Franziskanerplatz: Frauen im Büßerinnenhaus

Frauengeschichten
Ausgabe Nr. 9
  • Österreich
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Am Franziskanerplatz gab es ein Büßerinnenhaus ©PID

Erfahren Sie mehr über das Büßerinnenhaus am Franziskanerplatzes, wo einst uneheliche Mütter und ihre Kinder Zuflucht fanden und heute eine der schönsten Ecken Wiens bildet.

Die einzigartige Renaissancefassade der Klosterkirche macht den Franziskanerplatz zu einem der schönsten Wiens und ist bei Touristen wie Einheimischen gleichermaßen beliebt. Selbst eingefleischte Innenstadtbesucher wissen allerdings meist nicht, dass sich hier anstelle des heutigen Franziskanerklosters im Mittelalter das Büßerinnenhaus St. Hieronymus befand.

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„Büßerinnenhaus“ klingt für heutige Ohren ziemlich streng. Die Kunsthistorikerin Barbara Schedl von der Uni Wien hat über „Klosterleben und Stadtkultur im mittelalterlichen Wien“ geforscht und unter diesem Titel ein Buch veröffentlicht. „Es ging bei diesem Büßerinnenhaus darum, Frauen, die am Rande der kirchlichen Wertegesellschaft gestanden sind, wie Prostituierte oder Frauen, die uneheliche Kinder hatten bzw. unverheiratet schwanger wurden, einen Weg in die Resozialisierung zu ermöglichen“, sagt die Forscherin im Gespräch mit dem SONNTAG.

Ein Zuhause für Mütter und ihre Kinder

Solche Büßerinnenhäuser gab es im 14. Jahrhundert in allen großen Städten Europas. „In Wien war es genauso. Hier ist die Einrichtung von den Wiener Bürgerinnen und Bürgern begründet worden und wurde auch von landesfürstlicher Stelle unterstützt“, erklärt Barbara Schedl. Herzog Albrecht III. förderte das Haus durch einen Freibrief, der den Büßerinnen Steuer- und Zollfreiheit gewährte. „Man ermöglichte den Frauen auch, dass sie arbeiten konnten. Sie durften gewisse Tätigkeiten ausüben, allerdings keinen Weinausschank oder ein Gästehospiz betreiben.“ Man gab den schwangeren Frauen die Möglichkeit, dass sie in St. Hieronymus ihre Kinder zur Welt brachten und dort wohnen konnten. „Sie konnten nicht nur einer Arbeit nachgehen, es war ihnen auch erlaubt, wieder zu heiraten.“ Meistens waren es also Frauen, die unehelich schwanger in die Gemeinschaft eintraten oder bereits uneheliche Kinder hatten. „Die Kinder konnten hier ein Zuhause finden. Das war der wesentliche Unterschied zu einem Kloster, wo es eine Klausur, strenge Gelübde und keine Kontakte nach außen gab. Es war eine bewusste Sozialeinrichtung“, sagt Barbara Schedl.

uch der Bau des Büßerinnenhauses unterschied sich wesentlich von einem klassischen Klosterbau mit Kreuzgang und Klausur. Ausgehend von einem Grundstück zwischen Weihburggasse und Singerstraße wurden von 1384 bis 1487, also fast 100 Jahre lang, systematisch Bauparzellen dazugekauft. „Man kann es sich so vorstellen, dass sie am Anfang in einer Art WG gewohnt haben. Zu Beginn ging es nur darum, eine Unterkunft zu haben. Der Kirchenbau hatte eine sekundäre Rolle.“ Das an die Wohngebäude angrenzende Gotteshaus, aus dem die heutige Franziskanerkirche hervorging, hatte im Mittelalter zwei Türme – ein bewusstes Zeichen der stiftungskräftigen Wiener Bürger dafür, dass sie sich diese „Sozialeinrichtung“ einiges kosten ließen.

Nicht nur diese mittelalterlichen Türme sind heute noch sichtbar und erinnern an die einstige Einrichtung. Der Kunsthistoriker Martin Roland von der Akademie der Wissenschaften entdeckte vor einigen Jahren im Rahmen einer Katalogisierung in der Österreichischen Nationalbibliothek eine Handschrift, die auf das Büßerinnenhaus zurückgehen dürfte. Diese war am Beginn mit einem Holzschnitt des hl. Hieronymus geschmückt, am Ende zeigte sie eine Heilige Familie. „In der Handschrift sind besondere Fürbitten für Frauen enthalten, darunter um Erleichterung während der Schwangerschaft, für eine gute Geburt und dass sie sich am Anblick ihrer zur Welt gebrachten Kinder erfreuen mögen“, so Barbara Schedl. Die schwierigen Zeitumstände der Reformation brachten im 16. Jahrhundert ein Ende für das Büßerinnenhaus St. Hieronymus. 1589 wurde der Gebäudekomplex den Franziskanern übergeben. Eine Erinnerung an die einstige „Frauen-WG“, etwa in Form einer Tafel, wäre schön.

Autor:
  • Agathe Lauber-Gansterer
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