Der Südturm im Stephansdom

Gedanken des Alten Steffl – Teil 3
Ausgabe Nr. 29
  • Wien und Niederösterreich
Autor:
Der Südturm: 343 Stufen in den Himmel – gotische Wendeltreppe im Alten Steffl.
Der Südturm: 343 Stufen in den Himmel – gotische Wendeltreppe im Alten Steffl. ©Verein Unser Stephansdom

Wer die 343 Stufen auf den Südturm noch nicht hinaufgekraxelt ist, hat den Steffl noch nicht richtig kennengelernt. Nein, so streng sind wir nicht, aber den Stephansdom kann man eben auch ergehen und darum geht es in der dritten Folge unserer Sommerserie: Auf geht’s!

Mir wurde zugetragen, dass sich bei der letzten Redaktionssitzung die ehrenwerten Mitglieder dieses löblichen Gremiums Gedanken gemacht hätten, ob denn Ihr Alter Steffl zum diesmaligen Thema etwas zu sagen hätte … Ähem, bei allem Respekt, liebes Redaktionsteam, aber ich bin nicht nur der Mittelpunkt unserer geliebten Stadt, sondern auch ein nicht zu unterschätzender „Fitnesstempel“, wie es so schön „neudeutsch“ heißt.

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343 Stufen auf den Südturm

Immerhin erklomm im Jahr 2005 die nicht zu übersehende Schar von über 72.000 Erwachsenen und über 22.000 Kindern die 343 Stufen zu meiner Türmerstube in etwa 82 Metern Höhe, die übrigens bis zum Jahreswechsel 1955/56 auch Aussichtspunkt der Wiener Feuerwehr war. Stiegensteigen ist ja bekanntlich sehr gut für die körperliche Fitness. Und wenn man bedenkt, dass man beim Stiegensteigen circa 0,4 kcal pro Stufe verbraucht, so trage ich durch meine bloße Existenz zum Abbau von ca. 1.840 kg Übergewicht bei Besuchern aus aller Welt bei! 

Darüber hinaus möge nicht ungenannt bleiben, dass dank des Engagements verschiedener Institutionen auch so mancher sportliche Event am Stephansplatz stattfindet, wie zum Beispiel – man glaubt es kaum! – vor einigen Jahren eine Schiabfahrt zu Gunsten der Restaurierung meiner alten Glieder. 
 

Fitnesstempel Südturm

Wie ich am eigenen Leib spüren konnte, hat unser allseits verehrter Herr Dom­pfarrer Toni Faber neben Bungee-Jumping vom Donauturm (übrigens sehr zum Missfallen Seiner Eminenz, des Herrn Kardinalerzbischofs Christoph Schönborn) eine weitere Sportart entdeckt: das Erklimmen meiner Turmspitze in mehr oder weniger prominenter Begleitung. 

Jaja, ich weiß schon, so ein Foto in der luftigen Höhe meiner Turmspitze kann sehr werbewirksam sein und macht sich gut auf diversen Homepages oder Flyern Prominenter und mehr oder eher weniger wichtiger Vereinigungen. Das muss ich wohl in Kauf nehmen. 

Turmspitze-Besteigung

Aber da gibt es noch etwas anderes, und das ist vielleicht das, was der junge Herr Kanonikus mit den Worten ausgedrückt hat: „Hier oben bin ich – ich kann es nicht anders sagen – dem lieben Gott ein Stück näher.“ Ein solch’ ähnliches „Tabor-Erlebnis“ meint wohl der Altbischof von Innsbruck, Reinhold Stecher, wenn er sagt, dass viele Wege zu Gott führen, und: „Einer geht über die Berge!“

So kann das Erklimmen meiner Spitze – gesichert wie bei einer Kletterwanderung und mutig das letzte Stück außen auf den Eisenleitern hinauf – nicht nur eine Art Mutprobe oder Stärkung des Selbstbewusstseins sein (obwohl der Herr Domarchivar bei seinen Führungen beliebt zu meinen, dass man für das Unterfangen „Turmspitze-Besteigung“ keinen Mut, sondern nur drei Packungen „Pampers“ bräuchte), sondern auch eine Begegnung mit dem, zu dessen Ehren nicht nur Ihr Alter Steffl, sondern auch jeder Mensch geschaffen wurde.
 

Rauf auf den Südturm: Überwindung des „inneren Schweinehundes“

Wenn – so wird mir berichtet – die Menschen ihre Angst, den „inneren Schweinehund“, überwinden oder durch körperliche Anstrengung an ihre Grenzen kommen, dann fühlen sie sich selbst intensiver. Sei es durch den Muskelkater, ein befriedigendes Gefühl von Erschöpfung oder das Erreichen persönlicher Bestzeit. Der menschliche Leib ist ein sehr hohes Gut, eigentlich das Einzige, das sie wirklich besitzen – und auch dieser Besitz wird ihnen irgendwann genommen. Und doch heißt es so tröstlich bei der Beerdigungszeremonie während der Beräucherung des Sarges: „Dein Leib war Gottes Tempel. Der Herr wird dich auferwecken am Jüngsten Tag. Der Friede sei mit dir!“ Klingt in diesen Worten nicht eine Ahnung von Auferstehung mit? Ist die Aufmerksamkeit auf den eigenen Körper nicht auch eine Art „Gottesdienst“, wenn die Menschen doch „Ebenbild Gottes“ sind?

Sehr dankbar bin ich dafür, dass auch auf die Gesundheit und das Wohlergehen meines steinernen Leibes (der ja nicht mehr der jüngste ist) geschaut wird – vor allem dank vieler Spender, denen ich an dieser Stelle ein aufrichtiges „Vergelt’s Gott“ sagen möchte!
So wünsche ich Ihnen eine gute, ausgeglichene Achtsamkeit auf Ihren Leib und den verheißenen Frieden des Auferstandenen. 

Buchcover Gedanken des Alten Steffl
©Domverlag

Seien Sie gegrüßt! - Teil 3/8

Gedanken aus 23 Jahren, vormals abgedruckt im Pfarrblatt der Dompfarre zu Sankt Stephan.

Können Steine sprechen? Der Alte Steffl kann! In der Serie „Und schaut der Steffl lächelnd auf uns nieder …!“ im Pfarrblatt von Sankt Stephan tut er seit über 20 Jahren seine Meinung kund: einmal augenzwinkernd und verschmitzt, einmal nachdenklich und mit Sorge, jedoch stets respektvoll und mit Herz.

Aus höherer Perspektive und mit seiner jahrhundertelangen Lebenserfahrung kommentiert der Steffl – wie der Südturm des Stephansdoms von den Wienern gerne auch bezeichnet wird – das aktuelle Geschehen auf dem Stephansplatz und in der Welt um ihn herum. Wie die Gedanken des steinernen Zeugen konkret zu Worten werden, enthüllt Domarchivar Reinhard H. Gruber in seinem neuen Buch mit einem „Best-of“ der beliebten Beiträge. 

Bereichert werden die Texte durch eindrucksvolle Fotos, die verborgene Details der Domkirche zeigen und ungewohnte Perspektiven eröffnen.

©Stefanie Grüssl – stefanie-kunst.at

Zum Autor:

Reinhard H. Gruber ist Domarchivar zu Sankt Stephan in Wien.

©Wiener Dom Verlag

Buchtipp:

Reinhard H. Gruber, Seien Sie gegrüßt! Gedanken des Alten Steffl, ISBN: 978-3-85351-336-1, 144 Seiten, EUR 30,00 erhältlich ab 23. 7. 2025 
 domverlag.at

Schlagwörter
Autor:
  • Domarchivar Reinhard H. Gruber
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