Alt und Jung vereint

Lebensfreundschaft
Ausgabe Nr. 21
  • Leben
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Zwei Generationen im Dialog: Florian Matz und Helmut Puchebner trennen sechs Lebensjahrzehnte, auf der Bude treffen sie einander regelmäßig und kommen ins Gespräch. ©Markus Langer
Florian Matz: Der Brandfux … ist Maturant an der HBLVA 17 Rosensteingasse für Wirtschaftschemie. Der 19-Jährige ist Probemitglied der katholischen österreichischen Studentenverbindung Guelfia in Wien.
©Markus Langer
Helmut Puchebner: Der Alte Herr … war zuletzt Geschäftsführer des Österreichischen Volkswohnungswerkes und ist nicht-operativ in der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft tätig. Er gilt als Verfechter des sozialen Wohnbaus. Seit 1959 ist er Mitglied der Wiener katholischen Mittelschulstudentenverbindung Frankonia.
©Markus Langer

Wie man gut miteinander auskommt, erklären der junge Maturant Florian Matz (19) und Helmut Puchebner (80), der im Vorjahr sein 60-jähriges Berufsjubiläum begangen hat, beim Gespräch im gemütlichen Vereinslokal der Mittelschulverbindung Guelfia in der Wiener Innenstadt.

Das Interview zum Prinzip „Amicitia“ moderierte Chefredakteurin Sophie Lauringer, die selbst Couleurstudentin ist. Aus diesem Grund wurde das „Du“-Wort verwendet, das in Verbindungen üblich ist und das auch Ausdruck der freundschaftlichen Begegnung ist.

Amicitia, das lateinische Wort für Lebensfreundschaft, meint in farbentragenden Verbindungen gelebtes Miteinander. Was heute ein wenig pathetisch klingt, gilt nach wie vor in 660 christlichen und katholischen Verbindungen europaweit. Bei den regelmäßigen Veranstaltungen und Unternehmungen während des Semesters trifft man einander immer wieder – und muss auch miteinander auskommen. Wie leben junge und ältere Korporierte, wie die Farbstudentinnen und –studenten genannt werden, das Prinzip Amicitia?

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Helmut Puchebner, du bist seit Jahrzehnten Couleurstudent, wie erklärst du Florian das Prinzip der Lebensfreundschaft?

Helmut Puchebner: Für mich ist immer die Brüderlichkeit im Vordergrund gestanden. Es ist wie in einer Familie. Den Bruder kann ich mir nicht aussuchen, den Bundesbruder auch nicht, aber man lernt, miteinander auszukommen. Das ist schon sehr hilfreich im späteren Leben. Und bei einigen ist daraus dann eine  Freundschaft entstanden.

Hast du persönliche Freunde in deiner Verbindung?

Florian Matz: Ja, ich bin durch meinen besten Freund aus der Unterstufe zur Guelfia gekommen. Ich bin einfach mitgegangen, weil er auf die Bude musste. Und nach einem langen Nachmittag habe ich beschlossen, dass ich mitmachen will.

Und was hat dich überzeugt, selbst beizutreten?

Helmut Puchebner: Ich habe mich selber angeworben oder gekeilt, wie wir in der Verbindung sagen. Auf der Straße bei der Pfarre habe ich einen Freund getroffen, der auf dem Weg zur Frankonia war und ich wollte mir das gleich ansehen. Seit 1959 bin ich mit dabei. Und wenn man unseren Verbänden auch oft vorwirft, dass wir einander  protegieren und Seilschaften bilden, muss ich sagen, dass die Bundesbrüderlichkeit impliziert, dass neben dem Erziehen zur demokratischen Grundhaltung, wir den jungen Menschen – ohne Kumpanei – die Möglichkeit eröffnen, ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen und Verantwortung zu übernehmen. Man muss sich aber schon selber anstrengen, oder wie Goethe sagte: „Gott gibt die Nüsse, aber er beißt sie nicht auf.“

Eine Besonderheit in Verbindungen sind die sogenannten Couleurnamen. Der Ursprung war der Schutz der Mitglieder gegenüber Spitzeln, da Studentenverbindungen lange verboten waren, für Mittelschüler sogar bis 1918. Wie erklärt ihr eure Couleurnamen Patroclus und Herkules?

Florian Matz: Patroclus war der Freund des griechischen Helden Achill im Trojanischen Krieg. Er ist vorangegangen und war ein treuer Freund. Das gefällt mir.

Helmut Puchebner: Ich war, damals mit 16 Jahren, nicht ganz schlank und da habe ich den gewichtigen Herkules als Namen für mich ganz gut gefunden.

In farbentragenden Verbindungen gibt es ein besonderes Merkmal: Die junge Generation, die sogenannten Aktiven, führen die Korporation, also die laufenden Vereinsgeschäfte. Florian, wie fühlt sich das an? Du bereitest dich aktuell vor, bald Funktionen in der Verbindung zu übernehmen.

Florian Matz: Ja, das wird auf mich zukommen. Ich freue mich darauf, denn ich will mich schon einbringen.

Helmut Puchebner: Ich habe zahlreiche Aufgaben gehabt, die wir Chargen nennen. Dazu hatte ich viele Funktionen im Mittelschülerkartell-Verband im Bereich Wien und österreichweit sowie im Europäischen Kartellverband (EKV). Ich konnte das auch zeitlich bewältigen, weil ich keine Familie hatte. Wobei ich wahnsinnig gerne und viel gearbeitet habe. Dazu war ich in der Lokalpolitik engagiert und auch einige Jahre Pfarrgemeinderat. Mich hat dabei das Verbindungsleben auf das spätere Leben und auf das Berufsleben vorbereitet. Warum? Wir leben eine Fehlerkultur, die darf man in der Aktivitas haben.

Wie tragt ihr unter Bundesbrüdern Meinungsverschiedenheiten aus?

Helmut Puchebner: Manchmal würde man schon am liebsten die Wände hochgehen, wenn man anderen zuhört. Aber das Wesentliche ist: Nach solchen Diskussionen muss man in der Lage sein, gemeinsam ein Bier zu trinken.

Viele assoziieren mit Verbindungen Alkoholrituale. Hand aufs Herz: Wie gerne trinkt ihr Bier?

Florian Matz: Ja, wir trinken schon Bier. Natürlich vor allem bei den Kneipen, unseren Festveranstaltungen. Ich habe in der Verbindung gelernt, dass man mit dem Alkohol umgehen können muss. Also, die eigenen Grenzen sollte man kennen. Und man hat immer die Möglichkeit, keinen Alkohol zu trinken. Das wird dann auch akzeptiert.

Helmut Puchebner: Ich trinke eigentlich lieber einen Sommerspritzer, einen sehr verdünnten. Aber was natürlich wesentlich ist: Man muss den Alkoholkonsum im Griff haben.

Ein Ausdruck der Freundschaft ist auch das gemeinsame Singen. Was ist denn so besonders an den couleurstudentischen Liedern und was bedeuten sie im Alltag? Vielleicht sollten wir auch erwähnen, dass es um manche Texte immer wieder Diskussionen und Erklärungsbedarf gibt – warum ist das so?

Helmut Puchebner: Du sprichst da etwas an, das uns immer begleitet. Ich habe das Österreichische Kommersbuch herausgeben für die katholischen und christlichen Verbindungen. Warum? Die Lieder sind ein Kulturgut, aber sie kommen aus einer früheren Zeit, zumeist aus dem 19. Jahrhundert. Man versteht ja die Texte heute nicht immer gleich. Das muss man erklären und so haben wir es dann auch gemacht. Nationalistische oder rechtsextreme Texte haben wir dabei aber nicht veröffentlicht. Die haben bei uns katholischen und christlichen Verbindungen keinen Platz.

Welches Lied gefällt dir besonders gut und warum singst du es gerne?

Florian Matz: „Was kommt dort von der Höh?“ – das ist das Lied des Fuxmajors. Es ist sehr fröhlich, denn es steht am Beginn der Rezeption bei der Aufnahme eines Bundesbruders.

Es hatten drei Gesellen ein fein Kollegium, da starb von der dreien der eine, der andere folgte ihm nach, da blieb der dritte alleine in dem öden Jubelgemach. Das ist der Text eines der wichtigsten Lieder, die in Verbindungen gesungen werden, nämlich bei der Aufnahme und bei der Verabschiedung, bei der sogenann-ten Trauerkneipe.

Florian Matz: Das ist schon sehr interessant: Ich habe mir gedacht, dass ich dieses Lied nur einmal für mich höre. Beim zweiten Mal bin ich nicht mehr dabei. Das ist schon berührend und besonders.

Helmut Puchebner, du hast das Lied ungleich öfter gesungen. Woran denkst du dabei?

Helmut Puchebner: Ich hoffe, dass ich es noch oft mitsingen kann. Dieses Lied wird ja bei einer Kneipe gesungen. Das ist bei uns eine Festveranstaltung mit einem genauen Ablauf. Das wirkt zunächst eigenartig, trägt aber mit dem Singen und den vielen Ritualen zur Festigung der lebenslangen Bundesbrüderlichkeit und zur Stärkung des „Wir-Bewusstseins“ bei. Darauf freue ich mich jedes Mal.

Autor:
  • Sophie Lauringer
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