Der Steffl und ein besonderer Heiliger

Gedanken des Alten Steffl – Teil 2
Ausgabe Nr. 28
  • Wien und Niederösterreich
Autor:
Patinierter Blick auf den Alten Steffl von der Michaelerkuppel (Hofburg) aus.
Patinierter Blick auf den Alten Steffl von der Michaelerkuppel (Hofburg) aus. ©Stefanie Grüssl
Egal aus welcher Perspektive man über die Stadt blickt – immer ragt ein Spitzerl von mir hervor, gleichsam als Fingerzeig Gottes (und ich schwöre: es ist der Zeigefinger!).
Egal aus welcher Perspektive man über die Stadt blickt – immer ragt ein Spitzerl von mir hervor, gleichsam als Fingerzeig Gottes (und ich schwöre: es ist der Zeigefinger!). ©Verein Unser Stephansdom

In der neuen Folge unserer Sommerserie erinnert der Alte Steffl an einen besonderen Heiligen: Der heilige Koloman kam als Missionar nach Niederösterreich und wurde als Fremder getötet. Heute ist er einer der Schutzpatrone Wiens.

In den vergangenen Wochen habe ich von meiner erhöhten Warte aus das bunte Treiben am Stephansplatz beobachtet. Täglich haben sich Tausende Menschen am Stephansplatz einge­funden, den Blick zu mir emporgerichtet, mich fotografiert oder gefilmt und immer wieder drangen die Worte: „einzigartig!“ oder „einmalig!“ zu mir herauf. Die Bewunderer meiner Schönheit haben natürlich recht, ich bin einzigartig und einmalig. Ich habe mich über diese Komplimente sehr gefreut, mit einem Schmunzeln hab’ ich mir aber immer wieder gedacht: „Lieber Emporblickender, Du selbst bist einzigartig und einmalig! – So wie ich!“ und ein anderer Gedanke kam mir in den Sinn: „Ich, der Alte Steffl, bin nur der Zeigefinger Gottes, der Dom ist die Wohnung Gottes unter den Menschen, aber Du, Mensch, bist Abbild Gottes!“ Das beinhaltet eine ungeheuerliche Würde jedes Einzelnen.

Werbung

Der Alte Steffl erzählt über einen besonderen Heiligen

Vor tausend Jahren, am 17. Juli 1012, musste ein Mann namens Koloman sein irdisches Leben unter unsäglichen Schmerzen beschließen. Der irische Königssohn hatte auf das königliche Erbe seines Vaters verzichtet und sich als Pilger zu einer Wallfahrt ins Heilige Land aufgemacht. In Stockerau wurde er aufgegriffen. Die Bewohner der kleinen Stadt hatten ob seines fremdartigen Aussehens und seiner fremden Sprache Angst vor ihm, verdächtigten ihn der Spionage, folterten ihn und schließlich machten sie kurzen Prozess und erhängten ihn an einem Hollerbusch.

Nach seinem Tod ereigneten sich Wunder. Der Hollerbusch bekam frische Blätter und Blüten – für die Menschen dieser Zeit ein Beweis für die Heiligkeit und somit auch Unschuld Kolomans. Ehrenhaft wurde sein Leichnam in Melk, der damaligen Residenz der Babenberger, bestattet und Koloman wurde zum Landespatron; er ist heute einer der Schutzpatrone der Erzdiözese Wien.
 

Der Steffl und die Märtyrer

Den Menschen vor tausend Jahren kam die Einsicht zu spät, dass sie einen Unschuldigen aus Angst und wegen ihrer Vorurteile hingerichtet haben. Und so gehen meine Gedanken wieder zurück zu den Menschen am Stephansplatz, zu den Bewohnern unserer Stadt. Wie viele Menschen werden auch heute aufgrund von Vorurteilen zu Märtyrern? Wie viele Menschen werden aufgrund von Vorurteilen, bösem Reden und Gerüchten im übertragenen Sinn hingerichtet?
 

Der Steffl und der heilige Koloman

Für mich ist der heilige Koloman, an den im Stephansdom der „Kolomani­stein“ und eine Büste am Leopoldialtar erinnern, der Patron der Achtung vor der Menschenwürde eines jeden. Auf seine Fürbitte hin mögen unser Respekt und unsere Achtung vor den Menschen wachsen, vor jenen, die anders aussehen, die ihr Leben anders als gewohnt leben, eine andere Sprache oder eine andere Religion haben.
So grüße ich Sie, einmalig wie Sie sind, wie immer mit einem herzlichen „Grüß Gott“!

Buchcover Gedanken des Alten Steffl
©Domverlag

Seien Sie gegrüßt! - Teil 2/8

Gedanken aus 23 Jahren, vormals abgedruckt im Pfarrblatt der Dompfarre zu Sankt Stephan.

Können Steine sprechen? Der Alte Steffl kann! In der Serie „Und schaut der Steffl lächelnd auf uns nieder …!“ im Pfarrblatt von Sankt Stephan tut er seit über 20 Jahren seine Meinung kund: einmal augenzwinkernd und verschmitzt, einmal nachdenklich und mit Sorge, jedoch stets respektvoll und mit Herz.

Aus höherer Perspektive und mit seiner jahrhundertelangen Lebenserfahrung kommentiert der Steffl – wie der Südturm des Stephansdoms von den Wienern gerne auch bezeichnet wird – das aktuelle Geschehen auf dem Stephansplatz und in der Welt um ihn herum.
Wie die Gedanken des steinernen Zeugen konkret zu Worten werden, enthüllt Domarchivar Reinhard H. Gruber in seinem neuen Buch mit einem „Best-of“ der beliebten Beiträge. 

Bereichert werden die Texte durch eindrucksvolle Fotos, die verborgene Details der Domkirche zeigen und ungewohnte Perspektiven eröffnen.

©Stefanie Grüssl – stefanie-kunst.at

Zum Autor:

Reinhard H. Gruber ist Domarchivar zu Sankt Stephan in Wien.

©Wiener Dom Verlag

Buchtipp:

Reinhard H. Gruber, Seien Sie gegrüßt! Gedanken des Alten Steffl, ISBN: 978-3-85351-336-1, 144 Seiten, EUR 30,00 erhältlich ab 23. 7. 2025 
 domverlag.at

Schlagwörter
Autor:
  • Domarchivar Reinhard H. Gruber
Werbung

Neueste Beiträge

| Soziales
Advertorial

Mit Miina erhalten Sie schnell und unkompliziert genau die Unterstützung, die Sie im Alltag oder in Pflegesituationen benötigen.

| Wien und Niederösterreich
Ewald Huscava geht in Pension

Seit 2007 ist Ewald Huscava Domprediger im Stephansdom. Der Monsignore feierte 2025 nicht nur sein 40. Priesterjubiläum, sondern auch seinen Abschied als Prediger im Dom und als Pfarrvikar in der Donaucity-Kirche.

| Theologie
Die schönsten Konzilstexte – Teil 2

Der SONNTAG hat in seiner Serie die schönsten Konzilstexte für Sie gesammelt und veröffentlicht Sie wöchentlich.