Der Brillen–Trick

Neustart! Wie neu beginnen geht - Teil 6
Ausgabe Nr. 14
  • Spiritualität
Autor:
Brillen
Brillen: Ich habe schon viele Sichtweisen auf den Tod und das Trauern ausprobiert. Das hat mir geholfen, mich selbst zu verstehen. ©Carolin Weinkopf / Photocase.de
Barbara Pachl-Eberhart
Barbara Pachl-Eberhart schreibt Bücher und Blogs, hält Seminare und Vorträge. Von der Trauerbegleiterin entwickelte sie sich zur Poesietherapeutin. ©Stephan Schönlaub

Die Bestseller-Autorin Barbara Pachl-Eberhart öffnet ihre Erfahrungs- und Trickkiste und gibt Inspiration, damit Neuanfänge leichter fallen.

Neustart, die Sechste. Wie schön, dass Sie mich immer noch lesen, heute, in Woche sechs dieser Serie zur Fastenzeit.  – Heute lade ich Sie ein, mit mir shoppen zu gehen, und zwar in ein Brillengeschäft. Ich meine nicht so eines, in dem man Dioptrien vermisst. Sondern eines, in dem man in Ruhe Modelle probieren darf, am besten gemeinsam in lustvoller Laune.

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Viele Brillen

Wollen wir es probieren? Fragen wir uns: Welche Brille gefällt uns für den Blick auf das Neue? Und welche passt auch? „Ich bin eine Fachfrau für Brillen“, sage ich oft. Denn ich liebe das Brillen-Probieren. Ich brauche und nutze die Auswahl, wann immer es geht. Für mich – und auch, um empathisch zu bleiben.

Versöhnung

Die Brille, durch die ich im Jahr 2008 instinktiv auf den Tod geschaut habe, war für mich ganz natürlich. Für andere war sie ungewöhnlich, ja beinahe tabu. In meinen Büchern über das Trauern habe ich nach und nach ein paar Brillen probiert – verschiedene Sichtweisen auf den Tod und das Trauern. Das hat mir geholfen, mich selbst zu verstehen. Mich mit dem Tod zu versöhnen. Es half mir auch dabei, mit Menschen zu reden, die das mit der Trauer ganz anders sahen als ich.

Insel oder Ruf

Als Autorin habe ich mir dabei oft mit Bildern geholfen: Trauer als Weg. Oder als Berg, als Insel, als Brücke. Oder: Anfang als Neuland, als Pforte, als Erdbeben, als Ruf. Was ich bei der Arbeit an meinem Buch lernte, war dieses: Bilder zu verwenden, ist heikel – und lohnend. Sobald man „Es war wie“ oder „Es war so, als ob“ schreibt, wird es spannend. Im schlechtesten Fall erkennt man beim genauen Hinschauen, dass das Bild doch nicht passt. Im besten Fall lernt man durch den selbst gewählten Vergleich etwas dazu, weil das Bild eine eigene innere Logik hat, die weiter reicht als die erste Idee.

Ganz anders

Ein Bild sagt mehr als viele Worte. Aber kein Bild drückt alles aus, was es zu einem Thema zu sagen gibt. Das Leben ist einfach komplexer als jeder Vergleich. Haben wir nur ein Bild im Kopf? Oder können wir wechseln? „Könnte es auch ganz anders sein?“, fragen Coaches gerne. Manchmal gelingt es tatsächlich, eine ganz neue Brille zu finden. Dann kann es so weit kommen, dass sich eine Situation, die uns belastet hat, auf einmal als Geschenk entpuppt. Oder dass eine Frage, die uns schlaflose Nächte bescherte, plötzlich verschwindet.

Hausbau

Welches Bild kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie an Neubeginn denken? Gibt es ein Bild, das Sie gerne verwenden? Mein Lieblingsbild ist das einer Tür. Wenn ich Neues beginne, fällt es mir leicht, hinter mir zu lassen, was nicht mehr passt. Ich gehe voran, in Richtung Verheißung. Vor mir wartet ein neuer Raum, den ich munter betrete. Eine Tür geht auf, die andere fällt ins Schloss. 2008 gefiel mir ein Bild, das mir meine Therapeutin anbot: ein Haus, das zerfiel. Die Ziegel sind noch intakt, fast alle jedenfalls. Nur der Mörtel ist kaputt. Neu anfangen kann heißen: Neu bauen, mit dem Material, das man noch hat. Kaputte Ziegel ersetzen oder verwerfen. Vielleicht wird das neue Haus kleiner, bescheidener, aber dafür stabiler. Vielleicht aber wird es auch größer. Ein Zimmer mehr. Ein neues Dach, ein Balkon.

Brücken bauen

Das Bild einer Insel kann auch brauchbar sein, wenn es ums Neustarten geht. Das „duale Trauermodell“ zum Beispiel baut auf diesem Bild auf. Es zeichnet zwei Inseln: zum einen die der inneren Welt, mit Blick nach hinten, als Insel des Fühlens, Erinnerns und Trauerns. Zum anderen die Insel des Alltags, des Weitergehens, der Lebens-Arbeit. Menschen, die trauern, sind hin- und hergerissen zwischen den Inseln, es zieht sie zur einen, die andere ruft. Gelungene Trauer führt dazu, dass immer mehr Brücken zwischen den beiden Inseln entstehen. Bald kann man gut zwischen der einen und der anderen hin und her wandern. Freiwillig, mühelos.

Dazwischen

Die Insel-Metapher erscheint mir brauchbar, auch jetzt, kollektiv. Eine Insel: das noch unbekannt Neue, das Angst macht und uns an sich reißt, auch wenn wir es nicht wollen. Die andere Insel: das Leben, wie wir es kannten. Gewohnheiten, Überzeugungen, klare Ideen von Richtig und Falsch. Wir finden uns da, dann wieder dort. Wir orientieren uns neu – und hätten am liebsten alles wie früher. Wir fühlen uns hier nicht mehr – und dort noch nicht zu Hause. Gibt es Brücken, die das Alte und das Neue verbinden? Und wenn es sie gäbe – geben dürfte und könnte: Woraus bestehen sie? Worin sind sie verankert? Welche von ihnen können wir bauen, welche gilt es zu finden? Wer und was spannt sich auf, führt vom „Entweder-oder“ zum „Sowohl-als-auch“?

Hinhören

Noch mehr hilfreiche Bilder? Es gibt sie bestimmt. Ich will mir selbst zuhören in der kommenden Zeit. Ich will die Bilder, die mir beim Reden passieren, bemerken. Und Bilder finden für das, was ich fühle. Wenn ich sie ernst nehme und genau betrachte, erzählen sie mir vielleicht etwas über mich und die Welt und die Art, wie ich das Neue in Empfang nehmen kann.

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  • Barbara Pachl-Eberhart
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