„Die“ Papst-Geschichte der Gegenwart
„Babyklappe“ im Mittelalter, Impfkampagne gegen Pocken
Wenn es den Papst nicht gäbe, müsste man ihn erfinden, soll Napoleon im Jahr 1800 gesagt haben. Was das konkret heißt, umschreibt der langjährige Brixener Kirchenhistoriker Josef Gelmi in der Einleitung seines Buches so: „In der Tat ist das Papsttum wohl die einzige Institution der Welt, welche die Zeit der Apostel mit jener des Internets verbindet.“ Die Päpste als Nachfolger des Apostels Petrus haben mächtige Reiche, bedeutende Völker und auch viele Ideologien erlebt und auch überlebt. Aufgrund der Quellenlage sind die älteren Papstbilder eher kürzer gefasst, den Päpsten der neuen und neuesten Zeit wird mehr Raum eingeräumt. Soweit Informationen dazu vorhanden sind, gibt es zu jedem der Päpste einen kurzen Steckbrief, der auch daran erinnert, ob der jeweilige Papst selig oder gar heilig ist, inklusive Gedenktag.
Josef Gelmi erzählt "Die" Papst-Geschichte der Gegenwart
Und unter den Petrus-Nachfolgern gibt es Päpste, die hervorstechen. So werden zwei als „der Große“ bezeichnet: Leo I. (regierte von 440 bis 461) und Gregor I. (590 bis 604). Im Hochmittelalter dominieren drei Päpste: Gregor VII. (1073–1085), Calixtus II. (1119–1124) und Innozenz III. (1198–1216), der mit 37 (!) Jahren Nachfolger des Petrus wurde. Dieser mächtigste Mann auf dem Stuhl Petri hatte aber auch ein Herz für Notleidende. Er soll in einem Traum gesehen haben, wie römische Fischer in ihren Netzen leblose Körper aus dem Tiber fischten. „Daraufhin ließ er bei der Kirche Santo Spirito in der Nähe von Sankt Peter eine Drehtrommel errichten, in der die Mütter ihre Neugeborenen, die sie nicht annehmen konnten oder wollten, hineinlegen konnten“, weiß Gelmi. Diese mittelalterliche „Babyklappe“, „ruota“ genannt, existiert heute noch. Und er besaß intuitiven Weitblick: In einer Vision sah der Papst, wie Franz von Assisi die Lateranbasilika vor dem Einsturz bewahrt hat. Der Papst hat dann auch umgehend die Regel des damals jungen Franziskanerordens gebilligt.
In der Geschichte des Papsttums gibt es nicht nur wie 1978 ein Drei-Päpste-Jahr, sondern 1276 sogar ein Vier-Päpste-Jahr. 1378 kam es laut Gelmi zur „verhängnisvollsten Papstwahl der Geschichte“. Urban VI. war der letzte Nichtkardinal, der zum Papst gewählt wurde. Und er wurde, so Gelmi, „größenwahnsinnig“. Kardinäle wählten daher einen Papst, der sich Clemens VII. nannte – damit begann das längste Schisma der Kirchengeschichte (von 1378 bis 1417).
Papst-Geschichte: Als ein Papst den Jesuitenorden aufhob
Einer der „sympathischsten und gelehrtesten Päpste aller Zeiten“ war Benedikt XIV., der von 1740 bis 1758 regierte. Einmal sagte er: „Wenn in meiner Brust auch alle Wahrheit beschlossen liegt, ich muss gestehen, dass ich den Schlüssel nicht finden kann.“ In die Zeit von Clemens XIV. (1769–1774) fiel die Aufhebung des Jesuitenordens durch den Papst im Jahr 1773. 23 Jahre regierte Pius VII. (von 1800 bis 1823). Interessant ist, dass Pius VII. „gegen die grassierenden Pocken eine massive Impfkampagne durchführen ließ“. Mit dem Tod von Papst Pius IX., er regierte von 1846 bis 1878, ging nicht nur das längste, sondern auch „das dramatischste Pontifikat der Papstgeschichte zu Ende“. Mit dem Verlust des Kirchenstaates im Jahr 1870 (nach der Einigung Italiens) wurden die Päpste die großen Mahner für den Frieden. Pius X. war laut Gelmi einer der „größten Reformpäpste“, obwohl er hinsichtlich des sogenannten „Modernismus“ Methoden angewandt hat, die zu verurteilen sind. Für Gelmi ist auch Pius XI. einer der „bedeutendsten Päpste der Kirchengeschichte“.
Johannes Paul II.: Revolutionär, Reaktionär - Etwas andere Papst-Geschichte
Die folgenden Päpste – Pius XII., Johannes XXIII. bis Paul VI. – bekommen in dieser Papstgeschichte schon mehr Platz. Die Ära von Johannes Paul II., er regierte von 1978 bis 2005, ist laut Gelmi eine Zeit mit vielen Licht- und Schattenseiten, „denn dieser Papst war gleichzeitig ein Revolutionär und ein Reaktionär“. Er war ein Papst der Superlative: 104 Auslandsreisen, 14 Enzykliken, 15 Bischofssynoden und 1.800 Selig- und Heiligsprechungen. Und „Sieger über den Kommunismus“, betont Gelmi. Auf den großen Theologen auf dem päpstlichen Thron, Benedikt XVI. (2005 bis 2013), folgte Franziskus (2013 bis 2025), der Papst, der „an die Ränder“ ging. Der Rückstau an Problemen ist gewaltig, die Erwartungen an Papst Leo XIV., gewählt heuer am 8. Mai, sind sehr hoch. Papst Leo XIV. wird auf den Seiten 543 bis 547 kurz beschrieben, gleichsam anhand der ersten „Arbeitswoche“. Gelmi beschließt auch den Schluss seines Buches mit einem Zitat eines Franzosen. Der nicht gerade kirchenfreundliche Voltaire (1694–1778) schrieb: „Der Papst stirbt, das Papsttum jedoch ist unsterblich.“
Buchtipp:
Josef Gelmi, Das große Buch der Päpste. Von Petrus bis Leo XIV., Tyrolia-Verlag, 560 Seiten, über 250 färbige Abbildungen, ISBN: 978-3-7022-4102-5, EUR 39,00