Hofmusikkapelle: Johanna Doderer erste Komponistin

Friedensmesse
Ausgabe Nr. 15
  • Kunst und Kultur
Autor:
Johanna Doderer, 1969 in Bregenz geboren, lebt in Wien und im Weinviertel und hat ein umfangreiches Repertoire an Werken für Oper, Kammermusik und Orchestermusik geschaffen. ©Maria Frodl
Die Komponistin und ihr Auftraggeber: Johanna Doderer und Jürgen Partaj, Direktor der Hofmusikkapelle. ©HMK

Erfahren Sie, wie Johanna Doderer als erste Frau den Auftrag erhalten hat, für die Wiener Hofmusikkapelle und die Wiener Sängerknaben zu komponieren.

Jahrhundertelang komponierten nur Männer für die Wiener Hofmusikkapelle. Das ändert sich jetzt: Die österreichische Komponistin Johanna Doderer hat eine Friedensmesse komponiert, die am 28. April in der Hofburgkapelle zur Uraufführung gelangt. Im Interview mit dem SONNTAG spricht Johanna Doderer über ihr kompositorisches Arbeiten und ihre Sorge um den Frieden. 

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Wir treffen Johanna Doderer zum Interview an einem besonderen Ort im unweit der Wiener Hofburgkapelle gelegenen ehemaligen Schlafzimmer von Kronprinz Rudolf. Der mit Holzvertäfelungen und historischen Möbeln ausgestattete Raum dient heute als Besprechungszimmer und Büro von Jürgen Partaj, Direktor der Hofmusikkapelle. Johanna Doderer, charakteristisch in schwarzer Bikerlederjacke und mit dunkelblondem Lockenkopf, gibt im Interview Einblicke in ihre kompositorische Arbeit, ihren Zugang zur Vertonung einer Messe und auch zum christlichen Glauben. 

Wann haben Sie den Auftrag zur Messkomposition erhalten?

Johanna Doderer: Ungefähr im Februar 2023 kam der Auftrag, für die Wiener Hofmusikkapelle und so auch für die Wiener Sängerknaben eine Messe zu schreiben. Ich bin sehr glücklich darüber. Es war eine Riesenchance für mich, für so einen großartigen Klangkörper eine Messe zu komponieren. Ich hatte davor schon Messteile komponiert, ebenso das Salve Regina und Christus-Vertonungen. Geistliche Musik ist für mich ganz wichtig. Es braucht leider schon einen gewissen Mut, das zu machen. Ich finde es schlimm, dass das Thema Religion heute eine Erklärung braucht. Ich bin oft erschüttert, wie wenig Wissen es heute über den christlichen Glauben gibt. 

Wie sind Sie an die Messkomposition herangegangen?

Es gibt ganz klare Vorgaben für eine Messe von den Texten und der Instrumentation. Das ist wunderbar, denn Grenzen machen uns ja auch frei. Gleichzeitig ist es sehr schwierig, weil ich authentisch bleiben möchte in meiner kompositorischen Sprache.

Es ist ein großer Unterschied, ob ich eine Messe schreibe oder eine Oper. Ich lasse mich sehr auf den Text ein – worum geht es? Das bestimmt die Klänge, die daraus entstehen und die notiere ich mit Bleistift. Es ist sehr schwer und ganz einfach zugleich. Man geht in eine Energie hinein. Ich bin nicht die Erste, die den Messtext vertont, der wurde immer wieder neu in Klänge gegossen. Der Text ist immer der gleiche, die Musik hat sich immer wieder verändert. Das hat eine eigene Kraft. Da sind Schlüsselbegriffe in diesem Text, die den Menschen im Tiefsten treffen.

Worum geht es beim Messtext?

Letztlich geht es da um die Liebe und um die Barmherzigkeit. Das ist die Essenz dieser Religion, um die sich das alles dreht und um die Selbstlosigkeit in der Folge. In einer Oper ist das ganz was anderes: Da gibt es lauter Egoisten – da werden auch entsprechend andere Energien in Gang gesetzt. Da muss ich aufpassen. Diesen Stoff durchlebe ich ja auch, meistens bringen sie sich um … Die Herangehensweise an das Komponieren ist die Hingabe an den Inhalt. An das, was durch diese Sprache und diese Religion kommt, ohne dass ich es erklären kann. Musik kann man nicht erklären. Wir hören Musik nicht, weil wir sie erklärt haben wollen, sondern weil sie uns berühren soll. Ich kann mit meiner Musik nur berühren, wenn ich mich selber ganz hinten anstelle und mich ganz einlasse. Die Musik muss umsetzbar sein. Fertig ist sie dann erst bei der Aufführung. Ich habe ein Jahr daran gearbeitet. 

Die Messe hat das Thema „Frieden“ …

Frieden kann ich nur selber leben. Der Frieden ist die Ausnahme. Das kann man damit wieder einmal aussprechen. Es besteht momentan eine Gefahr, dass der Frieden verloren geht. Das geht so schnell. Wir brauchen den Frieden. Vergebung ist das zentrale Thema. Niemand vergibt. Alle schlagen sich die Köpfe ein. Es ist unfassbar, was da momentan passiert. Nur der Papst hat gesagt, alle sollen vergeben, die weiße Fahne hissen – alle sind dagegen, aber in Wahrheit ist es das Einzige, wie wir da wieder rauskommen. In diesem ganzen Wahnsinn vergibt niemand. Vergebung ist ein Tabu. Aber sie wäre das Einzige was wir jetzt brauchen: Nächstenliebe und Vergebung. Die Vergebung ist das Wesen des Christentums, das, was den christlichen Glauben ausmacht. Das wird aber nicht gelebt. Bei der Vergebung im Kleinen können wir alle etwas tun. 

Gibt es eine Sakralmusik, die Sie geprägt hat?

Ich habe mich sehr viel mit Bruckner-Messen beschäftigt, aber auch mit Bachs Matthäuspassion, sehr viel mit Pergolesi, Brahms, Poulenc. Das sind die Eckpfeiler, ebenso Arvo Pärt. Mozarts Requiem ist das genialste Werk überhaupt.

Wie unterscheidet sich geistliche von weltlicher Musik?

Das Handwerkszeug ist dasselbe. Ich stelle mich immer in den Dienst der Musik. Ich lasse mich ganz darauf ein. Eine spirituelle Musik berührt einen anders wie ein Walzer, der beim Neujahrskonzert gespielt wird. Beim Komponieren geht es mir darum: Was sagt mir die Situation, was für Klänge erzeugt sie in mir, was für eine Energie? Diese erste Essenz ist das Wichtigste, vergleichbar einer guten Zutat beim Backen. Deswegen ist es auch so schwierig, gute Melodien oder Melodien für Kinder zu schreiben. 

Spielt der katholische Glaube eine Rolle für Sie?

Ich komme aus einer katholischen Familie – meine Eltern waren beide religiös. Ich habe in meinem ganzen Leben immer wieder Menschen getroffen, die das Glaubensbekenntnis ernst nehmen, die füreinander da sind und das leben. Das ist für mich der christliche Glaube. Über die Kirche kann man diskutieren, aber den gelebten christlichen Glauben habe ich durch Menschen erfahren. Das ist unglaublich schön. Ich gehe nicht jeden Sonntag in die Kirche, aber ich halte sehr viel vom Christentum. Ich bin hier in diesem Glauben aufgewachsen in meiner Liebe zu Jesus Christus. Dieses Dasein ernst zu nehmen und mich ein bisschen zurücknehmen und zu schauen, was in dieser christlichen Religion beschrieben wird – jetzt sind wir wieder bei der Nächstenliebe – das sind wirklich große Dinge. Da sind wir nicht in einer Kirche oder einem schlechten Religionsunterricht. Überall, wo Kraft ist und Macht ist, gibt es auch den Missbrauch. Für mich ist der christliche Glaube etwas, was ich leben möchte und leben kann und das hat einfach sehr viel mit Liebe zu tun.

Sie sind die erste Frau, die von der Wiener Hofmusikkapelle einen Auftrag für eine Messkomposition erhalten hat ...

Mir geht es immer um die Qualität – ich denke beim Komponieren nicht darüber nach, ob ich ein Mann oder eine Frau bin. Ich freue mich, dass es heute die Möglichkeit gibt – das ist das Allerwichtigste. Musik ist eine Sprache und Frauen haben etwas zu sagen. Das Komponieren ist eine extrem zeitaufwendige Sache. Diese Zeit muss man sich auch nehmen. Die Selbstverständlichkeit, eine Tür zu schließen und sich auch privat zu distanzieren und zu sagen: Ich geh jetzt komponieren – das braucht einen enormen Willen. Wenn das ein Mann macht, wird das als selbstverständlich akzeptiert. Da muss man als Frau schon sehr stark sein und an sich glauben. Meine Eltern haben meinen Weg als Komponistin ernst genommen und gesagt: „Ja, wunderbar, mach das!“

Kann Musik zum Frieden beitragen?

Ich bin ganz überzeugt davon. Musik trägt insofern zum Frieden bei, als sie die Macht und die Kraft hat, uns zu uns selbst zu führen. Das sensibilisiert die Wahrnehmung für uns und auch für alle anderen Lebewesen. Die Musik ist etwas, dass uns unmittelbar berührt und offen macht für andere. Sie hat die Macht dazu. 

Autor:
  • Agathe Lauber-Gansterer
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