Die Suche nach dem Stern von Betlehem

Ein astronomisches Ereignis oder ein symbolisches Motiv?
Ausgabe Nr. 1
  • Leben
Autor:
Jesus, Maria und die heiligen drei Könige mit Stern von Betlehem
Rechter Seitenflügel des Wiener Neustädter Altars im Stephansdom: Anbetung der Könige ©kathbild.at/Rupprecht
Franz Kerschbaumer vor Sternenhimmelkarte
Franz Kerschbaum ist Professor für Beobachtende Astrophysik an der Wiener Universitätssternwarte ©Markus A. Langer

Was wissen wir über den Stern, der laut Matthäus-Evangelium die Magier aus dem Morgenland nach Betlehem zu Jesus führte? Handelt es sich um ein astronomisches Ereignis oder lediglich um ein symbolisches Motiv?

Der Wiener Astronom Franz Kerschbaum im Interview über den Stern von Bethlehem, die Sternbeobachtung in früheren Zeiten und die moderne Naturwissenschaft.

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Welches astronomisches Ereignis könnte der Stern von Betlehem gewesen sein?

Franz Kerschbaum: Die Bibel selbst gibt zur Erforschung dieses Phänomens wenig her. „Stern“ ist ein Überbegriff, darunter konnte man früher viel verstehen. Dass es irgendetwas Überraschendes, nichts Alltägliches war, lässt sich aus der Erwähnung sicher schließen. Kometen könnten in Frage kommen, dann seltene Planetenkonstellationen. Oder was auch immer wieder passiert, ist, dass sterbende Sterne explodieren und sehr hell sichtbar werden, sogenannte Supernovae.

Die gängigste Hypothese heute – wenn es überhaupt eine astronomische Entsprechung gibt – ist eine enge Konstellation von Jupiter und Saturn, vielleicht auch Mars, die mit diesem Ereignis verbunden werden könnte. Saturn wird sehr oft in Verbindung mit dem jüdischen Volk gebracht, Jupiter ist ein Zeichen für den König. Alle diese Konstellationen waren aber einige Jahre vor Christi Geburt. Unsere Zeitrechnung wäre danach nicht korrekt.

Selbst für mich als gläubigen Christ ist eine andere Interpretation die plausibelste. Fast jede Geburt oder jeder Tod eines Herrschers, eines Religionsgründers wird im Nachhinein in den Schriften mit seltenen astronomischen Phänomenen verbunden. Der Schreiber wollte damitzeigen, dass etwas für die ganze Welt Bedeutsames passiert ist. Menschen, die ihr Herz geöffnet haben, so wie die Weisen aus dem Morgenland, haben Anzeichen erkannt, dass irgendetwas auf sie zukommt. Ich würde es als ein literarisches Konstrukt bezeichnen und nicht als ein historisches und wissenschaftlich nachvollziehbares Ereignis.

Wer waren die Weisen aus dem Morgenland?

Die Magier sind in der Bibel nicht eindeutig festgemacht, wer sie sind und woher sie genau stammen. Aber sie kommen aus dem Osten. Im Zweistromland war die Astronomie lange Zeit schon eine Wissenschaft. Die bekannten Tierkreiszeichen z.B. haben dort ihren Ursprung. So sind die Magier mit großer Sicherheit dort zu verorten. Die Priesterastronomen des Kulturkreises haben sich damals weniger mit der Physik der Gestirne beschäftigt, sondern haben ihr Wissen eher verwendet, um Zeit zu bestimmen, Kalender zu erstellen und, was damals sehr wichtig war, Omen, Vorhersagen für zukünftige Ereignisse, abzuleiten, also um Astrologie im weitesten Sinne zu betreiben. Eine ihrer Leistungen zweifelsohne war die Vorhersagvon Mond- und Sonnenfinsternissen. Sie waren frühe Wissenschaftler, die regelmäßige Abläufe am Himmel studiert und daraus Schlüsse gezogen haben, wie sich Jahreszeiten verändern, wie die Planeten ziehen und wie die Planeten – astrologisch gesehen – menschliches Schicksal beeinflussen.

Wie sieht der Stand der Forschung über die Entstehung des Universums aus?

Seit den letzten 50 oder 60 Jahren wissen wir, dass das Universum früher heiß und dicht war. Diese Zeit liegt 13,8 Milliarden Jahre zurück. Seither dehnt es sich aus. Wir können uns heute nicht nur durch die Mittel der Astronomie, durch die direkte Beobachtung anschauen, wie das Universum früher ausgesehen hat, sondern wir können mit Mittel der modernen Physik auch in Zeiten des Universums zurückgehen, als das Universum noch undurchsichtig war. Die Astronomie überschreitet heute somit jene Grenze der kosmischen Hintergrundstrahlung, die etwa 400.000 Jahre nach dem Anfang des Universums, dem sogenannten Urknall liegt. In den letzten Jahren haben wir uns zurückgehantelt, indem wir die Physik wesentlich verbessert haben. Wir sind zurückgegangen zu den ersten Sekunden, ja Bruchteilen von Millisekunden nach diesem Urknall, haben immer wieder eine neue Physik auf der Erde entdeckt, z.B. bei CERN, und diese dann auf die Entwicklung des Universums übertragen.

Wenn wir heute vom Urknall sprechen, dann sprechen wir einerseits von der Beobachtung, dass das Universum früher klein und heiß war, andererseits von den physikalischen Beschreibungen eines solchen Universums, das offensichtlich einen Anfang gehabt hat. Das klingt jetzt ein bisschen abstrakt, aber wir können dabei nicht zuschauen. Es ist uns nicht möglich die ersten Bruchteile von Sekunden direkt zu beobachten, sondern wir können sie nur indirekt erschließen, indem wir studieren, wie sich Materie bei diesen extremen Bedin- gungen verhält.

Was war vor dem Urknall und ist das Universum begrenzt?

Die Frage nach einem Davor und nach einem Außerhalb des Universums entzieht sich der direkten astronomischen Untersuchung aus Prinzip, weil wir nur Beobachtungen in diesem Universum – sowohl zeitlich als auch im räumlichen Sinn – durchführen können. Biblisch gesprochen: Wir sind ungläubige Thomase, die nur das glauben, was sie sehen. Wir beschäftigen uns mit den Dingen, die uns direkt erfahrbar sind – mit unseren Sinnen und erweiterten Sinnen. Irdische Riesenteleskope oder Weltraumteleskope sind unsere Prothesen und Werkzeuge, um Erfahrungen mit dem Universum zu machen. Diese Erfahrungen sind sehr eingeschränkt. Wir kommen zwar sehr weit in die Vergangenheit zurück, fast bis zum Anfang, aber nur fast. Die Standardphysik kann überhaupt nicht von einem Davor sprechen, weil Raum und Zeit im Urknall erst entstehen. Unsere Physik, wie wir sie verwenden, funktioniert nur in diesem Universum, nachdem es entstanden ist.

Naturwissenschaftler und gleichzeitig gläubiger Katholik zu sein, birgt das nicht ein gewisses Konfliktpotential?

Nur ein beschränktes. Die wortwörtliche Auslegung der Bibel ist für einen Naturwissenschaftler nicht zugänglich und eigentlich inkompatibel mit der heutigen Weltsicht. Ich habe
mich damit abfinden müssen, dass der Schöpfungsbericht und die frühen biblischen Berichte nicht unbedingt als naturwissenschaftliches Lehrbuch gesehen werden können, sondern als ein
literarisches Werk, in dem letztlich Erfahrungen der Menschen mit Gott dargestellt werden. In der Sprache und in den Bildern der damaligen Zeit wird die Welt erklärt, mit den Beschränkungen der damaligen Weltsicht. Von dem Gottesbild, dass Gott überall lenkend eingreift, an den sprichwörtlichen Schrauben dreht, haben sich die meisten entfernt. Mein Zugang ist eher dieser, dass Gott diese Welt als ein Ganzes trägt und der Ursprung aus Gott kommt, und nicht in dem mechanistischen Sinn, dass Gott jedes Atom an seine Stelle gesetzt hat, damit jedes „Viecherl“ im Paradies herumlaufen
kann. Oder um mit einem Zitat aus einer von mir gerade gespielten Rolle, dem „Unbekannten“ aus „Der Besucher“ von Eric-Emmanuel Schmitt zu schließen: „In der Sekunde, in der ich die Menschen frei erschuf, hatte ich die Allmacht verloren und die Allwissenheit. Ich hätte nur alles unter Kontrolle haben und alles im Voraus wissen können, wenn ich schlicht Automaten konstruiert hätte.“

Schlagwörter
Autor:
  • Stefan Hauser
  • Markus A. Langer
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