Aufbruch zur Schule des 21. Jahrhunderts
Neue Pädagogik gefragtWenn wir unsere Schulen neu gründen würden, käme wohl niemand auf den Gedanken, die Schüler in 50-Minuten-Einheiten in 14 bis 21 säuberlich getrennten Fächern zu unterrichten, die seit 80 Jahren unverändert sind. Österreich hat das zweitteuerste Schulsystem der Welt bezogen auf die Ausgaben pro Schülerin und Schüler. Diese hohen Ausgaben korrespondieren allerdings nicht mit dem Bildungserfolg. So kann nach neun Jahren Pflichtschule ein Fünftel der 15-Jährigen nicht sinnerfassend lesen. Diese Zahl ist seit 2008 de facto unverändert.
Viele Eltern verlieren zunehmend ihr Vertrauen ins öffentliche Schulsystem. In Wien besucht bereits jeder fünfte Schüler eine Privatschule! Ich bin durchaus für Privatschulen, weil sie den Eltern mehr Wahlmöglichkeiten bieten und den Veränderungsdruck erhöhen. Aber die Zukunft für ein kleines Land kann nur in einem öffentlichen Schulsystem liegen, das die Lebenschancen von Kindern nicht systematisch zerstört, nur weil sie am „falschen“ Ort geboren wurden. Wenn wir wollen, dass bildungsferne Schüler nicht verloren gehen, brauchen wir eine neue, am einzelnen Schüler orientierte Pädagogik statt unrealistischer Lehrpläne. Entscheidend ist das Prinzip: Lernen findet über Beziehung statt.
Meine Erkenntnis aus vielen Research-Reisen: Die Welt teilt sich in Zukunft in die Lerner und die Nicht-Lerner ein. Und die Nicht-Lerner werden zu den großen Verlierern gehören. Wie die Zukunft aussehen wird, weiß natürlich niemand. Eines scheint jedenfalls sicher: Künstliche Intelligenz schlägt menschliche Dummheit. Kinder, die nicht lesen können, werden chancenlos gegen Computerintelligenz sein und keine Arbeit finden. Tafel und Kreide, veraltetes Schulwissen, das in Frontalvorträgen vermittelt wird, sind keine gute Vorbereitung auf eine Welt, in der Kreativität, emotionale Kompetenzen und Problemlösungsfähigkeit gefordert sein werden. Wer sein Leben dagegen als ständiges Lernprogramm versteht, der kann optimistisch in die Zukunft blicken. Es ist höchste Zeit für den Aufbruch zu einer lernenden Nation. Dazu gibt es ein schönes Zitat von Stefan Zweig: „Die größte Leistung von Christoph Kolumbus war nicht, dass er in der Neuen Welt angekommen ist und Amerika entdeckt hat, sondern dass er den Mut hatte aufzubrechen.“
Der Kommentar drückt die persönliche Meinung des Autors aus!