200. Geburtstag von Sebastian Kneipp

Wasser war sein Element
Ausgabe Nr. 19
  • Leben
Autor:
Sebastian Kneipp mit Gießkanne und Hund.
Der Pfarrer mit der Gießkanne hat Welterfolg. Wasser war für Sebastian Kneipp das wichtigste Lebensmittel. ©Foto Grebmer; iStock/Mercedes Otero
Kneipp-Guss
Kneipp-Guss durchgeführt von Sr. M. Johanna Aschauer im Kurhaus Bad Mühllacken. ©Kurhaus Bad Mühllacken

Nach einer schweren Kindheit in ärmsten Verhältnissen trotzte sich Sebastian Kneipp vom Schicksal die Möglichkeit ab, zu studieren und Priester zu werden. Sein eigenes Lungenleiden, grundgelegt in seiner Kindheit, heilte er mit Kaltwasser-Anwendungen. Er war Seelsorger, Agrarreformer und Imker, Bestseller-Autor und vom Papst ausgezeichnet. Ein Leben, das von unfassbarer Resilienz und zahlreichen Talenten Zeugnis gibt.

Ich habe nichts gesucht oder getan als wozu mich die eigene Not und das Mitleid mit den Leidenden getrieben hat“, sagte Sebastian Kneipp einmal rückblickend auf sein Leben. 

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Dass er es einmal zu Weltruhm bringen würde, war dem späteren Seelsorger und Naturheiler nicht in die Wiege gelegt: Am 17. Mai 1821 wurde er als Sohn eines Webers und Kleinbauern in Stephansried – heute ein Ortsteil der Gemeinde Ottobeuren in Oberschwaben – geboren. Er wuchs in ärmlichen Verhältnissen auf. „Eine behütete Kindheit gab es für Buben wie den Baschtl nicht“, schreibt Christian Feldmann in seiner Biografie „Sebastian Kneipp. Der fünfzehnte Nothelfer“. So musste Kneipp als Kind aus Platzmangel im „Weberhäusle“ auf dem Dachboden schlafen, wo im Winter der Schnee durch die Dachschindeln drang. Erwachte er in der Früh, lag auf dem alten Mantel, der ihm als Decke diente, eine dicke Schicht von Schneeflocken. Im Sommer war das Leben wohl leichter, doch richtig satt werden die Kinder nur an „Kirchweih“. Schon als Kind hat „Baschtl“ die Sehnsucht, Pfarrer zu werden. 

Sein Vater galt als klug und belesen, die Mutter als eher schroffe Person ohne Herzenswärme. Sebastian Kneipp muss sich als Kind Sätze anhören wie „Wir haben gemeint, du stirbst, jetzt haben wir dich auch noch aufziehen müssen“, wie Pfarrer Kneipp vor Wörishofener Kurgästen bei einem Ausflug in sein Heimatdorf 1894 erzählte.  
„Wer nicht arm geboren und nicht arm erzogen ist, wird nie recht erfassen das Schicksal, das den Armen trifft. Wer nicht mit den ganz Armen gegessen hat, kennt die Kost der Armen nicht“, hielt Kneipp in der Schrift „Aus meinem Leben“ fest. 

Zunächst nur Misserfolge

Studieren ist unter so armen Verhältnissen nicht möglich. Kneipp muss als Zwölfjähriger von früh bis spät am Webstuhl stehen und weben. Die harte Arbeit macht er in einem feuchten kalten Keller und sie verursacht viel Staub. Die Ursachen für sein späteres schweres Lungenleiden finden sich in seiner frühen Jugend. Später arbeitet er als Knecht, um sich eine Schulbildung finanzieren zu können. Als sein Elternhaus abbrennt, verliert er 70 hart verdiente Gulden. Trotz zahlreicher Widerstände, Demütigungen und Zurückweisungen hält Kneipp in unendlicher Sturheit an seinem Wunsch, zu studieren und Priester zu werden, fest. Es gelingt, als er sich an einen weitläufig Verwandten, den Kaplan Matthias Merkle, wendet, der ihm Unterricht gibt und Kontakte vermittelt.

Der Beginn der Wasserkur

Mit 23 Jahren wird Kneipp mit von harter Arbeit gekennzeichneten Händen in das Gymnasium Dillingen aufgenommen. 1848 beginnt er das Studium der Theologie. Schon zu dieser Zeit experimentiert er mit Wasseranwendungen. Er erkrankt an Tuberkulose und findet Hilfe im Buch „Krafft und Würckung des frischen Wassers“ von Dr. Johann Siegemund Hahn aus dem Jahr 1749. Der Student wagt den Selbstversuch mit kurzen eiskalten Bädern in der Donau und kurierte sich von seiner Krankheit. Aber nicht nur sich selbst behandelte er erfolgreich mit kaltem Wasser. Auch einigen Mitstudenten half diese Methode. Das war der Anfang seiner „Wasserkur“. 

Landwirt, Imker und Wassertherapeut

Am 24. August 1852 ist Sebastian Kneipp am Ziel seiner Wünsche: Er feiert Primiz im Dom zu Augsburg und nach einigen kurzen Stationen als Kaplan kommt er am 2. Mai 1855 als Spiritual der Dominikanerinnen ins Kloster nach Wörishofen, das von nun an bis zu seinem Tod am 17. Juni 1897 seine Heimat und Wirkungsstätte ist. Hier kann er seine vielen Talente und Ideen umsetzen: Er restauriert die Justinakirche und baut die Landwirtschaft des Klosters wieder auf. Er entwirft selbst ein Entwässerungssystem für nasse Wiesen, führt neue Kleesorten ein und unterweist die Schwestern im Veredeln von Bäumen und in der Imkerei. Unterdessen kommen immer mehr Hilfesuchende nach Wörishofen, zunehmend auch aus wohlhabenderen und adeligen Kreisen. Der Erfolg bringt Neider auf den Plan: Kneipp muss sich immer wieder gegen den Vorwurf der Kurpfuscherei und der Profitgier wehren, zu Unrecht.

Die Presse wird auf den Pfarrer mit der Gießkanne aufmerksam. Der Abt des Benediktiner-Klosters Beuron, Maurus Wolter, überredet Kneipp ein Buch zu schreiben: „Meine Wasserkur“ erscheint 1887 und wird ein Welterfolg. Sebastian Kneipp wird zum Weltstar, einschließlich Audienzen beim Papst mit Ernennung zum Monsignore. Leo XIII. gewährt Kneipp 1894 in Rom mehrere Audienzen und erbittet auch heilkundlichen Rat vom schwäbischen Pfarrer. Kneipp empfiehlt dem Heiligen Vater u.a. regelmäßige Bewegung in den Vatikanischen Gärten. 

Was macht den großen Erfolg des Sebastian Kneipp aus? „Seine Philosophie war es, den ganzen Menschen zu sehen: Körper, Geist und Seele“, sagt Sr. M. Johanna Aschauer, Oberin des Kurhauses Bad Mühllacken. Und: „Sebastian Kneipp hat alles am eigenen Körper verspürt und alles sehr gut durchdacht.“

Heute aktueller denn je

Die Medizinwissenschaft bestätigt heute: Wer eine Kneippkur gemacht hat, wird seltener krank, braucht weniger Medikamente und ist leistungsfähiger. Der „Wasserdoktor“ von Bad Wörishofen war mehr als ein kauziger Dorfpfarrer mit den Qualitäten eines Naturheilers. Heute gilt er als Pionier einer ganzheitlichen Medizin und Vordenker der modernen Physiotherapie. Abhärten, Gesundheit trainieren, die Selbstheilungskräfte im Menschen stärken, eine naturgemäße Lebensweise mit viel Bewegung und einer ausgewogenen Ernährung – mit diesem Rezept ist Kneipp zum Nothelfer einer von Zivilisationskrankheiten geplagten Menschheit geworden. Es lohnt sich, ihn wieder zu entdecken. 

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Autor:
  • Portraitfoto von Agathe Lauber-Gansterer
    Agathe Lauber-Gansterer
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