Gnilsen danach zu Fuß nach Hause nach Wien-Mauer wandert, ist er in der Pension angekommen. Was ist ihm zum Abschied wichtig? „Eines Tages werde ich nicht gefragt werden, wie viele Kirchen ich gebaut oder renoviert habe, sondern wie ich mit meinen Mitmenschen umgegangen bin. Dieser Frage gerecht zu werden, sehe ich als meine Lebensaufgabe.“

Autor:
  • Sophie Lauringer
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