„Dauerthema“ Kirchenbeitrag

Noch zeitgemäß?
Ausgabe Nr. 3
  • Brückenbauer
Autor:
©kathbild.at/Rupprecht

Frage an den Brückenbauer: Warum gibt es den Kirchenbeitrag überhaupt noch? Ist es zeitgemäß, wenn die Menschen teilweise nicht mehr heizen können und die Inflation steigt?

Tja, Finanzfragen sind immer heikel, und zugleich unerlässlich.
Die Wurzel des Kirchenbeitragssystems liegt noch dazu in der Zeit des Nationalsozialismus: Die Machthaber enteigneten die bisherige materielle Lebensgrundlage der Kirche, den „Religionsfonds“ und ermöglichten der Kirche in Österreich „großzügigerweise“ im Gegenzug die Einhebung eines Kirchenbeitrags, verbunden mit der verdeckten Hoffnung, dass die Menschen die Kirche nicht freiwillig unterstützen würden. Es kam anders: Viele Katholiken erkannten in der Zahlung des Kirchenbeitrags eine Möglichkeit, dem Regime legitim etwas entgegenzusetzen.

Jetzt haben wir damit zu leben. Die Grundstücke und Immobilien des Religionsfonds sind längst in anderem Besitz oder vernichtet. Wie soll sich die Kirche daher heute ihre Leistungen finanzieren? Ich halte den Kirchenbeitrag noch immer für die beste aller schlechten Möglichkeiten, auch angesichts der spürbar heftigen Teuerungen. Warum?

Werbung
  • Der Kirchenbeitrag ist sozial treffsicher. Er wird an der Höhe des Einkommens bemessen und wegen finanzieller Belastungen heruntergesetzt. Die Kirchenbeitragsstellen informieren über Ermäßigungsmöglichkeiten.
  • Der solidarische Beitrag ermöglicht, dass auch Menschen mit geringen finanziellen Mitteln die kirchlichen Angebote nützen können.
  • Die karitativen Einrichtungen der Kirche unterstützen Menschen, die von der Teuerung besonders hart getroffen sind.
  • Die Auswirkungen der Energiekrise betreffen auch die Kirche, weil etwa Heiz- und Stromkosten der Pfarren dramatisch steigen. Es wäre auch gesellschaftlich gefährlich, wenn die Pfarren als landübergreifendes Solidarnetz „zusperrten“.
  • Die Kirche erfüllt in Österreich Aufgaben, die in anderen Ländern die öffentliche Hand wahrnimmt – etwa die Erhaltung der Kirchengebäude.

Unser Kirchenbeitragssystem ist gewachsen, deshalb ist es auch nicht „am Schreibtisch“ durch ein anderes System zu ersetzen, sehr wohl ist es aber weiterzuentwickeln. Die jetzige Krise legt das gewiss nahe.

Filmszene aus "L'Avare - Der Geizkragen"

Frankreich im 17. Jahrhundert: Harpagon (Louis de Funès) schwimmt im Geld. Er ist aber so geizig, dass er sich sogar vor der Kollekte in der Kirche drückt.

Autor:
  • Stephan Turnovszky
Werbung

Neueste Beiträge

| Wien und Niederösterreich
Unter Wien

Seit Jahren führen Hobby-Historiker Lukas Arnold und seine Kollegen durch die Wiener Unterwelten und erkunden geheime Plätze unter der Stadt. Für ihre neuste Führung durch einen ehemaligen Luftschutzbunker in Ottakring, haben sie auch Zeitzeugen interviewt. Der Sonntag hat sich mit auf eine Bunkerführung unter der Stadt begeben. 

| Wien und Niederösterreich
Weinviertel

Johannes Lenius, Kirchenmusikreferent in der Erzdiözese Wien, stellt jeden Monat eine andere Orgel aus dem Weinviertel mit einem etwa zehnminütigen Video vor.

| Wien und Niederösterreich
Gesundheit

Manuela Kainer bietet seit 2016 Kräuterwanderungen in Wien und Niederösterreich an. Der Sonntag hat mit ihr über ihre Arbeit gesprochen.