Die vielen Gesichter der Maria
Marienfeiertag, 15. AugustGottesmutter Maria hat viele Gesichter. Denn sie ist eine der meistdargestellten Gestalten der christlichen Kunstgeschichte. Anlässlich des Feiertages Mariä Himmelfahrt am 15. August finden Sie heute im SONNTAG einige ganz besondere Darstellungen.
Maria: Moderner Künstler trifft Lukas Cranach den Älteren
Im Naumburger Dom Sankt Peter und Paul in Sachsen-Anhalt, etwa eine Autostunde südwestlich von Leipzig, gibt es ein außergewöhnliches Altarbild, konkret einen neu zusammengefügten Altaraufsatz aus Werken zweier Maler: Die beiden Seitenflügel stammen von Lucas Cranach dem Älteren (1472–1553), die Bilder des Mittelteils vom zeitgenössischen deutschen Künstler Michael Triegel (geboren 1968).
Cranachs Darstellung der Maria
Lucas Cranach der Ältere schuf im Jahr 1519 einen dreiflügeligen Altar für den Marienaltar des Naumburger Westchors. Der mit einer Darstellung der Gottesmutter Maria mit Kind versehene Mittelteil des Altars wurde 1541 im Zuge einer bilderfeindlichen Aktion zerstört.
Mehr als 500 Jahre später entschied man sich, die beiden vorhandenen Seitenflügel mit einem neuen Mittelteil zu ergänzen. Das Bild in der Mitte zeigt auf der Vorderseite zentral die thronende Maria, die dem Betrachter das Jesuskind entgegenhält. Rund um die heilige Maria finden sich unter anderem die heilige Anna, die heilige Elisabeth von Thüringen mit Rosenblüten in den Händen, die heilige Agnes mit einem Lamm, der Apostel Petrus mit einem Schlüssel und der Apostel Paulus mit einem Buch. Links von Maria dargestellt ist der evangelische Theologe und Märtyrer Dietrich Bonhoeffer.
Maria mit ihrer Mutter
Immer wieder wird die Gottesmutter Maria in der christlichen Ikonographie nicht nur gemeinsam mit ihrem Kind dargestellt, sondern auch mit ihrer Mutter, der heiligen Anna. Diese Art der Darstellung wird als „Anna Selbdritt“ bezeichnet, was so viel wie „zu dritt“ oder „Teil einer Gruppe von Dreien“ bedeutet. Eine dieser Darstellungen findet sich etwa im Stift Admont in der Steiermark. Eine wesentlich seltenere, aber nicht weniger interessante Darstellung ist die der „Emerentia Selbviert“, die neben der heiligen Anna, der heiligen Maria und dem Jesuskind auch noch die Figur der Emerentia zeigt. Sie soll einer Legende nach die Mutter der heiligen Anna gewesen sein – nicht zu verwechseln mit der Heiligen gleichen Namens, die aus dem 3. Jahrhundert bekannt ist.
Maria in Jeans und Rollkragenpullover statt Heiligenschein
Für besonderes Aufsehen sorgt seit einigen Jahren das zeitgenössische Altarbild der Sankt-Clemens-Kirche in Drolshagen in Nordrhein-Westfalen, etwa eine Stunde östlich von Köln.
Gestaltet hat es der deutsche Künstler Thomas Jessen (geboren 1958). Im Zentrum des Bildes steht die Gottesmutter Maria auf einer Klappleiter. Rechts von ihr ist der Apostel Thomas, auch als ungläubiger Thomas bekannt, zu erkennen, dem Maria einen Gürtel reicht. Auf der linken Seite des Bildes sieht man die heilige Veronika mit dem Schweißtuch. Die Leiter, auf der Maria steht, und auch der Gürtel, den sie Thomas reicht, sollen ein Symbol für die Begegnung zwischen Himmel und Erde sein. Der Thomas mit nacktem Oberkörper steht für den modernen Menschen als Zweifler. Die Figuren sind fotorealistisch gemalt und lebensgroß. Das Bild wurde zu Pfingsten 2021 von Weihbischof Matthias König aus Paderborn geweiht und zieht Besucherinnen und Besucher aus aller Welt an.
Chinesische Maria mit Kind
Andere Kulturkreise, andere Mariendarstellungen: Diese Madonna mit Kind findet sich in der „Old Saint Mary‘s Church“ in Chinatown in San Francisco an der Westküste der Vereinigten Staaten. Die 1854 erbaute Kirche war die erste römisch-katholische Kathedrale in Kalifornien und ist die zweitälteste Kirche in San Francisco, die noch in Betrieb ist. Ende des 19. Jahrhunderts musste sie ihren Rang als Kathedrale aufgrund der wachsenden Zahl der Katholiken in der Region an ein anderes Kirchengebäude weitergeben. Heute ist sie eines der historischen Wahrzeichen der Stadt.
Jesus-Kind umarmt Mutter Maria
Eine besonders rührende Darstellung der Gottesmutter findet sich auf dem Gebiet der Erzdiözese Wien, konkret in der ältesten noch in ihrer Grundsubstanz bestehenden Kirche der Stadt Wien, der Ruprechtskirche im ersten Wiener Gemeindebezirk. Das Jesuskind ist hier zu seiner Mutter gedreht dargestellt und umarmt sie. Die Statue ist eine spätgotische Madonna und wurde zwischen 1510 und 1520 geschaffen. Und das Jesuskind, das sie umarmt, ist nicht die einzige Besonderheit: Auf der Unterseite der Hängeskulptur findet sich nämlich ein Gesicht, das als Gesicht des Mondes interpretiert wird, wodurch die Statue zu den Darstellung der sogenannten „Mondsichelmadonna“ gehört.