Das Glas ist halb voll

Gabriel Felbermayr: Renommierter Ökonom
Ausgabe Nr. 27
  • Leben
Autor:
Gabriel Felbermayr: Für mich ist der Sommer immer mit Ferien verbunden. Ich habe drei schulpflichtige Kinder, die im Sommer Ferien haben, kurzum, Sommerzeit ist Ferienzeit. Die wirtschaftlichen Probleme, die machen im Sommer aber keine Pause, da habe ich berufliche Kompromisse zu schließen. ©Alexander Mueller

Gabriel Felbermayr steht seit Herbst 2021 als Direktor an der Spitze des Wirtschaftsforschungsinstituts. Der bekennende Katholik ist auch Professor an der Wirtschaftsuniversität Wien. Im Sommergespräch kommt er auf seine Prägung im Glauben zu sprechen und erklärt, was er sich aus der Zeit im Stiftsgymnasium Schlierbach mitgenommen hat.

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Seit 2022 hat Österreich eine deutlich höhere Inflationsrate als der Euroraum. Wie wirkt sich die Teuerung für Sie aus?

Gabriel Felbermayr: Ich gehöre sicherlich zu den Menschen im Land, die den Gürtel nicht enger schnallen müssen. Ich habe ein gutes Einkommen, meine Frau arbeitet auch. Wir sind auch nicht in den letzten Jahren auf Kante genäht gewesen und wir können mit den Ersparnissen, die wir haben, gut über die Runden kommen. Das gilt aber eben nur für einen Teil der österreichischen Haushalte. Wir wissen, dass 40 % der Haushalte auch in normalen Zeiten keine Ersparnisse haben. Und wenn dann eine Krise passiert und die Löhne, die Sozialleistungen und vieles andere erst mit Verzögerung angepasst werden, dass dann dort echte Härten entstehen. Und das sehe ich auch, das sehe ich durchaus im Bekanntenkreis, das sieht man im Stadtbild, das merkt man in den Statistiken oder Umfragen. Man merkt das in der Arbeit der Caritas und vieler anderer.

Sie sind in Steyr geboren und haben im Stiftsgymnasium Schlierbach maturiert. Was sind Ihre Erinnerungen an diese Zeit?

An die Schulzeit erinnert man sich entweder sehr ungern, oder man hat die Tendenz, das ins Positive zu verklären. Ich glaube, ich gehöre eher zu letzten Lager. Ich habe diese acht Jahre in der Retrospektive in Summe wirklich genossen. Das war eine gute Zeit, ich erinnere mich sehr gern zurück. Daten und Statistiken zeigen, dass für das österreichische Schulsystem die katholischen Schulen eine große Rolle spielen, sie bringen nämlich Wettbewerb in das System hinein. Mehr Qualität, mehr Engagement der Lehrer, mehr Ownership der Eltern. Und ich glaube, davon konnte ich profitieren. Deswegen finde ich das gut, dass es diese Schulen gibt und unterstütze das auch, so ich das kann.

Welche Rolle hat der Glaube in ihrem Leben?

Ich bin in einem katholischen Elternhaus aufgewachsen, meine Eltern haben sich in der Pfarre engagiert, ich habe das auch immer mit großer Freude gemacht. Ich glaube, dass das ein wichtiges Fundament und Umfeld ist, wo man gut groß werden kann. Es kann einem ein Leben lang Stärke und Kraft geben. Dafür bin ich sehr dankbar. Das hilft mir auch in meiner Rolle am Wirtschaftsforschungsinstitut, wo ja ganz zentral immer auch verteilungspolitische Fragen diskutiert werden müssen. Die Verantwortungsethik ist stark angelegt in unserem christlichen Erbe. Wirtschaftspolitik muss sich vor allem an den Konsequenzen für die Schwächsten orientieren und nicht an den Konsequenzen für die Stärksten. Das ist ein ganz zentraler Punkt, den man mitnehmen kann aus dem Evangelium oder aus der christlichen Lehre.

Wie geht es Ihnen denn, wenn Sie Vorschläge für Wirtschaftsentscheidungen machen, die von den politischen Entscheidungsträgern nicht übernommen werden?

Ich bin seit 14 Jahren in der Rolle des Wirtschaftsforschers, der die Wirtschaftspolitiker berät und beraten darf. Da gibt es immer wieder Vorschläge, die in die wirtschaftspolitische Arbeit übernommen werden, aber nie eins zu eins. Das wäre naiv. Aber man kann doch Impulse setzen. Das gelingt aber nicht immer.

Gibt es Hoffnung auf Besserung der wirtschaftlichen und damit auch der gesellschaftlichen Entwicklung?

Ich bin ein Optimist. Ich glaube, das kann man auch rational sein. Wir haben immer wieder erlebt, dass die Menschheit in der Lage war, große Krisen zu meistern, auch gemeinsam. So eine große wie jetzt durch die Klimakrise hatten wir noch nicht. Aber wir haben natürlich auch noch nie eine so gut gebildete Menschheit gehabt. Wir haben noch nie die technologischen Möglichkeiten gehabt, die wir heute haben. Wir haben trotz aller Unkenrufe ein Niveau von internationaler Kooperation, das immer noch sehr gut ist. Wir haben die Institutionen, wir haben die Netzwerke. Uns gehen die Dinge häufig zu langsam. Sie sind häufig nicht vollständig genug. Aber es ist schon so, dass global die Dringlichkeit und die Problemlagen erkannt sind. Das ist schon mal ein großer Unterschied zu dem, was wir in der Vergangenheit häufig hatten. Deswegen bin ich optimistisch. In Österreich klagen wir auf hohem Niveau. Die Wirtschaft wächst aktuell nicht. Auch die kommenden Jahre werden eher verhaltenes Wachstum bringen. Aber man darf nie vergessen, auf welchem Niveau wir hier leben, in welcher Lebensqualität wir hier leben. Wenn man sich das vor Augen hält, dann kann man getrost sagen: Das Glas ist halb voll.

Autor:
  • Stefan Hauser
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